„Spindeleggers Kernproblem“ lautete die Headline eines Kommentars am Samstag, den 16. April 2011 im Standard. Darin meinte die Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid, dass Schlagwörter und umgefärbte Begriffe für eine ÖVP-Neupositionierung zu wenig seien. Damit hat sie sicher recht. Begriffe wie Leistung, Familie oder christlich-soziale Werte werden nicht reichen. Aber wie findet man eine Neupositionierung für eine Bundespartei, die im Spagat der Bünde (Wirtschaftsbund, Bauernbund und ÖAAB) und der mächtigen ÖVP-Landesorganisationen agieren muss? Dazu sollte Parteichef Michael Spindelegger aus Markensicht drei Punkte berücksichtigen:
Punkt 1: Er darf Positionierung nicht als statisches Statement sehen
Man kann den Begriff Positionierung heute aus zwei Perspektiven betrachten. Die erste Perspektive ist statisch, indem Positionierung quasi als Klammer für ein bestehendes Unternehmen, eine bestehende Marke oder auch eine bestehende Organisation gesehen wird. Das Problem dabei: Die meisten Klammern enden als „Wischi-Waschi-Positionierung“, weil man nach einer Idee sucht, mit der alle leben können.
Die zweite Perspektive ist es, Positionierung als ein Zukunftsziel zu definieren, dass man gemeinsam erreichen will. Das heißt: Die ÖVP sollte sich heute sehr genau überlegen, wo man morgen stehen will. Denn was sicher nicht funktioniert, ist eine Klammer für das Heute zu suchen. Damit kommen wir zum zweiten Punkt.
Punkt 2: Er darf Positionierung nicht als abgehobene Zukunftsvision sehen
Die Gefahr bei „Zukunftsvisionen“ ist immer, dass diese im wahrsten Sinne des Wortes abheben oder bzw., dass diese nur eine nette Ansammlung von Zukunftswünschen sind. Nein! Es geht dabei um einen Slogan im wahrsten Sinne des Wortes. So kommt der Begriff „Slogan“ ursprünglich aus dem Keltischen. Der schottisch-gälische Ausdruck „sluagh-ghairm“ bedeutet darin so viel wie Kriegsruf oder Schlachtruf.
In der französischen Revolution lautete etwa der zentrale Schlachtruf bzw. die zentrale Losung: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. So etwas braucht heute auch die ÖVP, nämlich einen einfachen und vor allem mitreißenden „Grundsatz“, der – und das ist für einen Slogan ganz wesentlich – nach außen und nach innen wirkt. Nach außen sollte er beim „Gegner“ Ehrfurcht erzeugen. Nach innen sollte er für Zusammenhalt sorgen und auch als Richtschnur für Entscheidungen dienen. (Passt dies zu unserer Losung oder nicht?) Damit kommen wir zum dritten Punkt.
Punkt 3: Er wird die Positionierung nicht in der ÖVP finden
Dabei sollte er diesen Slogan gar nicht in der ÖVP suchen, denn dort wird er ihn nicht finden. Er sollte ihn für Österreich suchen. So sollte die ÖVP heute definieren, welche zentrale Zukunftsidee man für Österreich hat. „Was wollen wir für Österreich erreichen?“, sollte dabei die zentrale Frage sein.
Das heißt: Die ÖVP sollte sich aus dem starren Positionierungsdenken der Parteien lösen, um die Themenführerschaft für Österreich zu suchen. Dies kann man natürlich nur im engsten Team tun. Dabei sollte dieses zentrale Thema drei Eigenschaften erfüllen: (1) Es sollte eine spezifische Richtung für Österreich vorgeben, für die die ÖVP in Zukunft mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln eintreten will. Im Idealfall ist dieses eine zentrale Zukunftsthema um nur ein einziges zentrales Schlagwort aufgebaut. (2) Es sollte zu den Kernkompetenzen der Partei aus Sicht der Wähler passen. Es muss aus Wählersicht als glaubwürdig sein. (3) Es sollte die Mitbewerbsparteien in die Defensive zwingen.
Das Programm radikal starten
„Ein Mann, ein Wort“, sollte dabei die Devise von Michael Spindelegger sein. Er sollte mit seinem engsten Team diesen Slogan, diese Losung noch vor dem nächsten Bundesparteitag erarbeiten, um dann über seine Person als Bundesparteiobmann und diesen zentralen Slogan gleichzeitig abstimmen zu lassen. Denn sonst wird er es nie schaffen, alle drei Bünde und auch alle Länderorganisationen auf einen solchen Slogan, einen solchen Leitsatz oder auch gemeinsamen Schlachtruf einzuschwören.
Sehr feiner Kommentar, danke! Und wir wünschen dem neuen „CEO“ viel Glück beim Positionieren, was angesichts der in der Einleitung genannten Gründe/Bünde so gut wie unmöglich sein wird. Abgesehen von anderen Weisungen aus NÖ und/oder OÖ. Dabei hätte die Partei viele Themen, die sie glaubwürdig vertreten könnte, wenn sie sich mal endlich inhaltlich neu aufstellt: Christlich ja, aber nicht erzkatholisch. Das ist so von gestern wie die Kirche selbst. Wenn sich da nicht ein liberaler Flügel durchsetzt, wird die ÖVP noch vor der Kirche eingehen. Da würde zB eine menschenwürdige Integrationspolitik ganz zentral sein bzw auch die Gesetzgebung. Klare Regeln, die vor allem rasch umgesetzt werden. Kann nicht sein, dass wie Menschen in unser Land hereinlassen, die sich integrieren und nach 5 Jahren sagt man ihnen: „Doch nicht, bitte heimgehen.“ Das alles hat die ÖVP mitzuverantworten. Thema Familie: Alleine die Gleichstellung von Mann und Frau im Lohn würde da schon viel helfen, aber sag das mal IV & Co. Aber auch so sind die Förderungen und sozialen Voraussetzungen nicht familienfreundlich. Da kann man noch viel tun. Thema Bildung: Hören wir auf, eindimensional nach Finnland zu schielen, die Kopfbildung mag dort gut sein, aber die Herzensbildung?! Siehe Wahlergebnis & Co. Ja, Österreich fehlt die Vision! Wir wollen das …..-freundlichste Land in Europa sein. Fill in the blanks, ÖVP.
eine gute Analyse. Ich denke nur, dass die vielen konservativen Kräfte innerhalb der ÖVP keine großen Umbauten zulassen werden. Die Gefahr dabei ist, dass sie immer weiter abrutschen werden. HC Strache wäre derzeit am besten beraten, sich für 1/2 Jahr auf Urlaub zu begeben und einfach abzuwarten…