Christian Kern machte es am 18. September dieses Jahres nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern vor allem auch für die SPÖ selbst spannend. So verkündete er für alle überraschend seinen Rückzug von der Parteispitze, um gleichzeitig seinen „Plan E“, also die Kandidatur als Spitzenkandidat der SPÖ für die EU-Wahl 2019 bekanntzugeben. Nur damit vergab er in seiner Zeit als Parteivorsitzender der SPÖ nicht nur zwei große Chancen, sondern führte die SPÖ letztendlich von einem Desaster ins nächste.
Das Plan A-Desaster
Dabei hatte Christian Kern in seiner doch sehr kurzen Zeit als Parteivorsitzender und als Bundeskanzler zwei echte Sternstunden. Die eine Sternstunde war mit Sicherheit seine Antrittsrede, in der er einen neuen Stil in der Politik ankündigte. Die zweite war die Präsentation seines Plan A für Österreich am 11. Jänner 2017 in Wels.
Strategisch, vor allem aus Sicht des Inhalts und der Präsentation war dies sicher brillant angedacht und umgesetzt. Nur dann fehlte der Mut oder die Konsequenz, Österreich darüber, über diesen Plan A abstimmen zu lassen, also selbst Neuwahlen auszurufen. Diese Chance überließ man dann letztendlich Sebastian Kurz.
Das Plan E-Desaster
Mit dem geplanten Parteitag in Wels im Oktober dieses Jahres hätte Christian Kern gemeinsam mit der SPÖ-Spitze die Chance gehabt, seinen Plan E vorzustellen. Gleichzeitig hätte man so auch die Möglichkeit gehabt, generell die SPÖ personell und inhaltlich neu auszurichten.
Eine Möglichkeit dazu wäre gewesen, dass man als erste Partei auf eine Doppelspitze gesetzt hätte, wobei sich der eine Teil dieser Doppelspitze auf Österreich und der zweite Teil auf die EU konzentrieren hätte können. Man hätte so die Chance gehabt, einen neuen Standard in der Partei- und Politikszene zu setzen. Nur diese Chance wurde mit diesem aus Markensicht extrem unprofessionellen Rückzug vertan.
Fatales Timing
Bisher war die SPÖ eigentlich dafür bekannt gewesen, dass man ein sehr gutes Gespür für das richtige Timing hat, speziell wenn es um einen Wechsel an der Spitze ging. Mit Christian Kern hat man anscheinend diese Fähigkeit verloren. Und so darf man sich nicht wundern, dass eine österreichische Tageszeitung es so auf den Punkt brachte: „Chaostag in der SPÖ“. Mit der überraschenden Blitznominierung von Pamela Rendi-Wagner als neue SPÖ-Chefin dürfte man einmal kurzfristig das Schlimmste verhindert haben. Nur besteht die große Gefahr, dass man so in Zukunft mehr von den Umfragewerten als von einer echten Vision für die Zukunft geführt wird, denn im Idealfall wechselt man den Spitzenkandidaten zum richtigen Zeitpunkt kurz vor einer anstehenden Wahl.
Erschien im Original im Kurier vom 24. September 2018
Danke für Ihre Analyse. Allerdings glaube ich nicht, dass eine Doppelspitze gut wäre. Diese Situation ist ja auch bei den Grünen ziemlich in die Hose gegangen. Irgendwie stelle ich mir als Wählerin da die Frage, wer denn im Fall des Falles das Sagen hätte: Rendi-Wagner oder doch wieder Kern.