Was ist heute das mächtigste Konzept im Marketing? Aus unserer Warte ist es ein Schlüsselwort in den Köpfen der Kunden. So sind die stärksten Marken in der Regel über ein solches „Schlüsselwort“ in den Köpfen der Kunden abgespeichert, egal ob BMW mit „Fahrfreude“, Zotter mit „handgeschöpft“ oder Wick Medinait mit „Nacht“. Barack Obama fand sein Schlüsselwort mit der Idee „Change“. „Change we can believe in. Yes, we can!“ wurde zum Erfolgsslogan der Demokraten bei der letzten Präsidentschaftswahl in den USA. Welches Wort könnte die ÖVP klar für die Zukunft positionieren?
Ein Wort für die ÖVP: Das Anforderungsprofil
Dazu sollte man zuerst immer das Anforderungsprofil genau definieren. Dabei sind drei Punkte zu beachten (Siehe auch meinen Blog-Beitrag „Die Neupositionierung der ÖVP“ vom 21. April dieses Jahres):
Punkt 1: Man darf die Positionierung nicht als statisches Statement sehen
Man kann den Begriff Positionierung heute aus zwei Perspektiven betrachten. Die erste Perspektive ist statisch, indem Positionierung quasi als Klammer für ein bestehendes Unternehmen, eine bestehende Marke oder auch eine bestehende Organisation gesehen wird. Das Problem dabei: Die meisten Klammern enden als „Wischi-Waschi-Positionierung“, weil man nach einer Idee sucht, mit der alle leben können. Die zweite Perspektive ist es, Positionierung als ein Zukunftsziel zu definieren, dass man gemeinsam erreichen will. Das heißt: Die ÖVP sollte sich heute sehr genau überlegen, wo man morgen stehen will. Denn was sicher nicht funktioniert, ist eine Klammer für das Heute zu suchen. Damit kommen wir zum zweiten Punkt.
Punkt 2: Man darf Positionierung nicht als abgehobene Zukunftsvision sehen
Die Gefahr bei „Zukunftsvisionen“ ist immer, dass diese im wahrsten Sinne des Wortes abheben oder bzw., dass diese nur eine nette Ansammlung von Zukunftswünschen sind. Nein! Es geht dabei um einen Slogan im wahrsten Sinne des Wortes. So kommt der Begriff „Slogan“ ursprünglich aus dem Keltischen. Der schottisch-gälische Ausdruck „sluagh-ghairm“ bedeutet darin so viel wie Kriegsruf oder Schlachtruf. In der französischen Revolution lautete etwa der zentrale Schlachtruf bzw. die zentrale Losung: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. So etwas braucht heute auch die ÖVP, nämlich einen einfachen und vor allem mitreißenden „Grundsatz“, der – und das ist für einen Slogan ganz wesentlich – nach außen und nach innen wirkt. Nach außen sollte er beim „Gegner“ Ehrfurcht erzeugen. Nach innen sollte er für Zusammenhalt sorgen und auch als Richtschnur für Entscheidungen dienen. (Passt dies zu unserer Losung oder nicht?) Damit kommen wir zum dritten Punkt.
Punkt 3: Man wird die Positionierung nicht in der ÖVP finden
Dabei sollte man diesen Slogan gar nicht in der ÖVP suchen, denn dort wird er ihn nicht finden. Man sollte ihn für Österreich suchen. So sollte die ÖVP heute definieren, welche zentrale Zukunftsidee man für Österreich hat. „Was wollen wir für Österreich erreichen?“, sollte dabei die zentrale Frage sein.
Ein Wort für die ÖVP: Der mögliche Lösungsansatz
Wichtig ist zusätzlich, dass man sich dabei klar von den anderen Parteien differenziert. Dazu sollten wir uns deren Positionen ansehen. Die SPÖ versucht es zurzeit mit dem Wort „Gerechtigkeit“. Nur dieses Wort birgt ein enormes Problem: Was der eine gerecht findet, findet der andere spontan ungerecht. Dazu kommt, dass dieses Wort statisch ist.
So zementiert sich die SPÖ in vielen Fällen auch ein. Die FPÖ ist zurzeit relativ ruhig und wartet eigentlich nur darauf, dass man von den Fehlern der anderen Parteien profitiert. Zusätzlich wird die FPÖ sicher auch als rechte Partei und auch als Anti-EU-Partei gesehen. Die Grünen wirken orientierungslos, wie in einer Art „grüner Selbstfindungsphase“. Das BZÖ kämpft jeden Tag ums eigene politische Überleben.
Welche Zukunftsidee könnte die ÖVP in diesem Umfeld glaubwürdig einbringen? Aus meiner Warte ist die ÖVP immer noch die eine Partei, der man noch am ehesten eine echte Reform zutrauen würde. Nur eine Reform benötigt einen gemeinsamen Leitgedanken.
Welchen? Meine Idee oder mein Wort dazu lautet: Lebenswert. Aber Vorsicht! Auf den ersten Blick wirkt dieses Wort banal und auch statisch. Deshalb muss man diesem Wort im Sinne eines echten Slogans (sluagh-ghairm) echte Dynamik einhauchen wie:
ÖVP: Damit Österreich heute und in Zukunft lebenswert bleibt.
Innen- und Außenwirkung
Das wäre ein starker Anspruch, der zusätzlich drei wichtige Punkte erfüllen würde: (1) Er wäre eine optimale Richtschnur für alle Entscheidungen. So müsste sich die ÖVP für alle Ressorts, für alle Parteiebenen und Parteiorganisationen genau überlegen, was dieser strategische Ansatz operativ bedeutet. Wie also würde ein konkretes Zukunftsprogramm aussehen, das diesem Anspruch gerecht wird? (2) Reformen bekämen so einen positiven Qualitätsaspekt. Es geht nicht mehr um das Wiedergutmachen von Fehlern aus der Vergangenheit. Es geht um die positive Zukunft Österreichs. (3) Zusätzlich wäre dieser Ansatz auch eine optimale Argumentationsbasis gegenüber anderen Parteien und Gruppierungen. So könnte diesen etwa auch Landeshauptmann Josef Pühringer nutzen, um seine aktuelle Spitalsreform in Oberösterreich noch besser zu argumentieren. (Und wer ist schon gerne gegen ein lebenswertes Österreich, speziell auch unter dem Zukunftsaspekt?)
Interessanter Nebenaspekt des Ganzen: Diese Art von Ansatz wäre grundsätzlich auch für die SPÖ geeignet, weil es ein Ansatz für Österreich wäre. Genau das ist aber auch der Punkt, wenn es um Themenführerschaft geht. Es geht darum, dass man als Erster die Initiative ergreift. Wird die ÖVP das mit diesem oder einem anderen Ansatz tun? Zurzeit sieht es nicht so aus. Anscheinend sind beide Großparteien mit der erreichten Position zufrieden. Die FPÖ wird es freuen.