1986 erschien „Marketing Warfare“ von Al Ries und Jack Trout. In diesem Buch übertrugen sie nicht nur die vier grundlegenden Militärstrategien auf das Marketing, nämlich Defensivstrategie, Offensivstrategie, Flanken- und Guerillastrategie, sondern zeigten auch auf, dass die derzeitige Position in der Wahrnehmung der Kunden die gesamte Marketingstrategie diktieren sollte.
Drei Grundregeln für einen Herausforderer
Vor allem aber sollte sich ein Herausforderer gänzlich anders verhalten als ein Marktführer. Nur wenn man sich die meisten Herausforderer in der Praxis ansieht, verhalten sich diese so, als ob es keinen Marktführer gäbe. Um besser zu verstehen, worum es geht, sollten wir uns einmal die drei Grundregeln einer Offensivstrategie nach Ries und Trout ansehen:
(1) Die Hauptüberlegung sollte der Stärke in der Position des Marktführers gelten.
(2) In dieser Stärke sollte man eine Schwäche finden, um dann an diesem Punkt zu attackieren.
(3) Diese Attacke sollte so fokussiert wie nur irgendwie möglich erfolgen.
Das bedeutet aber auch, dass für einen Herausforderer der Ausgangspunkt aller Überlegungen nicht die eigene Marke, sonder die Marke des Marktführers sein sollte.
Der aktuelle Doppelfehler von Kika
Nur genau das machen die wenigsten Herausforderer. Nehmen Sie aktuell die österreichische Möbelhandelskette Kika. Diese wirbt zurzeit mit dem Fußballer David Alaba als Schlüsselbild und dem Slogan „Ich bin ein Kika“. Das ist sicher ein nettes Wortspiel, das auch perfekt mit dem Markennamen und dem Schlüsselbild zusammenspielt. Aber welche Position will man damit langfristig besetzen? Kika ist das Möbelhaus für Kicker?
Wenn Kika Marktführer wäre, wäre dies mit Sicherheit keine schlechte Strategie und Werbung, um die Führungsposition zu unterstreichen. Das Pech für Kika: XXXLutz ist Marktführer. Das heißt: Statt die eigene Strategie rund um ein Wortspiel mit den eigenen Markennamen aufzubauen, wäre es viel sinnvoller, zuerst die Position von XXXLutz zu studieren, um dann in dieser Position einen Angriffspunkt zu finden. So aber verstößt man klar gegen das erste und das zweite Prinzip einer Offensivstrategie.
Aber damit nicht genug. Um die Lücke zu XXXLutz zu schließen, hat man zusätzlich angekündigt jetzt auch eine Diskontschiene, wahrscheinlich sogar unter einem eigenen Markennamen zu starten. Nur damit steigt man in einen Markt ein, in dem es mit Möbelix und Mömax bereits zwei führende Anbieter gibt. Wenn man dies wirklich macht, muss man in Zukunft an zwei Marketingfronten gegen zwei starke Marktführer, nämlich XXXLutz und Möbelix antreten. Damit verstößt man auch gegen das dritte Prinzip, nämlich die eigenen Kräfte fokussiert zu halten.
Den einen wunden Punkt von Norbert Hofer finden
Aber diese Regeln gelten nicht nur in der Unternehmenswelt. Man kann diese überall nutzen, wo es um die Vermarktung geht, egal ob Produkt, Dienstleistung oder auch politischer Kandidat. Am 24. April katapultierte sich Norbert Hofer am ersten Wahltag um das österreichische Bundespräsidentenamt ganz klar an die Spitze. Sein Herausforderer in der Stichwahl am 22. Mai ist Alexander Van der Bellen. Wie es aktuell aussieht, wollen beide Kandidaten ihre bisherige Strategie fortsetzen. Nur dabei hat Norbert Hofer einen klaren Vorteil. Er hat nicht nur bedeutend mehr Stimmen im ersten Wahlgang bekommen, er kann auch damit rechnen, dass Mitte-Rechts in Österreich in Summe ein wenig größer als Mitte-Links ist.
Nur damit ist die Gefahr für Van der Bellen groß, dass er mit seiner bisherigen Strategie Zweiter bleibt. So mag der zweite Platz generell im Markt toll sein, in einer politischen Wahl ist man damit nur erster Verlierer. Van der Bellen sollte daher seine Strategie ändern, um Norbert Hofer zu attackieren, vor allem sollte er in der Stärke von Norbert Hofer einen wunden Punkt finden, an dem er gezielt attackieren kann. Dazu müssten sich Van der Bellen und sein Wahlkampfteam drei Fragen stellen:
(1) Wo liegt die wahrgenommene Stärke von Norbert Hofer?
(2) Wo liegt in dieser Stärke eine Schwäche, also ein Punkt an dem sich Norbert Hofer gar nicht oder nur schwer wehren kann?
(3) Wie und wann genau sollte man an diesem Punkt so fokussiert wie nur möglich attackieren?
Wird man sich diese drei Fragen stellen? Wahrscheinlich nicht! Die meisten Herausforderer, egal ob Unternehmen oder in der Politik ignorieren in der Regel den Marktführer und konzentrieren sich nur auf sich selbst. Das mag zwar für das eigene Ego gut oder sogar sehr gut sein. Aus Sicht der Markenstrategie ist es ein schwerer Fehler. Denn hier gilt: Zuerst sollte man die mentale Ausgangslage in der Wahrnehmung der Kunden studieren, um dann darauf aufbauend auf die richtige Strategie zu setzen. Dabei gilt: Ein Herausforderer sollte immer seine eigene Strategie basierend auf der Position des Marktführers entwickeln, egal ob in der Unternehmenswelt oder in der Politik.
Buchtipp dazu: Ries, Al und Jack Trout: Marketing Warfare, McGraw-Hill 1986