Medienwelt: Sich mental selbst im Weg stehen oder wie man die eigene Zukunft gefährdet

Viele Unternehmen in der klassischen Medienwelt sehen sich immer öfter nicht als ein Medium im engeren Sinne, also als einen TV-Sender, einen Radio-Sender, eine Zeitung oder eine Zeitschrift. Vielmehr sehen sich diese als „Content-Lieferanten“, die in Zukunft ihre Inhalte über viele verschiedene Medien verteilen werden.

Die zwei Fallen des Content-Denkens

Der Vorteil dieser „Content-Lieferant“-Sichtweise ist sicher der, dass man so quasi die eigenen Mediengrenzen sprengen kann. Vor allem kann man dann diesen Content offline und vor allem auch online anbieten. Klingt logisch! Damit hat man als Medium quasi alle Wachstumschancen dieser Erde.

Übersehen werden dabei aus meiner Perspektive zwei wesentliche Punkte: (1) Nicht jeder Content ist für jedes Medium gleich geeignet. (2) Man sieht so vor allem das Internet immer nur als nettes Ergänzungsmedium statt als komplett eigenständiges Medium, das total neue Chancen bieten könnte.

Sich selbst die Zukunft rauben.

Aber sehen wir uns beide Punkte einmal näher an:

(1) Den Content einfach übertragen: Stellen Sie sich vor, Sie wären der oberste Programmverantwortliche eines Radiosenders in den 1950er Jahren. Um Ihren Content besser zu vermarkten, steigen Sie auch in die Welt des Fernsehens ein. Wenn Sie dabei das Fernsehen nur als zusätzlichen Content-Lieferant sehen, würden Sie wahrscheinlich Ihre populären Hörspiele eins zu eins ins Fernsehen übertragen, statt den Buchinhalt zu verfilmen. Der Unterschied zum Radio wäre dann: Man würde den Vorleser jetzt auch live beim Vorlesen zusehen können. Lachen Sie nicht! Genauso gehen die meisten klassischen Medien heute mit dem Internet um. Damit sind wir schon direkt beim zweiten Punkt.

(2) Das Internet nur als Ergänzungsmedium sehen.

Kürzlich wurde Wolfgang Bergmann, der Geschäftsführer der Standard Holding in einem Interview (Horizont, 49/2014) folgende Frage gestellt: „Ist die Integration von Print und Online aus Ihrer Sicht positiv verlaufen?“ Seine Antwort: „Ja, vieles wurde so erst möglich und jeder erhält entsprechend seiner Begabungen und Interessen Raum. Natürlich hätten wir in der idealsten aller Welten für jeden Bereich eigene Mannschaften, die sogar im Wettbewerb gegeneinander stehen. Aber Österreich ist ein kleiner Markt und ich brauche für einen Qualitätstitel viele Redakteure.“

Österreich mag aus klassischer Zeitungssicht ein kleiner Markt sein. Nur aus Internetsicht stimmt das so nicht. Wer sagt, dass der Standard im Internet nicht ein internationales Medium hätte bauen können, das wenigstens den gesamten deutschen Sprachraum abdeckt? Wo sind die Grenzen? Die Grenzen sind in den Köpfen der Entscheider, die das Internet nur als Ergänzungsmedium zum Standard in Österreich sehen.

Medien in der Hybrid-Falle

Viele klassische Medien werden so zu Hybridmedien, die ihren Content in beiden Welten anbieten. Nur so wird man das Internet immer nur halb(herzig) nutzen. Damit besteht aber auch die Gefahr, dass man im Internet klar gegen echte Internetmedien verlieren wird. Viel besser aus Markensicht wäre es, wenn die klassischen Medien parallel neue echte Internetmedien-Marken bauen würden. Denn dann hätte man nicht ein Pferd, sondern mindestens zwei Pferde im Rennen um die Zukunft am Markt.

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