2009 kündigte man bei Tempo an, dass man in Zukunft unter der Marke Tempo auch Klopapier führen wird. Kürzlich gab man bekannt, dass man Tempo Klopapier wieder vom Markt nimmt. Die Strategie „Egal ob Nase oder Po, nimm Tempo“ dürfte doch nicht so wie erwartet funktioniert haben.
Die Tempo-Markenlektion Nr. 1
Damals meinte ein Manager von SCA, dem Mutterkonzern von Tempo gegenüber einem österreichischen Handelsmagazin: „Möglicherweise war die Markendehnung von Tempo ins Toilettenpapiersegment für manche Konsumenten eine Überraschung, obwohl bereits die Marktforschung im Vorfeld ergab, dass die Sortimentserweiterung sehr positiv aufgenommen wird.“
In der Marktforschung trauen Kunden in der Regel bekannten Marken sehr viel zu. Stellen Sie sich vor, man würde Konsumenten fragen, was sich diese alles unter der Marke Apple vorstellen könnten. Wahrscheinlich wäre aus Kundensicht alles möglich, was nur irgendwie mit Computer und/oder Elektronik zu tun hätte, wie:
Apple Spielkonsole
Apple Smart-TV
Apple Smarthome-Solutions
Apple Smart-Staubsauger
Apple Smart-Kühlschrank
Apple Smart-Elektrorasierer
Apple Smart-Vibrator
Apple Smart-Fieberthermometer
Apple Smart-…
Je erfolgreicher Kunden eine Marke sehen, desto mehr Kompetenzen trauen sie dieser natürlich zu. Das entspricht ganz klar dem Heiligenschein-Effekt aus der Psychologie. (Hoffentlich habe ich mit meiner Apple-Dehnungsliste oben niemanden von Apple auf dumme Ideen gebracht.)
Die Tempo-Markenlektion Nr. 2
Nur am Markt, wenn dann die Markendehnung eingeführt wird, stellt sich der Kunde nicht mehr die Frage, ob diese Dehnung zur Marke passt oder nicht. Der Kunde stellt sich viel mehr die Frage, welche Toilettenpapier-Marke er wählen sollte. Nur genau das wird in der Regel nicht abgefragt, wenn es um das Dehnungspotenzial von Marken geht. In der Marktforschung mag ein Vollwaschmittel von Meister Proper Sinn machen. Im Supermarkt bevorzugen dann doch viele Kunden Spezialmarken wie Persil, Ariel oder den Weißen Riesen. Oder aber man nimmt einfach das Waschmittel, das gerade im Angebot ist.
Noch immer sehen viele Manager Markendehnung als den leichten Weg zu mehr Umsatz und Gewinn und übersehen dabei, dass man der Marke damit in der Regel – langfristig gesehen – meist nichts Gutes tut. So wird in der Regel das Dehnungspotenzial durch die Manager über- und das Deprofilierungspotenzial unterschätzt. Dazu sollten wir noch einen Blick in das Jahr 2009 werfen.
Noch ein Rückblick ins Jahr 2009
Damals wurde mir folgende Frage im Rahmen eines Interviews (CASH, 22. 7. 2009) gestellt: „Herr Brandtner, Tempo gibt es jetzt auch als Toilettenpapier. Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten der Markendehnung von Tempo ein?“ Meine Antwort darauf: „Das ist aus meiner Sicht nicht die entscheidende Frage. Die entscheidende Frage ist: Was passiert langfristig mit der Marke Tempo? Heute steht Tempo synonym für Papiertaschentücher. Das ist eine extrem starke Position. Wenn Tempo Toilettenpapier ein Erfolg werden sollte, dann wird Tempo vom Nonplusultra bei Taschentüchern zum weiteren Anbieter von diversen Hygienepapieren mutieren. Wenn Tempo Toilettenpapier ein Flop wird, dann schädigt das auch das Image der Marke. Tempo ist also in einer Lose-lose-Situation, ganz egal was passiert.“
So ist ein Hauptgrund – aus meiner Sicht – für den Erfolg von Eigenmarken, dass viele Markenartikler in den letzten 25 Jahren ihre Marken überdehnt und damit deprofiliert haben. Und wenn alles für die Kunden irgendwie immer ähnlicher wird, wird der tiefe Preis als Entscheidungskriterium immer wichtiger.