Im Wahlkampf versprach uns der damalige und jetzige Vizekanzler Michael Spindelegger, dass er die Wirtschaft in Österreich entfesseln werde. Konkret sprach er von 420.000 neuen Jobs, die er mit seinem Maßnahmenpaket schaffen wollte. Zusätzlich demonstrierte er, soweit ich mich erinnern kann, in einer der Diskussionsrunden im Wahlkampf mit einem 100-Euro-Schein, dass die steuerliche Belastung in Österreich nicht mehr höher werden dürfe.
Heute als Finanzminister geht es ihm und der aktuellen Regierung hauptsächlich um ein kurzfristig ausgeglichenes Budget im Jahr 2016. So gibt es ab März dieses Jahres diverse Steuer- und Abgabenerhöhungen, die vor allem wieder die üblichen Kandidaten wie Autofahrer und Raucher treffen. Gleichzeitig müssen die Ministerien massiv kurzfristig Geld einsparen. Damit aber werden natürlich echte Strukturreformen verhindert, da man kurzfristig bei den Strukturen wenig bis gar nichts einsparen kann. Es wird wahrscheinlich sogar dazu führen, dass die Bürger direkt oder auch indirekt noch einmal schlechter gestellt werden, da natürlich diverse Förderungen und Subventionen gestrichen oder gekürzt werden. Man nimmt den Bürgern so auf der einen Seite mehr Geld und gibt ihnen dann auf der anderen Seite davon weniger als bisher.
Alte Wirtschaftsweisheit übersehen
Schlimmer noch: Die neue Regierung übersieht so weiterhin ganz klar eine alte Wirtschaftsweisheit, die lautet: Wer nach den Zahlen lebt, stirbt mit den Zahlen. Denn Zahlen sind defacto immer nur ein Abbild von Leistungen und Maßnahmen. Deshalb kann man in der Regel auch ein Unternehmen nicht rein über Zahlen sanieren. Unternehmen, die dies versuchen, enden normalerweise in einer Einsparungsspirale, die letztendlich zum Untergang führt.
Das gilt speziell dann, wenn Einsparungsmaßnahmen – wie aktuell auch durch den neuen Finanzminister – nach dem Gießkannenprinzip, also losgelöst von den Leistungen der einzelnen Bereiche passieren. So wird in Unternehmen in solchen Fällen einmal generell gespart und noch einmal verschärft beim Marketing, bei Forschung & Entwicklung und bei der Weiterbildung. Nur so beschneidet man auch automatisch die eigene Zukunft. Das passiert in der Wirtschaft meist dann, wenn ein Unternehmen keine Zukunftsvision hat, weil man in einem alten rückläufigen Markt tätig ist, weil in der Not die sogenannte Erhaltung des Status Quos kurzfristig wichtiger angesehen wird als die Schaffung einer neuen Zukunft. Jetzt ist ein Vergleich Unternehmen – Staat immer gefährlich. Vielleicht aber sollten wir den Vergleich zu einer Gemeinde suchen.
Am Beispiel Gemeinde lernen
Stellen Sie sich nun aber vor, Sie wären der Bürgermeister einer Gemeinde irgendwo in Österreich! Seit Jahren müssen Sie erkennen, dass die Ausgaben regelmäßig über den Einnahmen liegen. Damit können Sie – eng betrachtet – nur an zwei Schrauben drehen: (1) Sie können versuchen, die Einnahmen durch etwa höhere Gebühren und Abgaben zu erhöhen. (2) Sie können versuchen, die Kosten durch etwa Personalabbau oder auch das Hinausschieben von Investitionen zu senken. Beides wird Ihre Gemeinde im Laufe der Zeit für die bestehenden und für die potenziellen Gemeindebewohner unattraktiver machen.
Sie könnten aber auch eine Zukunftsvision entwickeln, um etwa ein größeres oder auch mehrere größere Unternehmen in Ihrer Gemeinde anzusiedeln. Ein Weg dazu wäre etwa, dass man in einem Bereich in der Bildung und vor allem so auch in der Forschung und Entwicklung neue Standards setzt, die dann Unternehmen anlocken. (Manche denken jetzt vielleicht spontan an Hagenberg in Oberösterreich.)
Damit würden die Einnahmen steigen, es würden Arbeitsplätze entstehen und man könnte auch wieder in die Infrastruktur investieren. So zeigen auch Studien, dass in der Regel die Regionen mehr Wohlstand haben, in denen es starke Industrien und Unternehmen gibt. Nur dazu muss man immer wieder auch auf neue Industrien und damit neue Unternehmen setzen. Nur die bestehenden Industrien und Unternehmen zu erhalten, kann dabei sehr gefährlich werden.
Österreich als kleiner Teil der Erde
Eine Gemeinde mag ein kleiner Teil im Öko-System Österreich sein, das von einer gezielten Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik massiv profitieren kann. Österreich wiederum ist ein kleiner Teil der EU und ein noch kleinerer Teil der globalen Wirtschaft. Warum also sollte hier eine gezielte Standortoffensive keine Wirkung zeigen, um global orientierte Unternehmen nach Österreich zu locken?
Nur dazu müssten die verantwortlichen Entscheider wahrscheinlich zuerst erkennen, dass man mehr als nur ein Budget braucht, um den Staatshaushalt langfristig in Ordnung zu bringen. Es würde bedeuten, dass die Regierung eine längerfristige Vision haben müsste, in welchen wirtschaftlichen Bereichen Österreich eine führende Rolle global spielen sollte. Dies wiederum hätte enorme Auswirkungen auf die Wissenschaft und damit auch die Finanzierung dieser, um in diesem Bereich auch global Standards setzen zu können.
Silicon Valley als Vorbild
Ein echter Turbo für die USA in den 1970er und 1980er Jahren war mit Sicherheit „Silicon Valley“. Es ist heute noch der Platz, wo ein Computerunternehmen sein sollte, und es ist ein wesentlicher Grund, warum die USA im Bereich Software und Hardware die Weltmacht Nr. 1 ist. Dabei begann die Geschichte (wie bei den meisten großen Erfolgen) schon viel früher.
So kann man auf Wikipedia folgende Zeilen lesen: „Die wirtschaftliche Entwicklung der Region begann 1951 mit der Einrichtung des Stanford Industrial Park, einem Forschungs- und Industriegebiet neben der Stanford University. Nach und nach gründeten ehemalige Mitarbeiter von Elektrofirmen sowie Absolventen der Universitäten kleine Unternehmen und entwickelten neue Ideen und Produkte. Zu den bekanntesten gehören unter anderem Intel, Google, Yahoo!, Hewlett-Packard und Apple. Mit der Verbreitung der Computertechnik seit den 1960er und 1970er Jahren siedelten sich im Silicon Valley zunehmend Unternehmen der Hochtechnologie an.“
Was könnte so ein „Silicon Valley“ für Österreich sein? Die Frage dabei für Österreich in Summe wäre: In welchem Zukunftsbereich könnte Österreich global eine große Rolle spielen? Wie wäre es etwa mit grüner Technologie (Energie, Recycling, …)? Die nächste Frage wäre dann: Wo könnte so ein „Green Valley“ geographisch entstehen und was wäre der Startschuss, um so ein Green Valley „klein“ zu starten?
Gefangen in der eigenen Vergangenheit
Nur davon sind wir heute weiter entfernt denn je, wo doch auch unser Bundeskanzler Werner Faymann anscheinend weiß, dass man am besten die Zukunft schafft, indem man an der Vergangenheit und Gegenwart nichts oder so gut wie nichts ändert.
Jetzt kann man dem aktuellen Finanzminister vielleicht zu Gute halten, dass er es aufgrund seiner bisherigen Tätigkeiten einfach nicht besser weiß. Nur damit sollte sich die ÖVP in Summe inklusive dem Wirtschaftsminister und dem Wirtschaftsbund endgültig vom Begriff Wirtschaftspartei verabschieden, speziell dann, wenn man weiterhin taten- und vor allem auch kommentarlos dieser Budgetpolitik gegenübersteht. Denn so werden wieder weitere Jahre letztendlich vertan, weil man an operativen Schräubchen dreht, statt endlich langfristig strategische Weichen zu stellen.