Eigentlich wollte ich heute an dieser Stelle über die neue Mercedes S-Klasse als Leadprodukt für die Marke Mercedes schreiben, dabei kam mir aber folgende Nachricht auf Marketing-Site.de dazwischen, die thematisch perfekt zu unserem aktuellen Buch Visueller Hammer passt, nämlich: „Markenwende bei Lacoste – Wiedererkennbarkeit auch ohne Logo?“
Neue Damenkollektion ohne Krokodil
So gibt es jetzt erstmals eine Damenkollektion von Lacoste ohne dem berühmten und bekannten Krokodil. Der Chef des Lacoste Konzerns Jose Luis Duran glaubt so – laut Christian Prill – besser die junge weibliche Zielgruppe erreichen zu können. Nur damit gibt Lacoste bei dieser Damenkollektion die eigene visuelle Positionierung, den eigenen visuellen Hammer auf.
Das ist doppelt keine gute Idee:
(1) Die Marke wird so unsichtbarer, denn ohne Krokodil auf den Bekleidungsstücken ist die Marke im Laden und am Körper nicht erkennbar. Das ist etwa auch großes Problem von Hugo Boss bei Anzügen. Denn jeder Business-Anzug in dieser Preisklasse sieht defacto gleich oder ähnlich aus. Wie man es perfekt macht, zeigt die Marke Polo Ralph Lauren, bei der Markenname und visuelles Symbol perfekt zusammenspielen.
(2) Die Marke wird wahrscheinlich für junge Frauen so auch nicht begehrenswerter, wenn das Markenlogo fehlt. Wo ist letztendlich die verbale Positionierungsidee, warum junge Frauen unbedingt zu Lacoste greifen sollten? Damit fehlt der Marke durch das Weglassen des Logos nicht nur wie bisher die verbale sondern zusätzlich dann auch die visuelle Positionierung.
Zwei Alternativen
Was aber wären die Alternativen? Dazu gibt es eine taktische und eine strategische Alternative:
Sehen wir uns zuerst die taktische Alternative an: Diese lautet „Understatement“. Statt das Logo zu entfernen, hätte man es in derselben Farbe wie das Bekleidungsstück machen können, sprich etwa ein aufgenähtes weißes Krokodil auf einem weißen Polohemd. Damit wäre das Krokodil weniger aufdringlich, die Marke aber für den Kenner und die Kennerin sofort erkennbar.
Wie aber sieht die strategische Alternative aus? Diese lautet schlicht und einfach: Lacoste sollte den Fokus der Marke noch stärker auf die Hauptzielgruppe Männer verengen. Warum sich nicht als wirklich männliche Marke positionieren? Wo steht geschrieben, dass eine Modemarke unbedingt Mann und Frau ansprechen muss? Dann könnte man für Lacoste als reine Männermarke auch leichter eine verbale Positionierung entwickeln, die das Krokodil mit in den Claim einbeziehen könnte.
Aus den Augen, aus dem Sinn
Was ist heute das Schlimmste, was einer Marke passieren kann? Antwort: Das Schlimmste, das einer Marke heute passieren kann, ist, dass man einfach in der Menge der Marken und Produkte sang- und klanglos untergeht. Nur genau das passiert heute vielen Marken, weil sie vor allem auch visuell nicht aus der Masse herausstechen. Nur wenn die Marke von den Kunden nicht gesehen wird, wie sollen sich die Kunden dann mit der Marke und deren Positionierung überhaupt auseinandersetzen. Hier gilt: Aus den Augen, aus dem Sinn.
Der Honda Civic Hybrid war in den USA vor dem Toyota Prius auf dem Markt. Nur der Honda Civic Hybrid ging visuell unter, weil er wie jeder andere Honda Civic aussah. Man musste ganz genau am Heck den Schriftzug ablesen, um ein Hybrid-Modell zu erkennen. Ganz anders der Prius von Toyota, der aufgrund seiner einzig- oder auch eigenartigen Form sofort als Hybridauto aus der Masse der Autos herausstach. Die Form des Prius war der perfekte visuelle Hammer, um die verbale Idee „Prius ist das Hybridauto“ zu hämmern. Natürlich verkauft sich der Prius auch bedeutend besser als das Hybridmodell des Honda Civics. Mit dem Krokodil sticht Lacoste perfekt visuell heraus. Ohne Krokodil ist man nur ein weiterer Bekleidungsanbieter. Das Krokodil ist ein perfekter visueller Hammer, dem leider nur ein verbaler Nagel, also eine verbale Positionierung fehlt.
Visueller Hammer von Laura Ries mit Michael Brandtner, April 2013
Ich habe folgende Erinnerung an Lacoste: Als wir noch ein bisschen jünger waren, gab es in meiner Wahrnehmung Lacoste als Polohemden. Die Marke polarisierte schon damals. Es war für mich die erste Marke „mit der man sich auf die Bühne stellte“ , die etwas aussagte, wie „die Marke leiste ich mir und zeige es“. [Im Markenumfeld war damals übrigens Tennis der immer populärer werdende Sport. Boris haute alle weg und Steffi wurde zur ganz oben thronende Sportgöttin. …..] Um die Jahreszeiten zu verlängern, wurde bei kälterem Wetter auch schon mal ein langes T-Shirt unter dem Lacoste getragen. Was die Marke schon damals tat, sie polarisierte. Einige fanden sie ganz schrecklich, viele fanden sie toll und präsentierten sie am Wochende beim Turnier auf dem Tennisplatz. Die positive Ausweisfunktion hat leider mit den Jahren nachgelassen. Es war dann irgendwann zu poppig-snobbig-bunt. Irgendwann gab es dann auch Hemden etc. mit Krokodil. Hab mir davon vor etlichen Jahren zwei gekauft und trage sie heute noch sehr gern. Letzte Woche war ich zufällig in einem Designeroutlet im Lacosteshop. Hab mir dort die Hemden angeschaut, fand sie ganz fürchterlich und bin schnurstracks gegangen. Schade eigentlich ! Die Marke polarisiert immer noch, aber die meisten von damals sind auf andere Marken mit starkem Logo wie z.B. POLO umgestiegen…. Und wenn die Markenverantwortlichen selbst nicht mehr an das eigene Logo glauben und stolz darauf sind, dann entfernen sie es , womit der alte Mythos untergeht. Apple geht bewusst den richtigen Weg und verziert jedes Produkt visuell mit dem Apfel. Das ist noch eine echte emotionale Stärke gegenüber einem technikratisierten SAMSUNG, die nur auf den Namen setzen. Sollte apple mal auf den Apfel verzichten – was sicherlich nicht passieren wird – wäre apple auch nur noich ein Produkt von vielen. Wie Lacoste!
Lacoste (oder LaCotze) wurde in den letzten 30 Jahren zum NoGo (Stand:2020), fast so peinlich wie T-Shirts mit fettem BOSS-Logo vorne am Bierbauch oder heute noch ein SUV zu kaufen. Mag sein, dass die Qualität der Herren-Textilien etwas besser ist und nachhaltiger, als die anderer Marken. Das Image des gutverdienenden Hedonisten alten Stils (ein wenig „Gunter Sachs“) wird von jungen Leuten als megapeinlich vermieden. Aus Marketing-Gründen sollte man die Identifizierung nicht völlig aufgeben. Es genügt aber nicht, das Logo in Textilfarbe unauffälliger zu gestalten. Mein Vorschlag wäre: es in Textilfarbe an die Seitennaht nach unten (also in Gürtelhöhe) zu verbannen, als kleine Textilfahne. Die Textilfahne könnte man notfalls abschneiden oder abtrennen. Ich glaube, dass die Zahl der Leute, denen das Logo peinlich ist, größer ist als die derer, die es noch immer zeigen wollen. Alternativ: eine große Nachhaltigskeits-Kampagne von Lacoste als totaler Imagewechsel , so wie bei Jägermeister..
So drastisch würde ich die Situation nicht sehen. Lacoste hatte einen dramatischen Imageverlust Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre. Nur mittlerweile hat die Marke wieder ihre Fans.
Liebe Grüße
Michael Brandtner