Nokia und Microsoft: Zwei Verlierer ergeben noch lange keinen Sieger

Jetzt ist es fix: Heute verkündete der Nokia-Chef Stephen Elop, dass Nokia und Microsoft eine Smartphone-Allianz schmieden werden. In der Mathematik mag Doppelminus Plus ergeben. Im Marketing sieht das anders aus. Hier die zwei Schlüsselfragen dabei aus Marken- bzw. Marketingsicht:

(1) Wird Nokia bei Smartphones stärker, wenn man auf das Verliererbetriebssystem Windows Phone 7 setzt? Ich denke „nein“.

(2) Wird Microsoft stärker, wenn man bei Smartphones auf den Verlierer Nokia setzt? Ich denke „nein“.

Mehr noch: Warum sollten Smartphone-Kunden ein Nokia Smartphone mit Windows Phone 7 kaufen, wenn man sich auch ein iPhone, einen BlackBerry oder ein Android-Smartphone von Samsung, HTC oder vielleicht Motorola kaufen kann? Beide Konzerne Nokia und Microsoft sollten statt dieser Allianz viel mehr alleine ihre Hauptprobleme lösen, denn der gemeinsame Weg ist ein gefährlicher Weg, der von den tatsächlichen Problemen ablenkt. Dazu sollten wir die derzeitige Situation von beiden Unternehmen einmal isoliert betrachten.

Nokia aus Markensicht

Noch vor wenigen Jahren war Nokia aus Markensicht der hochgelobte Handy-Superstar. Aber Nokia hat den Marken- und Produktfokus verloren. So bringt Nokia zwar bis zu 60 neue Handy- und Smartphonemodelle pro Jahr auf den Markt, aber Nokia besitzt kein einziges „Muss ich unbedingt haben“-Modell. Die Kunden haben längst den Überblick über Nokia und die unüberschaubare Modellpalette verloren. Erschwert wird das Ganze noch dadurch, dass der boomende Smartphone-Markt von BlackBerry und iPhone dominiert wird. Das sind die Phones, die man haben muss. Noch einmal erschwert wird das Ganze dadurch, dass bei Smartphone-Betriebssystemen Android im letzten Quartal 2010 zum Weltmarktführer aufgestiegen ist. Was sollte Nokia tun?

Schritt 1: Nokia braucht selbst unbedingt wieder ein Leadprodukt, das viele unbedingt haben müssen. Dies kann aber kein Me-too-Smartphone sein, denn in diesem Markt hat Nokia zu wenig Markenkompetenz gegen BlackBerry und iPhone. Dies sollte ein Mobiltelefon sein, am besten eines für Vieltelefonierer. Möglicher Nutzen: Extrem strahlungsarm für all jene, die wirklich viel telefonieren.

Schritt 2: Nokia sollte im Smartphone-Markt eine neue Marke rund um das offene Betriebssystem Android lancieren. Nur dazu muss man zuerst eine neue Idee oder besser eine neue Kategorie von Smartphones kreieren. So hat Nokia schon bei Netbooks Schiffbruch erlitten, weil man ohne echte Idee und mit dem schwachen Namen Nokia Booklet 3G auf diesen Markt ging.

Wird Nokia diese beiden Schritte tun? Wahrscheinlich nicht! Vielmehr wird man auch weiterhin – jetzt gemeinsam mit Microsoft – versuchen, mit mehr und besseren Modellen zu punkten. Da hilft auch die angekündigte Konzernteilung von Nokia in eine Handy- und in eine Smartphonesparte wenig. Nokia braucht bei Smartphones definitiv eine neue eigenständige und eigenständig positionierte Marke.

Microsoft aus Markensicht

Mit dem Leadprodukt Windows 7 ist Microsoft wieder zurück auf der Erfolgsstraße. So verkündete erst kürzlich Steve Ballmer auf der CES in Las Vegas, dass in Zukunft Windows 7 auf allen Plattformen funktionieren wird. Klingt logisch, könnte aber – langfristig betrachtet – der Weg in die Sackgasse sein. Das Problem: Vielleicht brauchen wir in Zukunft in Zeiten von Thin Client-Lösungen, Cloud-Computing und der neuen Internet-Mobilität mit Smartphones, Tablets und Netbooks kein solch komplexes Betriebssystem mehr?

Daher sollte Microsoft aus Markensicht ein komplett neues extrem schnelles Betriebssystem speziell für Notebooks, Netbooks und Tablets entwickeln. (Der Mobiltelefonzug ist für Microsoft und Windows bereits abgefahren. Da hilft auch die Allianz mit Nokia nicht weiter.) Mehr noch: Es sollte dieses neue System unter einer eigenen neuen Marke parallel zu Windows vermarkten. Das dürfte also keine weitere Windows-Variante sein, sondern müsste wirklich eine komplett eigenständige neue Marke sein. Wenn das Microsoft nicht tut, wird es wahrscheinlich irgendwann jemand anderer machen. Aber auch Microsoft wird dies sicher nicht tun. So steigt sogar für Microsoft die Gefahr, dass in Zukunft ein „aufgepäppeltes“ Smartphone-Betriebssystem den Markt für Netbooks, Tablets und vielleicht auch Notebooks dominieren wird.

Die Vergangenheit sein lassen, die Zukunft schaffen

Das heißt: Mit der jetzigen Allianz möchten beide Konzerne die Fehler der Vergangenheit wieder gut machen. Nur das ist keine gute Idee. Viel besser wäre es für beide Konzerne, die Vergangenheit ruhen zu lassen, um den Blick für Vorne zu haben, um also die Zukunft neu zu schaffen.

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4 Antworten zu Nokia und Microsoft: Zwei Verlierer ergeben noch lange keinen Sieger

  1. Karsten Kilian schreibt:

    Michael Brandtner bringt es mal wieder auf den Punkt: Wenn zwei Verlierer sich zusammenschließen wird noch lange kein Gewinner daraus. Jetzt sind die beiden Unternehmen erst einmal mit Abstimmungsarbeiten beschäftigt, während der Wettbewerb weiter vorangeht (und das strategische Problem beider Unternehmen weiter an Größe gewinnt).

    Too big to fail? Oder eher: Too big to fast-forward!

    Es bleibt spannend!

  2. Und hinzu kommt neben der inflationären Neuheitenvielfalt eine schon länger andauernde „Designkrise“! Es gibt nicht nur Unordnung bei der Inflationitis sondern auch beim Anblick der ganzen Modelle. Mir fällt beim besten Willen nicht ein, welche Desingnline Nokia tatsächlich verfolgt? Was ist eigentlich das typische Markengesicht? Bei Apple kann ich es schon am Design über die verschiedensten Linien i-Pod, i-Phone und i-Pad erkennen. Das schafft Orientierung und hat schon direkt eine spontane „Ausweisfunktion“ für den Besitzer, zur Fan-Gemeinde zu gehören.
    Optik und Haptik sind bis ins kleinste Detail aufeinander abgestimmt. Wobei das insofern zu revidieren ist, daß die klare Richtung „weniger ist mehr“ verfolgt wird und somit so viele Details gar nicht zu designen sind.
    Da stört es den Besitzer auch nicht, daß woanders vielleicht bessere Technik zu bekommen ist. Das i macht halt im Moment den Unterschied!

  3. Pingback: Sinkende Handy- und Smartphone-Verkäufe machen Nokia Probleme « EnterprisIT

  4. Pingback: Der Milliarden-Fehler von Google oder die große Chance für Microsoft | Brandtner on Branding

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