Gestern schrieb eine österreichische Tageszeitung (Der Standard) unter dem Titel „Schnäppchenjagd als Zugpferd für lokales Marketing“ folgende Zeilen: „Einer der heißesten Onlinemärkte ist seit weniger als zwei Jahren das Geschäft mit Rabattgutscheinen, ihr Start-up-Star ist Groupon.“ Im Artikel selbst wurde dann aufgezeigt, dass meist kleinere, örtliche Unternehmen, die sonst nur wenige Marketing-Möglichkeiten haben, Groupon nutzen.
Die Geister, die ich rief
Für viele – speziell auch für diese kleineren, regionalen – Unternehmen mag Groupon zurzeit wie eine tolle Möglichkeit aussehen, schnell neue Kunden und Umsätze zu generieren. Nur wahrscheinlich werden viele dieser Unternehmen schon bald an folgende Stelle in Goethes Zauberlehrling denken:
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd‘ ich nun nicht los.
Warum? Die Antwort darauf ist einfach: Der tiefe Preis ist ein gefährlicher Weg, um neue Kunden zu gewinnen. Kurzfristig ist das immer toll. Nur langfristig gesehen überwiegen in der Regel die Nachteile.
Die 3 großen Nachteile:
Die wichtigsten drei Nachteile sollten wir uns daher kurz im Detail ansehen:
Nachteil 1: Man muss die Dosis ständig erhöhen. Bis Anfang der 1990er Jahre führten meine Eltern ein kleines Lebensmittel- und Textilgeschäft in Rohrbach in Oberösterreich. Dabei kann ich mich noch gut erinnern, dass in den 1970er Jahren 20 Prozent Rabatt im Schlussverkauf eine echte Sensation waren. Wenn man heute um sich blickt, dann geht es um 50, 70 oder sogar 80 Prozent. Mit 20 Prozent im Schlussverkauf ist nicht mehr viel Geschäft zu machen. Es ist ähnlich einer Drogensucht. Man muss ständig die Dosis (bis zum goldenen Schuss) erhöhen, um das gleiche „Glücksgefühl“ zu erlangen. Dazu kommt noch, dass man die Kunden systematisch zum Preiskäufer erzieht. So werden auch immer mehr Waren nur mehr im Aktionszeitraum gekauft. Die Kunden haben gelernt, dass der reguläre Preis zu hoch ist.
Nachteil 2: Es taucht immer einer auf, der noch billiger ist. Nichts ist einfacher als den Preis zu senken. Man muss nur das alte Preisschild durch ein neues ersetzen. Wenn eine Autowaschstraße mit Groupon erfolgreich ist, wird der Nachbar dies versuchen mit noch mehr Rabatt zu „toppen“. Dabei stehen die Chancen nicht schlecht, da der Rabattkäufer kein treuer Kunde ist. Die Folge: Ruinöse Rabattschlachten jetzt auch zusätzlich im Internet!
Nachteil 3: Der tiefe Preis zerstört die Deckungsbeträge und bringt so gut wie nie die Umsatzzuwächse, die man brauchen würde, um das „Deckungsbeitragsdefizit“ auszugleichen. Dazu ein einfaches Rechenbeispiel: Sie verkaufen zurzeit 1.000 Stück zu einem Preis von 10 Euro. Ihr Deckungsbeitrag beträgt dabei 5 Euro. Um mehr Kunden zu gewinnen, geben Sie einen Rabatt von nur 25%. Sie verkaufen also jetzt um 7,50 statt um 10 Euro. Wie viele Stück müssen Sie jetzt verkaufen, um denselben Deckungsbeitrag wie vorher zu erzielen. Stimmt! Sie müssen den doppelten Umsatz erzielen. Das Problem dabei: Viele Kaufleute sind so von den kurzfristigen Umsatzsteigerungen begeistert, dass sie dabei ganz übersehen, dass man damit dauerhaft kein Geld mehr verdient. Dabei haben diese Kaufleute natürlich im Hinterkopf die Hoffnung, dass der Preiskäufer von heute der Stammkunde von morgen ist, der dann zum regulären Preis kauft. Nur das funktioniert so gut wie nie. (Moral: Der Weg in den Bankrott ist in vielen Fällen mit kurzfristigen Umsatzsteigerungen durch Preisaktionen gepflastert.)
Marken- statt Preisdifferenzierung
Der Ausweg: Marken- statt Preisdifferenzierung. Nur dazu braucht man drei Dinge: (1) Eine differenzierende Idee, die in den Köpfen der Kunden Mehrwert erzeigt. Brillant etwa ist die Idee „handgeschöpft“ bei Schokolade von Zotter. So muss eine handgeschöpfte Bioschokoladenkreation besser sein als eine Tafel Industrieschokolade. (2) Den Mut, höhere Preise als der Mitbewerb zu verlangen. So ist der Preis für die Kunden nicht nur Zahlungseinheit, sondern auch Qualitätsindikator. So kostet Zotter Schokolade auch bedeutend mehr als Milka Schokolade. Dies wiederum erhöht natürlich auch die von den Kunden wahrgenommene Qualität. (3) Den Mut, aus kurzfristigen Wachstumsgründen auf kurzfristige Preisaktionen zu verzichten. So einfach in der Theorie. So schwer in der Praxis.
Dazu passt hervorragend folgendes Zitat von Peters über die Elektronikkette „Media-Markt“ (Stern, 6/2011, S. 78):
„Er richtet die Linse des Handys auf den Barcode, der auf dem Karton des Satellitenreceivers abgedruckt ist. Das iPhone recherchiert schnell im Internet und offenbart: Der im Media-Markt für 99,90 Euro angebotene Receiver kostet bei Amazon.de nur 75 Euro. Er bestellt ihn online – mitten im Laden.“
„Ich bin doch nicht blöd“ jedenfalls funktioniert nicht mehr. Während Media-Markt diesen Winter Umsatzeinbußen hinnehmen musste, legten klar positionierte, kleinere Wettbewerber wie „Conrad Electronic“ mit Läden „Voller Ideen“ fleißig zu.
Marke macht Märke. Preise machen Pleite!