Wenn man heute über Werbemedien liest, dann geht es so gut wie immer um das große Duell zwischen klassischen Medien und den neuen sozialen Medien. Übersehen wird dabei anscheinend ein Medium, dass genau dann involviert ist, wenn die Kaufentscheidung tatsächlich getroffen wird. Das Medium ist die Verpackung! So begehen immer noch viele Unternehmen die folgenden drei Todsünden bei der Verpackungsgestaltung.
Todsünde Nr.1: Keine Markenpositionierung auf der Verpackung
Wenn man sich heute viele Verpackungen ansieht, findet man den Markennamen, das Markendesign, die Produktbeschreibung inkl. Gebrauchsanleitung und die gesetzlich notwendigen Texte. Was man nicht findet, ist die grundlegende Markenpositionierung bzw. Markendifferenzierung. So sehen sich die meisten Produkte abgesehen vom Markennamen und vom Design her ziemlich ähnlich. Ein schwerer Fehler!
Wer heute alle Kontaktpunkte zur Differenzierung nutzen will (und das sollte man), sollte unbedingt darauf achten, dass die Markenpositionierung auf der Verpackung steht. Der erste Schritt dazu, ist, dass man die grundlegende Markenpositionierung und den darauf aufbauenden Markenclaim aus P.O.S.-Sicht entwickelt. Dies erfordert in der Regel einen selbsterklärenden Markenclaim, der auch ohne Werbegeschichte bzw. ohne Werbetext auskommt.
Hier drei Bespiele aus den U.S.A. für Slogans, die ohne weitere Erklärung auskommen, und gleichzeitig aber die klassische Werbung verstärken: So lautet der Slogan von Barilla „Italy`s Nr. 1“, der von Altoids „The Original Celebrated Curiously Strong Peppermints” und der von Fresh Express “The Pioneer in Packaged Salads”.
Damit verstärken diese Slogans nicht nur die parallel laufenden Werbekampagnen. Sie funktionieren auch ohne diese. Als Fresh Express mit dem ersten verpackten Salat in einer amtungsaktiven Folie auftauchte, schuf man 1989 nicht nur ein neues, heißes Marktsegment. Man schrieb diese Pionierleistung auch auf die Verpackung, um von Anfang an klar zu stellen, wer in diesem Bereich das Echte und Wahre ist. Die Erfolgsgeschichte von Fresh Express spricht klar für diese Vorgehensweise. So hatte 2003 die Marke 40% Marktanteil von einem 2,7 Milliarden US$-Markt und wurde dann um 855 Millionen US$ an Chiquita verkauft. (Nicht schlecht für einen Salat!)
Wenn aber die Slogans – wie heute üblich – nur aus rein klassischer Werbesicht entwickelt werden, funktionieren diese dann auf der Verpackung oft nicht, weil sie in der Regel – ohne die Geschichte des Werbespots – nur nach netten Behauptungen klingen.
Todsünde Nr. 2: Keine Nutzung der Verpackungsrückseite
In der Regel findet man auf der Verpackungsrückseite maximal die Inhaltsstoffe, Zubereitungsempfehlungen, das absendende Unternehmen und natürlich alles, was der Gesetzgeber vorschreibt. Was man in den seltensten Fällen findet, ist noch einmal die Positionierung und wenn der Platz dafür reicht u. U. auch die Erfolgs- bzw. Unternehmensgeschichte. Das ist Todsünde Nr. 2.
Wie man es richtig macht, zeigt Weihenstephan auf seinen H-Milch-Verpackungen. Dort, wo herkömmliche H-Milch-Erzeuger nur das Nötigste hinschreiben, steht bei Weihenstephan: „Verantwortungsvoll geführte Bauernhöfe, in den herrlichen Landschaften des Alpenvorlandes sind die Heimat unserer Milchkühe. Saftiges Gras und gesunde Wiesenkräuter bilden die Futtergrundlage für die Kühe, von denen wir täglich frisch unsere Milch beziehen.“ So wird die Positionierung „Alpen-H-Milch“ klar positiv verstärkt.
Auf vielen Verpackungen wäre Platz dafür, nur wer beschäftigt sich schon gerne mit der Verpackung, wenn er auch mit zum Dreh des nächsten geilen Werbespots mitfliegen könnte?
So zeigen auch Untersuchungen der Gruppe Nymphenburg, dass zwar nur 0,1 Prozent aller Konsumenten direkt beim Lebensmittelkauf einen Blick auf die Rückseite werfen. Zu Hause sind es aber 15 bis 20 Prozent, die sich mit der Rückseite beschäftigen, weil sie mehr über das Produkt wissen wollen. Diese kann man so erreichen, in ihrer Kaufentscheidung bestätigen und u. U. auch als wichtige Weiterempfehler gewinnen.
Todsünde Nr. 3: Keine Blockbildung im Regal
Waren Sie schon einmal in einem fremden Supermarkt, und haben ein Milchprodukt oder ein Fertiggericht gesucht? Dann wissen Sie, was es heißt die berühmte Stecknadel im Heuhaufen zu suchen. Damit sind wir bei Todsünde Nr. 3.
Spezial im Milchregal hat man oft den Eindruck, dass da nicht Verpackungsdesigner sondern Tarnfarbenexperten am Werk waren. Ein Mitgrund dafür ist sicher, dass sich alle an die „Branchenregeln“ halten. Nur gleiches Denken führt zwangsläufig zu gleichen bzw. ähnlichen Produkten und Verpackungen.
Auch hier sticht Weihenstephan positiv heraus. So sind alle Weihenstephan-Milchprodukte sofort an ihrem heraus stechenden Blau ersichtlich, wie jeder weiß, der einmal in Bayern bzw. Deutschland vor dem Milchregal stand.
Aber auch Milka ist ein gutes Beispiel dafür, wie man Branchenregeln bricht und am P.O.S. heraus sticht. So ist Lila sicher keine ideale Farbe für Schokolade, aber Lila ist eine ideale Farbe, um sich am P.O.S. von anderen Schokoladenmarken abzuheben, die sich an die Branchenregeln halten.
Aber die Lila-Verpackung unterscheidet sich nicht nur durch ihre Farbe. In Summe bilden die vielen Lila-Verpackungen einen Block am P.O.S., den man schon von weitem sieht. Das gelingt auch Coca-Cola bei den Dosen. So bilden viele Coca-Cola-Dosen einen dominanten Block am P.O.S.. Hier muss die Coca-Cola-Company in Zukunft aufpassen, dass nicht zu viele helle Coke-Light und schwarze Coke-Zero-Dosen diesen Block erheblich beeinträchtigen. Man macht sich so u. U. in den Augen der Kunden am P.O.S. kleiner als man wirklich ist.
Das heißt: Man sollte bei der Verpackungsgestaltung massiv darauf achten, dass sich die Verpackung a) perfekt durch Form und Farbgebung abhebt, und b) die Verpackungen in Summe einen Block bilden, der weithin sichtbar ist. Hier kann es vor allem für Nicht-Marktführer enorm Sinn machen, genau die gegenteilige Farbe des Marktführers zu wählen, um sich noch klarer abzugrenzen. Jahrelang verschenkte Pepsi-Cola am P.O.S. wertvolles Differenzierungspotential, weil man sich mit den Blau-Rot-Weißen-Dosen zu wenig vom roten Coca-Cola-Block abhob. Erst vor nicht allzu langer Zeit erkannte man den Fehler, um jetzt massiv auf die Farbe Blau zu setzen.
Brillant machte dies auch Wagner Pizza beim Redesign der eigenen Verpackungen im Jahr 2006/2007. Mit der Einführung des blauen Steinbackofens als Verpackungsrand erhöhte man nicht nur die Differenzierungskraft und die Wiedererkennbarkeit am Point of Sale, man visualisierte so auch perfekt die Positionierung als beliebteste Steinofen-Fertigpizza. Zusätzlich gelang es, diese neue Verpackung ohne Stilbruch zur alten einzuführen. Dies misslang kürzlich etwa Tropicana in den USA. So führte das Redesign der Verpackung zu erheblichen Umsatzverlusten und der Wiedereinführung der alten Verpackung.
Ein Besuch sagt mehr als tausend Worte
Wie sieht das für Ihre Marke, Ihre Marken aus? Bevor Sie jetzt ein Marktforschungsinstitut beauftragen, sollten Sie sich vielleicht in den nächsten (für Sie fremden) Supermarkt begeben, um Ihre eigene Marke, Ihre eigenen Marken in der Menge der Marken zu finden. Ein solcher Besuch sagt oft mehr als tausend Worte.
Das heißt: Viele Marken verkaufen sich heute weit unter Potential, weil diese drei einfachen Punkte zu wenig oder gar nicht bei der grundlegenden Markenstrategieentwicklung bedacht wurden. Das ist wird dann schnell zum teuren Fehler, denn alleine das Redesign einer Verpackung kann enorm teuer werden, viel teurer als ein neuer Fernseh- oder Radiospot und ist zudem mit erheblichen Risiken (siehe Beispiel Tropicana) verbunden.
Besser daher: Entwickeln Sie von Anfang an Ihre grundlegende Markenstrategie, angefangen bei der Markenpositionierung aus P.O.S.-Sicht, denn der P.O.S. als Ort der Verführung und der endgültigen Kaufentscheidung gewinnt immer mehr an Bedeutung. So werden laut aktuellen Studien bereits 50 bis 70 Prozent aller Kaufentscheidungen am P.O.S. getroffen. Nutzen Sie dieses Potential, bevor es Ihre Konkurrenz tut.
Da kann ich nur zustimmen. Sobald die POS-Fläche grösser wird z. B. in Form von Shop-in-Shops, nehmen die einzelnen Sortimente eine stärker Gewichtung ein. Die Durchgängigkeit der Markenbotschaft von der Marke über die Sortimente zum Produkt bringt dem Unternehmen entscheidende Vorteile, da der Konsument die Markengeschichte und die Auflösung der Markenbotschaft bis auf Produkteebene wiederfindet. Das schafft Vertrauen!
Beachtenswerter Artikel.Habe einige gute Denkanstoesse gekriegt. Warte auf neue Posts zum Thema.
Sie denken ja wirklich an alles! Toller Beitrag! Man merkt, dass Sie ein Focusing Berater mit Leib und Seele sind.
In der Praxis wird es jedoch keinen Firmenchef geben der je einen Supermarkt von innen sieht 😉 … oder „Schatz… hast du heute meine Schokoriegel auf Anhieb gefunden? 😉