Der Altar der Vergangenheit oder wenn Marken(systeme) in die Jahre kommen

Vor vielen, vielen Jahren schrieb Managementlegende Peter Drucker, dass viele Unternehmen ihre Zukunft auf dem Altar der Vergangenheit opfern. So hat die Vergangenheit in den meisten Unternehmen einen größeren Umsatzanteil, einen größeren Gewinnanteil, beschäftigt mehr Mitarbeiter und hat somit meist auch die größere Lobby, vor allem auch im Management als die Zukunft. Genau das gilt auch für große Marken in großen Unternehmen. So haben große etablierte Marken mit einer großen Vergangenheit und Gegenwart einen anderen Stellenwert als kleinere Marken mit einer vielleicht großen Zukunft.

Der Sinn von Mehr-Marken-Systemen

Für viele Unternehmen mit Mehr-Marken-Systemen geht es vor allem um Marktdominanz. So konnte etwa VW nur deshalb zum Weltmarktführer bei Automobilen aufsteigen, weil man gezielt verschiedene Marktsegmente mit verschiedenen Marken rund um die Kernmarken Porsche, Audi, VW, Seat und Skoda ansprach und anspricht. Mit der Marke VW alleine wäre dies so nie möglich gewesen.

Aber es gibt daneben einen zweiten Aspekt, der aus Sicht der langfristigen Zukunft von Unternehmen noch sehr viel wichtiger ist. Das ist der zeitliche Aspekt. So sollte ein starkes Mehr-Marken-System im Idealfall auf alle Fälle eine oder mehrere Marken für die Gegenwart und mindestens eine Marke für die Zukunft haben. Nur wenn man sich die meisten Markensysteme ansieht, sind diese viel zu sehr auf die Gegenwart ausgerichtet.

Media-Markt und Co. im Zeitraffer

Nehmen Sie etwa das Markensystem Media-Markt und Saturn von Ceconomy. Es war mit Sicherheit eines der besten Mehr-Marken-Systeme im Zeitalter des stationären Handels. 2011 ergänzte man dann dieses Mehr-Marken-System mit dem Kauf von Redcoon um eine reine Online-Marke. Nur damit hatte man damals – langfristig gesehen – eine Marke zu viel.

So wäre eine Möglichkeit gewesen, dass man Saturn in Media-Markt aufgehen hätte lassen, um a) eine starke Marke mit stationären Wurzeln zu haben und um b) eine Marke mit Zukunftspotenzial im reinen Online-Handel zu haben. Stattdessen aber gab man die Marke Redcoon auf. So hieß es am 4. Mai 2018 auf Computer Bild: „Media-Saturn schließt das Kapitel Redcoon.“

Seit damals konzentrierte man sich wieder auf die beiden Stammmarken Media-Markt und Saturn, um diese natürlich auch online-fit zu machen. Bis es Mitte Juli dieses Jahres auf einmal hieß, dass die Marke Saturn in Österreich in Media-Markt aufgehen wird. Dazu konnte man folgende Zeilen auf Horizont.net am 14. Juli 2020 lesen: „Warum das Aus für Saturn auch in Deutschland droht“. Dieses Szenario steht mit Sicherheit im Raum, da man bei Ceconomy Österreich so als eine Art „Testmarkt“ sehen könnte.

So spricht auch vieles, vor allem aber der Kostendruck dafür, dass man sich bei Ceconomy auf eine Marke konzentriert. Nur genau diese Konzentration löst das Kernproblem von Ceconomy nicht. Man hat auch weiterhin keine starke Marke im Online-Handel mit Expansionspotenzial. So gesehen hätte man aber jetzt in Österreich noch eine ganz andere Möglichkeit aus Markensicht ins Auge fassen können. Man hätte nämlich Saturn zur reinen Online-Marke machen können, um eine neue „digitale Geiz ist geil“-Ära auszurufen.

Von der Gegenwart in die Vergangenheit

Was das Management von Ceconomy trösten mag, ist, dass man nicht alleine ist. So sind heute viele Mehr-Marken-Systeme viel zu sehr auf die Gegenwart ausgerichtet. Nehmen Sie noch einmal VW! So hatte und hat VW ein perfektes Mehr-Marken-System für die Benzin- und Diesel-Ära. Was VW aber fehlt, ist mindestens eine starke Elektroauto-Marke. Elektroautomodelle wie der Audi e-tron oder der VW ID 3 könnten im Kampf gegen Tesla und die Zukunft zu wenig sein. Sollte sich das in Zukunft herausstellen, werden wir auch bei VW mit großer Wahrscheinlichkeit eine Bereinigung des Markensystems erleben. Genau dies machte nach der Krise 2009 auch General Motors in den USA, um sich auf die verbleibenden Kernmarken Chevrolet, Buick, Cadillac und GMC zu konzentrieren. Nur auch hier sieht man viel Vergangenheit und noch Gegenwart und wenig Zukunft.

Nur genauso besteht die große Gefahr, dass man auf einmal nicht mehr mit einem Markensystem der Gegenwart, sondern mit einem Markensystem der Vergangenheit dasteht. Wünschen wir daher sowohl VW, GM als auch Ceconomy, dass man die Unternehmenszukunft nicht auf dem Markenaltar der Vergangenheit opfert oder sogar bereits geopfert hat. Die Zukunft wird es zeigen.

Erschien im Original auf Horizont.net

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