In meinem letzten Blog-Beitrag kritisierte ich Microsoft dafür, dass man bei Smartphones die Marke Nokia durch Microsoft ersetzen will. Nur das Problem liegt – wie so oft – auch bei Microsoft tiefer, viel tiefer. Es liegt in der grundlegenden Ausrichtung der Marke und des Unternehmens.
Die eine allumfassende Microsoft-Zukunft
Dazu sollte man sich einmal folgende Aussage von Rainer A. Kellerhals, Principal Business & Media Solutions bei Microsoft über die zukünftige Markenausrichtung auf der Zunge zergehen lassen (Quelle: Horizont 37/2014, S. 10): „Historisch haben wir uns als die größte Software-Firma der Welt verstanden. Heute sehen wir uns als Unternehmen, das Software, Hardware und Netzwerkservices zu einem konsistenten Nutzererlebnis zusammenführt.“
Wow! Anscheinend träumt man bei Microsoft davon, dass ganze Märkte miteinander verschmelzen bzw. konvergieren und letztendlich Microsoft der dominante Anbieter in diesem aus Teilmärkten verschmolzenen Mega-Mega-Mega-Markt werden könnte.
Solche Megaideen finden normalerweise sofort die volle Zustimmung intern im Unternehmen, speziell in den Chefetagen. Denn diese Art von Idee verspricht natürlich „endloses“ Wachstum in viele Richtungen. (Erinnert sich noch jemand an Edzard Reuters Idee vom allumfassenden Mobilitätskonzern bei Daimler-Benz?)
Divergenz statt Konvergenz
Konvergenz kommt daher in den Chefetagen so gut wie immer sehr gut an. Nur im Markt gewinnt in der Regel das genau gegenteilige Prinzip, nämlich Divergenz. Märkte konvergieren nicht. Sie divergieren. So träumte man früher einmal davon, dass PC und Fernseher miteinander konvergieren. Damit hätte man dann nur mehr ein dominantes Gerät in den eigenen vier Wänden. Nur genau das Gegenteil passierte. Heute haben viele einen Flachbildfernseher, ein Notebook, ein Tablet, u. U. einen eBook-Reader und natürlich noch ein Smartphone und vielleicht sogar einen MP3-Player und eine Spielkonsole. Morgen kommt vielleicht noch eine Smartwatch dazu. Genau das ist Divergenz bei der Arbeit.
So hat auch Microsoft heute kein Konvergenz-Problem, sondern ein massives Divergenzproblem. Bis vor wenigen Jahren war Microsoft das dominante Betriebssystem bei PCs und Notebooks, also in der stationären und in der mobilen Welt. Nur leider konvergierte dieser Markt nicht mit dem Betriebssystemmarkt für Smartphones und Tablets. Denn dort heißt das dominante Betriebssystem Android. Genau das ist wieder Divergenz bei der Arbeit. Aus interner Sicht von Microsoft mag dies ein Markt sein (Konvergenz). Aus externer Sicht der Kunden sind dies klar zwei Märkte (Divergenz) mit je einem starken Marktführer.
Die nächste Divergenz im Raum
Natürlich wird Microsoft, wie auch diese obige Ankündigung von Kellerhals zeigt, diese Divergenz-Entwicklung mit allen Mitteln bekämpfen. Wer sagt schon, dass eine Megamarke wie Microsoft mit einer Megabetriebssystemmarke wie Windows dies nicht schaffen könne? Ich sage das.
Denn während Microsoft seit Jahren an dieser einen allumfassenden Lösung bastelt und bastelt und weiter basteln wird, besteht die Gefahr, dass sich der Markt für Betriebssysteme noch einmal teilt. Denn wo steht geschrieben, dass wir im Zeitalter von Cloud-Computing überhaupt noch so ein komplexes und kompliziertes Betriebssystem wie Windows brauchen? Was also sollte Microsoft tun? Microsoft sollte selbst ein neues Betriebssystem unter einem neuen Markennamen speziell für die Cloud-Ära entwickeln, um sich dann selbst zu attackieren. Wenn man es nicht macht, besteht die große Gefahr, dass alle Konvergenzträume von Microsoft in einem Divergenzalptraum für Microsoft enden. Die Zukunft wird es zeigen.
Gut gefallen hat mir Ihr historischer Bezug zu Edzard Reuter („Daimler als allumfassender Mobilitätskonzern“). Zu diesem Kapitel der Wirtschaftsgeschichte passt auch die Episode, dass (als Daimler noch im Flugzeugbau tätig war) Jürgen Schrempp die niederländische Fokker mit an Bord holte und diesen Deal dann in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender mit einem Milliardenverlust abwickeln musste.
Sie brauchen aber gar nicht so weit zurückgehen, zurück in die Zeiten Edzard Reuters. Vor einem Jahrzehnt träumte das Konvergenz-Unternehmen DaimlerChrysler noch davon, der dominante Anbieter in einem anderen Mega-Mega-Markt zu werden, der die Teilmärkte ‚Nobelfahrzeuge aus Deutschland‘ und ‚amerikanische Massenfahrzeuge‘ verschmelzen sollte.
Was war das Ergebnis? Daimler kehrte vor 7 Jahren zu seinen Wurzeln zurück. Damit wurde im Grunde die Expansionsphase, die seit Mitte der 80er Jahre das Denken der Stuttgarter bestimmte, zurückabgewickelt. Daimler kehrte zu dem zurück. was es am besten kann – nämlich gute Autos mit dem Stern vorne auf der Haube zu bauen.
Die Frage, Herr Brandtner, ist: Was eigentlich kann Microsoft am besten?