Von Albin Wallinger und Michael Brandtner
Die erste Digital-Uni Österreichs kommt nicht aus den Schlagzeilen. Das wäre generell für eine neue Marke nicht schlecht, da PR bekanntlich die beste Werbung ist. Das Problem ist nur, dass in diesem Fall die Meldungen alles andere als positiv sind. So hieß es am 14. April in der Tageszeitung Die Presse: „Um die Linzer Digital-Uni gibt es von Beginn an Kontroversen. Die Idee der Neugründung, die 2020 von Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Landeshauptmann Thomas Stelzer (beide ÖVP) geboren worden ist, sorgt seither für Debatten über Sinnhaftigkeit und Ausrichtung.“ Im Kurier von 10. März hieß es: „Kein Ende der Anlaufschwierigkeiten für Digital-Uni in Linz“, und in einem Kommentar heißt es: „Sie hat es sowieso schwer genug, hochzukommen.“ Fachleute erwarten, dass der Lehrbetrieb im Herbst im Idealfall „mit einem nicht vollen Studienangebot startet“. Am 20. April zogen die OÖN eine Art Fazit unter dem Titel: „Linzer Digital-Uni: Wie es zu dem Schlamassel kam“.
Über Sinn und Unsinn einer Digital-Uni
Wenn es um den Sinn oder Unsinn einer Digital-Uni geht, kann man zwei zentrale Sichtweisen heranziehen:
(1) Digitalisierung ist mit Sicherheit eine Querschnittsmaterie: Man betreibt Digitalisierung in Bereichen wie Forschung, Produktion, Logistik oder auch Marketing, aber niemand digitalisiert die Digitalisierung. Hier stellt sich einmal die Grundsatzfrage, ob es hier wirklich eine echte nachhaltige Idee bzw. einen echten nachhaltigen Bildungsauftrag geben kann, oder ob man hier einer Art „Modewort“ unterliegt. Das ist die eine Seite.
(2) Andererseits muss man feststellen: Im europäischen Ausland gibt es vereinzelt schon ein verpflichtendes Schulfach ‚Digital Sciences‘ etwa für 13-Jährige in Gymnasien. (Dabei handelt es sich nicht um einen klassischen Informatikkurs.) Auf universitärer Ebene kann man in Europa an der Université Paris Cité oder an der TH Köln einen Masterstudiengang ‚Digital Sciences‘ belegen, in den USA an der Kent State University in Ohio. Das Thema tiefergehend akademisch zu behandeln, im Sinne eines konkurrenzfähigen Top-Instituts, könnte somit schon gewisse Chancen für den Technologiestandort Österreich bieten.
Heißt: Entscheidend wird sein, wie man das Wort Digitalisierung wirklich mit Sinn und Leben füllen will und wird. Aber egal, wie ambitioniert das Projekt auch immer sein mag und wird, die Verantwortlichen werden vor drei großen Positionierungsaufgaben stehen:
Aufgabe 1: Positionierung auf dem Campusgelände der Uni Linz
Im europäischen Vergleich fällt auf: Die Uni Linz, also die JKU, setzt seit Jahren konsequent auf eine Dachmarkenstrategie. Diese erlaubt keine echte eigene Identität, egal ob in Form einer WU (Wirtschaftsuniversität) oder einer TU (Technischen Universität). Auch die Fokussierung auf starke „Lead-Institutes“ wird durch diese Strategie klar behindert.
Heißt: Alle Institute müssen sich der Dachmarke JKU unterordnen. Selbst das ‚LIT – Linz Institute of Technology‘, welches bewusst oder unbewusst an das Massachusetts Institute of Technology erinnern soll, darf nur als Unterzeile unter dem Logo JKU auftauchen. Diese mittlerweile unüberschaubare Anzahl von JKU-Instituten führt in der Praxis zu durchaus kuriosen Situationen.
Ein Beispiel: Partner der im Oktober 2022 in Linz stattfindenden EWSN-Konferenz zu Embedded Systems war nicht eine etwaige TU Linz, sondern vier JKU-Institute: das LIT Cyber Physical Systems Lab, das Institute for Communications Engineering and RF-Systems, das Institute of Pervasive Computing sowie das Institute of Telecooperation.
Aus dieser Perspektive betrachtet sollte diese neue TU, also diese sogenannte Digital-Uni, alles daran setzen, so eigenständig wie möglich positioniert zu sein. Dazu wäre natürlich ein stärkerer Name als Institute of Digital Sciences Austria mehr als nur empfehlenswert.
Aufgabe 2: Positionierung in Österreich
Damit kommen wir zur Aufgabe Nr. 2 oder folgenden Fragen: Was ist jetzt diese „Digital-Uni“? Eine Universität? Ein Spezial-Institut? Diese Zwitter-Organisation (Verfassungsrechtler nennen es „eigenständige universitäre Einrichtung außerhalb des Universitätsgesetzes“) macht es sehr schwer, das Projekt einmal „nur“ in Österreich zu positionieren.
Auffallend: Nicht einmal das Wissenschaftsministerium verhält sich einheitlich bei den Begriffen. In der Publikation ‚Austria Innovativ 3/22‘ verwendet es offiziell das Kürzel ‚IDS Austria‘. Dies führte in der Vergangenheit zu einer gewissen Verwechslung mit dem ‚IST Austria‘, dem Institute of Science and Technology Austria in Niederösterreich, welches 2022 den Institut-Namen auf ‚ISTA‘ änderte.
Wohl auch vor diesem Hintergrund spricht das Wissenschaftsministerium mittlerweile auf seiner Webseite von: „Neue Technische Universität für Digitalisierung und digitale Transformation in Österreich.“
Weiters auffallend: Auch die Medien tun sich, wie bereits erwähnt, schwer mit der Bezeichnung des Projekts. Der Standard meinte am 8. März etwas süffisant: „Die in Planung befindliche sogenannte Digital-Uni oder Technische Uni (TU) Linz, die offiziell Institute of Digital Sciences Austria (IDSA) heißen soll.“ Letzteren langen Namen wollen die Medien ihren Nutzern offensichtlich nicht zumuten. Seit einem Jahr verwenden sie daher ganz einfach den Begriff „Digital-Uni“.
Positionierung in Europa
Doch was nutzt ein Begriff wie Digital-Uni, mit dem Studierende und Lehrende in Europa wenig anfangen können – oder welcher sogar mit falschen Vorstellungen assoziiert wird? Bekanntlich will das Institut auch internationale Studierende gewinnen. Es soll idealerweise sogar „zum Magneten für Studierende aus ganz Europa“ werden. Das wünscht sich etwa die Industriellenvereinigung.
Fragt man Studierende in europäischen Ländern jedoch, was sie sich unter einer Digital-Uni vorstellen, kommt immer wieder die Gegenfrage: „Soll an der neuen Digital-Uni ausschließlich digital studiert, gelehrt und geforscht werden?“ Hier bleibt noch viel Positionierungsarbeit zu leisten. Nur wenn diese gelingt, werden im Idealfall Studierende sagen: „Statt an einer Technischen Uni (TU) irgendwo in Europa Informatik zu studieren, könnte ich auch nach Österreich gehen, um dort an einer Technischen Uni (TU) Digital Sciences studieren, etwa mit einer Vertiefung im Bereich KI.“ In diesem Fall könnte der Standort auf dem Campus der Uni Linz ein Trumpf sein, weil gerade die JKU in der Kombination von ‚Business‘ und ‚Technology‘ sehr stark ist. Hier könnte das neue Projekt also tatsächlich von der Infrastruktur und vom Campusgelände der JKU profitieren.
PS: Eine überlegenswerte Alternative wäre eine komplette Neuausrichtung der JKU, der aktuell drittgrößten Universität Österreichs, anschließend an die aktuelle Strategie 2019-2024, spätestens aber zum 60-jährigen Bestehen im Jahr 2026. Diese Art der Neuausrichtung sollte aber keine Klammer sein, um es allen Instituten rechtzumachen. Sie müsste wirklich eine wegweisende Richtung für die Zukunft vorgeben und auch international einen echten Eindruck hinterlassen.
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit dem deutsch-luxemburgischen Journalisten Albin Wallinger, ehemaliger Angestellter von Handelsblatt (Düsseldorf) und Wall Street Journal Europe (Brüssel). Beide Autoren sind Absolventen der JKU Linz.