Aktuell sieht es mit dem Bierabsatz nicht gerade rosig in Deutschland aus. Wurden 1994, also vor 30 Jahren noch 107 Millionen Hektoliter Bier in Deutschland konsumiert, waren es 2023 nur mehr 69 Millionen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass deutsche Biermarken in regelmäßigen Abständen ihren Auftritt überarbeiten, um dieser Entwicklung entgegen zu wirken. Dies macht aktuell auch die Radeberger Exportbierbrauerei mit ihrer Kernmarke Radeberger Pilsener. So wurde der Markenauftritt laut Horizont Online komplett überarbeitet, vom Logo über das Packaging bis hin zum Werbeauftritt und Slogan. Dieser lautet nun „Auf die Leidenschaft“.
Positionierung, Differenzierung und …
Wird dieser Slogan Radeberger wirklich differenzieren und wird er vor allem gemeinsam mit der Werbelinie die Position von Radeberger Pilsener in der Wahrnehmung der Kunden wirklich nachhaltig verbessern? Das ist die eine Frage, die man sich stellen kann. Aber es gibt noch eine ganz andere. Würde es nicht einen noch stärkeren Ansatz geben, oder was unterscheidet Radeberger wirklich von allen anderen Biermarken? Antwort: Radeberger war die erste deutsche Brauerei, die nach Pilsener Art braute.
Genau hier könnte – psychologisch gesehen – eine sehr viel stärkere Idee „schlummern“. Dazu müsste man zwei Punkte in der Werbung beachten:
(1) Man müsste zuerst einmal aufzeigen, dass der Biermarkt für die Kunden unüberschaubar ist.
(2) Man müsste dann Radeberger aus dieser Masse heben.
In diesem Kontext könnte man in einem Werbespot aufzeigen, dass es in Deutschland über 1.500 Brauereien gibt, um dann klarzustellen, dass es nur eine Original-Pilsbier-Brauerei gibt. Damit würde man Radeberger Pilsener auch sehr viel stärker als Pionier und zudem suggestiv als Marktführer positionieren. (Nur wahrscheinlich ist dieser Ansatz dem Marketing und der Werbeagentur viel zu wenig kreativ.)
… die falschen Vorbilder
Ein Grund, warum viele Unternehmen und Agenturen diese emotionale Art von Slogans lieben, dürften Vorbilder wie Nike mit „Just do it“ oder McDonald’s mit „Ich liebe es“ oder „I’m loving it“ sein. Übersehen wird dabei, dass nur wenige Marken eine so starke mentale Position wie Nike oder McDonald‘s haben. Für Marken mit schwächeren Positionen machen diese Art von Slogans in der Regel wenig bis gar keinen Sinn. Sie werden einfach mit mehr oder weniger Leidenschaft maximal als Werbe-bla-bla wahrgenommen. Gillette mag mit einem sinnbefreiten Slogan wie „Für das Beste im Mann“ glücklich werden, für die meisten Marken wäre ein Slogan dieser Art nicht nur sinnbefreit sondern auch komplett sinnlos.
Dazu kommt noch, dass die „leidenschaftliche Slogan-Welt“ bereits mehr als überstrapaziert ist. So hatten wir bereits Slogans wie: „Fahren aus Leidenschaft“ (Alfa Romeo), „Leidenschaftlich sexy“ (Cosmopolitan) „Leistung aus Leidenschaft“ (Deutsche Bank), „Leidenschaft ist unser Antrieb“ (Fiat), „Leidenschaft verbindet“ (HSV), „Qualität aus Leidenschaft“ (Schöffel) oder „Arbeit, Fußball, Leidenschaft“ (VFL Wolfsburg). (Auf Slogan.de gibt es 470 Slogans mit dem Stichwort „Leidenschaft“, jetzt dann wahrscheinlich 471.)
Das aktuelle Skoda Slogan-Chaos
Oder nehmen Sie Skoda! „Simply Clever“ war ein Slogan, der Skoda perfekt positionierte und gleichzeitig auch die Einstellung und Motivation der Skoda-Käufer und Käuferinnen auf den Punkt brachte. Dazu heißt es auf Skoda.at immer noch: „Für unsere Škoda Modelle steht eine Palette raffinierter kleiner Helfer zur Verfügung, die entwickelt wurden, um Ihnen Tag für Tag das Leben zu erleichtern. Aber der bekannte Slogan „Simply Clever“, der inzwischen ein Synonym für die Marke ist, bedeutet viel mehr als das. Entdecken Sie die „Simply Clever“-Welt.“ In der Skoda Werbung aber lautet der Slogan auf einmal „Let’s explore“ oder dann wieder einmal „Abenteuer starten im Kopf“. Wer kann und will dieses abenteuerliche Slogan-Chaos entdecken, verstehen oder sich gar merken? Vielleicht sollte Skoda auch bei der Slogan-Kreation einfach auf „Simply Clever“ im wahrsten Sinne des Wortes als Leitmotto setzen oder einfach einmal auf der eigenen Website nachlesen.