Das Comeback des Preis-Irrsinns

„Das Ende des Preis-Irrsinns“ verkündet die neue Werbelinie von Media-Markt. So erklärte der Chef der Media-Saturn-Holding Horst Norberg, dass es eine generelle Umkehr der Preispolitik von Media-Markt geben wird. Die Devise dabei lautet laut Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung: Schluss mit den Preisschlachten, den Schleuderpreisen und den Geizhalsangeboten, denn das wollen die Kunden (angeblich) nicht mehr.

Die konditionierten Kunden und der Wettbewerb

Ob das wirklich so funktionieren wird, hängt einmal von zwei wesentlichen Faktoren ab, nämlich den Kunden und vor allem auch vom Wettbewerb:

Ad 1) Die Kunden wurden in den letzten Jahrzehnten vom Handel, egal ob Elektro-, Baustoff- oder Lebensmittelhandel sukzessive zum Preiskäufer konditioniert. Hieß es früher „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, heißt es heute „Wer zu früh kauft, den bestraft das Sonderangebot“. Media-Markt kämpft heute schon damit, dass man von den Kunden im Vergleich zum Internet als zu teuer wahrgenommen wird. Dieser Eindruck könnte so noch einmal verstärkt werden.

Ad 2) Dazu kommt, dass man den Wettbewerb jetzt quasi einlädt, den Preis-Irrsinn massiv zu fördern. Das wäre jetzt die optimale Rolle für Saturn als den großen Herausforderer von Media-Markt. Eine Nummer 2 sollte immer das Gegenteil der Nummer 1 machen. Natürlich wird man dies nicht tun, da beide Unternehmen zusammengehören. Nur damit geben wahrscheinlich beide Unternehmen die (Preis-)Führungsrolle am Markt ab, um nur auf Preise zu reagieren. Dies könnte zur Folge haben, dass die (kurzfristige) Wirkung der eigenen Werbeaktionen drastisch nachlässt.

Die eigenen konditionierten Filialen

Nur genau das könnte dann und wird wahrscheinlich dann dazu führen, dass die eigenen Filialen rebellisch werden. So hat sich der Handel in den letzten Jahrzehnten selbst auf das „Preisschleudern“ als einzig glücklich machende Maßnahme konditioniert. Speziell das Management im Handel liebt auf allen Ebenen Verkaufsaktionen. Dies auch deswegen, weil deren Erfolg (im Gegensatz zu klassischer Werbung) leicht zu messen ist. Gute Marketingleute setzen nur mit Widerwillen auf diese Mittel.

Der Unterschied liegt in der Perspektive. Das Management sieht die kurzfristige Perspektive anhand der konkreten Umsätze. So sind Frequenz und Umsatz leicht bei jeder Preisaktion zu messen. Der kurzfristige direkte Zusammenhang ist leicht feststellbar. Marketingleute sehen eher die langfristige Perspektive. Dabei geht es vor allem zwei Punkte: (1) So führen regelmäßige Preisaktionen dazu, dass die Kunden zu Aktionskäufern erzogen werden, die klar erkennen, dass der reguläre Preis zu hoch ist. (2) Aktionen wirken wie Drogen. Man muss ständig die Dosis erhöhen, um dieselbe Wirkung zu erzielen.

Nur genau hier lauert die noch viel größere Gefahr, dass die Kampagne scheitern wird. Denn wenn die Filialen kurzfristig aufgrund rückläufiger Frequenz und Umsatzzahlen anfangen zu rebellieren, ist es mit der neuen langfristigen Preis- und Werbeausrichtung wahrscheinlich schnell vorbei.

Die Markenlektion von Goethe

Die Wahrscheinlichkeit ist daher groß, dass Media-Markt bald wieder zu den guten alten Preisschlachten mit Sonder- und Super-Super-Sonderangeboten zurückkehren wird. Jahrzehntelange „Erziehungsfehler“ lassen sich mit einer Werbekampagne nicht rückgängig machen. Und mancher bei Media-Markt wird dann wohl an den Zauberlehrling von Goethe denken: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd‘ ich nun nicht los.“ Fazit: Die Tiefstpreisgeister werden den Handel auch in Zukunft begleiten.

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4 Antworten zu Das Comeback des Preis-Irrsinns

  1. MSH will wahrscheinlich mit solchen Massnahmen den Einstieg in den Onlinehandel flankieren. Es ist jedoch m.E. unwahrscheinlich, daß ein stationärer Handel wie Saturn oder Mediamarkt virtuelle ebenfalls erfolgreich sein wird. Die gleichen Erfahrungen haben führende Lebensmittelhändler ebenfalls immer wieder gemacht – zumindest bis heute. MSH sollte die Onlineaktivitäten bei der neuen Tochter redcoon konzentrieren und beim stationären Handel Saturn und Mediamarkt die multisensualen Chancen nutzen, die darin liegen, daß der Kunde die Ware begutachten, begreifen und testen kann. Ob diese Preispolitik dabei hilfreich wird sich zeigen…

  2. Dr. Karsten Kilian schreibt:

    Ich gebe Dir vollkommen Recht, Michael. Mit dem neuen Preisansatz kann Media-Markt nicht punkten. In ein paar Monaten kehren sie wieder zum Marktschreiertum zurück. Oder was sollen Sie jetzt allwöchentlich in ihre Anzeigen schreiben? Die Preise sind wie immer?

  3. Dr. Karsten Kilian schreibt:

    Hinzu kommt, dass die aktuelle Kampagne keinen guten Grund (neben dem einst irrsinnig „günstigen“ Preis) mehr nennt, um in die Märkte zu kommen. Das kann nicht funktionieren – und wird es auch nicht.

    Bei Baumärkten hat es demgegenüber geklappt, nur mit dem kleinen, feinen Unterschied, dass eine schnelle Verfügbarkeit von zentraler Bedeutung ist, weshalb auch der Nachteil des eigenen Abtransports billigend in Kauf genommen wird. Will sagen: Der Hornbach-Ansatz funktioniert beim Media-Markt nicht!

    Schließlich kommt noch hinzu, dass man den Kunden jahrelang beigebracht hat, dass sie nicht blöd seien. Jetzt schon? Guenstiger.de & Co. jedenfalls können sich freuen!

  4. Dr. Karsten Kilian schreibt:

    @ C. Berentzen: Das zentrale Problem von Media-Markt & Co. wird sein, zu vermeiden, dass die Leute für die multisensuale Produktbegutachtung in die Läden gehen und dann, noch im Laden, via Smartphone die begutachtete Ware bei einem der günstigeren (!) Onlinehändler frei Haus ordern. Schließlich haben die meisten von uns ja keine Lust, (insbesondere größere) Produkte zur Kasse zu schleppen, ins Auto zu hieven etc.

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