Breite Distribution: Der erste Schritt zum Durchbruch oder Untergang

Vor Jahren rief mich ein regionaler Klient, der im Süden Österreichs in vielen Supermärkten gelistet war, an und teilte mir freudestrahlend mit, dass eine große Supermarktkette seine Marke national gelistet habe. Meine spontane Reaktion: „Rufen Sie dort an und teilen Sie dieser Supermarktkette mit, dass Sie diese nationale Listung nicht wollen.“

Listung als Herausforderung

Genau an dieses Telefonat musste ich denken, als ich am Samstag, dem 25. April dieses Jahres folgende Zeilen in einer Zeitungsbeilage las: „Mit einem Anti-Hangover-Drink will Julian Juen eine Erfolgsgeschichte a la Red Bull schreiben. Das erste Kapitel ist fertig: „Kaahee“ ist in Österreichs Supermärkten gelistet.“

Viele Unternehmer und Manager sehen die nationale Listung als erstes Kapitel einer Erfolgsgeschichte. Nur das stimmt so nicht. Eine nationale Listung ist die größte und auch gefährlichste Herausforderung für eine neue, junge Marke, speziell wenn diese nicht aus einem der großen Konzerne kommt. Warum? Die Listung ist das eine, aber die Drehung, also wie oft sich das Produkt dann verkauft, ist das Entscheidende. Denn wenn man aufgrund der mangelnden Drehung wieder ausgelistet wird, ist das meist der Anfang vom Ende.

Von Al Ries lernen

Nicht umsonst nennt Al Ries folgende drei Fehler bei der Einführung eines neuen innovativen Produkts: (1) Name aus Marktforschung, (2) breite Distribution und (3) hohes Werbebudget. Aber sehen wir uns alle drei Fehler näher an.

(1) Name aus der Marktforschung bedeutet, dass viele Unternehmen für ein neues Produkt lieber auf eine bekannte Marke zurückgreifen, statt einen neuen eigenständigen Markennamen zu entwickeln. So waren iPod, iPhone und iPad sicher bessere Namen als Apple Watch. Die Apple Watch wird aus Sicht der Wahrnehmung immer nur die Smartwatch von Apple sein, weil ihr ein eigenständiger Name fehlt.

(2) Je breiter man eine Marke einführt, desto größer wird die Gefahr, dass man in der Menge der Produkte und Vertriebskanäle untergeht. Viel besser ist es, ein Produkt zuerst nur in einem Vertriebsweg oder sogar nur bei einem Vertriebspartner einzuführen, um dann Schritt für Schritt zu wachsen. So macht es gerade bei Getränken oft Sinn, zuerst die Szenegastronomie, dann die Gastronomie und erst dann die Supermärkte zu erobern. Das heißt: Man geht erst in den Supermarkt, wenn man für diesen eigentlich bereits unverzichtbar ist.

(3) Für viele Unternehmen ist klassische Werbung immer noch das Kommunikationsinstrument der ersten Wahl. Nur es wird immer teurer, die Kunden wirklich zu erreichen. So geben viele Unternehmen viel, aber letztendlich doch zu wenig Geld für Werbung aus. Viel besser ist daher oft, neue Marken nur mit PR, Verkostungen, Events oder auch Szenepartys zu etablieren. Hier sollten dann der gewählte Vertriebsweg und die Kommunikation perfekt zusammenspielen.

Den Markt künstlich verengen

Wenn man sich die meisten Produkteinführungsstrategien ansieht, dürfte das Ziel sein, dass man möglichst schnell möglichst viele Kunden mit möglichst viel Werbung in kürzest möglicher Zeit erreicht. Nur genau das funktioniert nicht mehr. Viel besser ist es, den angestrebten Markt künstlich zu verengen, um dann Schritt für Schritt die Marke zu etablieren.

Auf diese Strategie setzte Stella Artois beim Markteintritt in den USA im Jahr 1999. Bei der Einführung dieser Biermarke limitierte die belgische Brauerei Interbrew, die Stella Artois braut, die Distribution auf die 20 exklusivsten Bars und Clubs in Manhattan. Darüber hinaus verlangte man um fast 20 Prozent mehr für ein Fass als der holländische Mitbewerb für ein Fass Heineken verlangte.

Dazu gehörte jede Menge Mut, denn in Belgien ist Stella so wie Bud in den USA ein ganz gewöhnliches Bier, so gewöhnlich, dass es auch in Fastfoodrestaurants in Plastikbechern verkauft wird. Anders in den USA: Hier gab es keine Plastikbecher für Stella Artois. Interbrew stattete die Bars mit den einzigartigen kelchförmigen Stella Artois Gläsern mit dem typischen Goldrand aus. Zusätzlich gab es noch eine Lektion in Stella Bieretikette. Das Bier muss genau zwischen 4 und 6 Grad Celsius serviert werden und der Schaum muss mit einem Löffel abrasiert werden.

Dann startete Stella Artois voll durch. Zuerst weitete man die Distribution in den USA in der Gastronomie national aus, um dann auch die Supermärkte und andere Vertriebsschienen zu bedienen. Heute ist Stella Artois eine der zehn meistverkauften Importbiermarken in den USA. Nicht unähnlich ging und geht auch Red Bull vor, wenn man neue Märkte erobert.

Deshalb sollte man immer überlegen, wie man bei der Einführung den Markt künstlich verengen kann, um gleichzeitig aber auch festzulegen, wie man dann Schritt für Schritt wachsen will, um zu einer nationalen und dann internationalen oder sogar globalen Marke zu werden. Mein Tipp dazu: Trinken Sie bei der nächsten Produktneueinführung zuerst ein Glas Stella Artois und denken Sie an deren Einführungsstrategie in den USA.

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