Das 3-fach-Problem von Bionade oder was man jetzt aus Markensicht tun sollte

Noch vor wenigen Jahren war Bionade der „Marketing-Superstar“ in Deutschland, der ganz anders war als alle herkömmlichen Limonaden. Heute ist der Glanz ab. So haben sich auch die Gründerfamilien Leipold/Kowalsky endgültig von ihrem „Markenkind“ verabschiedet. Jetzt liegt es am neuen Alleineigentümer Radeberger, die Marke wieder auf Vordermann zu bringen. Nur bevor man über die Zukunft einer Marke nachdenkt, sollte man immer zuerst die Hauptherausforderungen bzw. die Hauptprobleme der Marke auf den Punkt bringen. Nur wer diese sauber definiert, kann dann auch eine Lösung finden. Im Falle von Bionade sind dies zurzeit folgende drei Probleme:

Problem Nr. 1: Ohne klares Markenbild

Die Marke hat zurzeit kein klares Markenbild in den Köpfen der Kunden. Dies hat man zusätzlich noch einmal dadurch verstärkt, dass man in der Kampagne Anfang 2011 Verbraucher Vorschläge machen ließ, wie Bionade-Filme aussehen könnten.

Markenführung kann nie demokratisch funktionieren, denn dies endet zwangsläufig damit, dass man fraktal kommuniziert und auch fraktal wahrgenommen wird. Wenn man beim Markeneigentümer nicht weiß, wofür die Marke stehen sollte, dann darf man sich nicht wundern, wenn es auch die Kunden nicht wissen. Damit kommen wir zum zweiten Problem.

Problem Nr. 2: Ohne klaren Kernnutzen

Im Höhenflug der Marke hat man vergessen, die Marke mit einem echten Kernnutzen aufzuladen. „Das offizielle Getränk einer besseren Welt“ war ein abgehobener Slogan, der letztendlich in der Sackgasse enden musste. Gerade wenn eine Marke durch ihren Erfolg extrem emotionalisiert wird, sollte man nie auf den Kernnutzen vergessen. Man sollte nie die Bodenhaftung verlieren.

Denn wenn man dies tut, steht man irgendwann als leere Markenhülle da. So wird dann schnell aus einer Kultmarke ein ausgebrannter Markenstern. Radeberger würde sich heute viel leichter mit Bionade tun, wenn es einen gelernten Kernnutzen geben würde, auf den man die Marke refokussieren könnte.

Problem Nr. 3: Ohne Integrationsfigur

Erschwert wird das Ganze noch einmal dadurch, dass auch die Person hinter der Marke abhanden gekommen ist. Aus reiner Markenkommunikationssicht (wenn man alles andere außer Betracht lässt) wäre es besser, wenn jetzt die Gründerfamilien die Marke zurückgekauft hätten. Denn damit hätte man eine Geschichte, um sich wieder neu zu besinnen. Gerade wenn Gründer bei einer Marke wieder einsteigen, hat alleine diese Geschichte enormes PR- und damit auch Erfolgspotential. (Man denke etwa an Apple und den damaligen Wiedereinsteig von Steve Jobs.)

Jetzt aber ist man eine Markenhülle mit einem Bierkonzern als Herkunft. Das macht es nicht leichter, sondern noch viel, viel schwieriger. Denn gerade in einer Markenkrise kann ein Markensprecher, am besten der Gründer selbst enorm wertvoll sein, um der Marke wieder Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit zu geben.

Die Marke verbal und visuell redynamisieren

Für Radeberger geht es jetzt darum, Bionade wieder neu auszurichten und der Marke wieder neue Dynamik einzuhauchen. Dazu muss man aber mit den Karten spielen, die man hat. Die größte Stärke der Marke ist immer noch die „Bio“-Position bei Limonaden in den Köpfen der Kunden.

Diese gilt es jetzt mit viel Demut zu nutzen. Die Betonung liegt dabei auf dem Wort „Demut“. Das heißt: Die Marke sollte sich jetzt in der Kommunikation selbst wieder auf den Boden der Realität zurückholen. Dazu sollte man einen verbalen Nagel (die grundlegende Markenidee) und einen visuellen Hammer (die perfekte Visualisierung der verbalen Markenidee) entwickeln, die gemeinsam die Marke wieder klar und positiv in den Köpfen der Kunden positionieren und in die Zukunft führen.

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4 Antworten zu Das 3-fach-Problem von Bionade oder was man jetzt aus Markensicht tun sollte

  1. Eine weitere Ursache für den starken Marktrückgang möchte ich ergänzen: es ist das Gebinde in Verbindung mit der Preispolitik. Bionade gibt es von Anfang an in der Bier-Longneckflasche, was nicht unbedingt flasch sein muss. Falsch war jedoch, die starke Preiserhöhung vor ca. 3 Jahren in einem Gebinde, welches zwar eine bestimmte Preisspreizung veträgt – jedoch keine überzogene. Denn der Verbraucher sagt sich unbewusst „Warum soll ich ein alkoholfreies Getränk für mehr als 16 € die Kiste kaufen – ist das nicht überzogen wenn ich eine Markenbierkiste schon für 11 € bekommen kann?“ Hätte man von Anfang an ein anderes Gebinde gehabt, wären auch höhere Preise möglich gewesen, vermutlich wäre der Markteinstieg jedoch schwreiger und das Investment für die kleine Brauerei zu hoch geworden.

  2. Erich Posselt schreibt:

    Bionade nutzt kein Verbaler Nagel und kein visueller Hammer mehr. Radeberger/Oetker sollte die Marke ausschlachten und den bezahlten Unternehmenspreis abschreiben.
    Schon vor aber erst recht mit dem Verkauf wurde etwas ganz wichtiges beschädigt: Der Gründungsmythos. Bionade ist groß worden in einer Zielgruppe, die “eine bessere Welt” wollte. Eine gebraute Limonade, auf den Markt gebracht von einem verzweifelten, fast insolventen Bierbrauer, dem die Etablierten das Startkapital verwehrten, eine neue Form des Konsums, eine neue Ökonomie, das war die eigentliche “Kernnutzen” der gekauft wurde. Dieser war sehr stark und sehr stabil. Anders wären Preiserhöhungen gegen den Handel nicht erklärbar. Auf Getränkekarten in Restaurants gab es neben Bier und alkoholfreien Getränken, Bionade. Das Getränk zu listen war Ausdruck der Teilhabe am Kernnutzen. Dr. Josef Ernst, Daimler, nennt Marken mit einem solchen Potenzial “Führungsmarken”. Alleine durch die Kraft ihres Wesens, alleine durch die Attraktivität der Aneignungsflächen, die mit ihrer Geburt und aus ihrer Historie entstanden, konnte die Marke zu diesem Höhenflug ansetzen.
    Es folgte der Versuch, die Marke zu führen, zu lenken. Agenturen erdachten sich “Bionade – Das offizielle Getränk einer besseren Welt”. Das Unternehmen bekam schnell zu spüren, dass man so wohl wahrgenommen werde, es einem aber nicht zustünde das öffentlich kund zu tun. Die Kampagne wurde schnell wieder eingestellt und eine Weile kam man wieder ohne Werbung aus. Man bescheidete sich mit einigen Guerrilla-Aktionen, setze aber im Wesentlichen auf die Präsenz vor Ort.
    Mit Einstieg des etablierten “Global Players” Radeberger/Oetker, wurde der Mythos dieser “Führungsmarke” (endgültig) zerstört. Entbrannt war die Diskussion Anfang 2011 an der veränderten “Sponsoringstrategie” des Unternehmens. Die Unterstützung für ein alternatives Festival “Rock for Nature” wurde eingestellt. Im Netz entbrannte eine Diskussion um sämtliche Aspekte der Marke. Wie “öko” ist die Marke wirklich? Woher wird der Strom bezogen? Kann ein konzernzugehöriges Unternehmen unabhängig agieren? Die Marke wurde seziert.
    Ein Motiv der damals neuerlichen Werbekampagne lautete “Darf man seine Überzeugung in Flaschen abfüllen und verkaufen?” und sollte die Rolle der Marke an der Grenze zwischen Konsum und Gesellschaft verdeutlichen. Mit dem Bekanntwerden des Einstiegs wandte sich die Aussage geradewegs gegen die Marke.
    Bionade sah sich zur Defensivkommunikation gezwungen. “Bionade bleibt Bionade” wurde in der akuten Krise als Losung ausgegeben und die Kundschaft versucht zu beruhigen. Für die entsprach das nicht mehr der Wahrheit. Die Marke hatte ihren Zauber verloren und wurde nun eine Limonade unter vielen. Alle professionellen Versuche, die Marke zu lenken, sind also schief gegangen.
    Das ist sie nun, die gebraute Limo. Einst hoch umjubelter Star heute auf der unaufhaltsamen Abwärtsspirale. Wenn man sieht welche anderen Marken im Windschatten ihre Erfolge feiern, Premium Cola, Charitea und Lemon Aid und viele andere, wird man schnell feststellen, dass Bionade auch nur noch eine Limo bleibt und nie mehr Bionade werden kann.
    Der Fall Bionade war 2011 Gegenstand der Diskussion auf dem Forum Markentechnik. Wir halten dies für ein Vorzeigebeispiel von Markenaneignung durch die Kundschaft und er zeigt, welche wichtige Rolle die Kenntnis von Aneignungsflächen der eigenen Marke im Markenmanagement einnimmt und welche Demut der Umgang damit gefordert hätte.
    Jetzt bleiben Bionade noch Zweitplatzierungen, WKZ, Preisaktionen und ähnliches. Das gallische Dorf wurde dem Römischen Reich einverleibt.

    • michaelbrandtner schreibt:

      Hallo Erich,

      ich gebe Deiner Analyse absolut recht. Trotzdem würde ich es noch einmal mit einer Repositionierung der Marke versuchen, bevor man einfach die Marke „ausschlachtet“ und abschreibt. Das kann man dann immer noch machen, falls auch eine neue Repositionierung scheitert.

      Den Kernnutzen sehe ich dabei noch viel mehr im Grundnutzen des Produktes. Und auf diese würde ich die Marke jetzt mit sehr viel Demut rückbesinnen. Dabei mag sicher ein Teil der Urkernzielgruppe „flüchten“, aber wahrscheinlich besteht die Chance mehr in Richtung „Mainstream“ vorzustoßen.

      Liebe Grüße

      Michael

      • Heinz Günther schreibt:

        Ich habe teilweise Bionade marktforscherisch begleitet und kann dazu folgendes sagen. Dieser „Bionade Myhtos“ war am Anfang von Bionade ohne Zweifel da. Aber mit steigenden Verkaufszahlen änderte sich das Image in Richtung „gesunde BIO – Limo“. Nur ein kleiner Teil der Verwender kannte die Gründungsgeschichte. Genauso wenig war man sich bewusst, wie das Produkt hergestellt wurde. In der Wachstumsphase war Bionade die einzige (nationale), eigenständige Marke, die ein Bio Getränk offerierte. Darin lag letztendlich die (Mainstream) Erfolgsgeschichte. Der „Einbruch“ kam dann mit der Preiserhöhung, wo man kurzerhand über 40 % Volumen verlor. Vielleicht noch entscheidener war es, dass damit Vertrauen und Sympathie verloren ging und die Marketingaktivitäten an dem eigentlichen Markenkern vorbeigingen.

        Grüße aus Oberbayern
        Heinz Günther

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