Werbung in der Konvergenz-Falle

Konvergenz ist heute eines der heißesten Management- und Technologiethemen. Es ist der Traum, dass nicht nur Produkte aus verschiedenen Kategorien, sondern zuletzt auch ganze Industrien sich miteinander verbinden. So spricht man heute u. a. von Technologiekonvergenz, Medienkonvergenz oder Produktkonvergenz.

Nur was sich in der Theorie oft als das Beste aus beiden oder mehreren Welten darstellt, endet in der Praxis oft als der „Worst Case“ aus beiden oder aus mehreren Welten. So meinten die wenigen Besitzer eines Schwimmautos (Konvergenz aus Auto und Boot): „Es fährt wie ein Boot und schwimmt wie ein Auto.) Aber auch die Werbe- und Marketingwelt selbst wird immer wieder vom Konvergenzvirus erfasst, um Produkte als ideale Lösung für alle darzustellen.

„Vier Autos in einem“

Genau das ist das aktuelle Kampagnenthema des neuen Suzuki SX4 S-Cross. So kommuniziert Suzuki, dass dieses Auto Familienauto, Freizeitauto, Geländeauto und Firmenauto in einem sei. Natürlich wird auch groß und fettgedruckt der Preis „Schon ab € 19.490,-“ dargestellt.

Der Wunsch des Managements dahinter dürfte klar sein. Man möchte so alle Menschen auf einmal ansprechen, damit sich möglichst viele potenzielle Käufer und Käuferinnen, egal welche Art von Auto sie suchen, sich für den SX4 S-Cross entscheiden.

Übersehen wird dabei nur, dass die Menschen so nicht denken. Jetzt mag diese Werbung kurzfristig auffallen und auch Interesse wecken, aber sie baut keine Position in den Köpfen der Kunden. Wofür soll die Marke Suzuki langfristig stehen? Für „das Auto für alle und jeden“? Das wird nicht klappen, denn es gibt schon zu viele klar positionierte Automarken in dieser Welt.

Von Subaru lernen

Wenn sich Suzuki wirklich eine Position am Markt schaffen möchte, müsste man genau das Gegenteil tun, nämlich den Fokus der Marke verengen, um für etwas Spezifisches in den Köpfen der Kunden zu stehen. In den frühen 1990er Jahren war Subaru in den USA in erheblichen Schwierigkeiten. 1993 machte man etwa 250 Millionen US-Dollar Verlust bei einem Umsatz von 1,4 Milliarden. Damals machten Subarus mit Allrad-Antrieb 48 Prozent des Umsatzes aus. 52 Prozent machte man mit konventionellem Vorderradantrieb. Das machte auf den ersten Blick auch Sinn: Die Allradautos für den Norden, die anderen für den Süden. So hatte man ein breiteres Angebot als die meisten anderen Marken, die damals nur auf konventionellen Antrieb setzten.

1994 übernahm dann George Muller das Steuer von Subaru in den USA. Seine erste Entscheidung: Die Fokussierung der Marke auf Allrad. Drei Jahre später war Subaru dann eine reine Allradmarke und der Absatz stieg von 104.179 auf 120.748 verkaufte Autos. 2012 verkaufte Subaru in den USA 336.441 Autos. Damit liegt man vor Marken wie Chrysler, Mercedes, BMW, Mazda, Lexus, Buick, Acura, Cadillac oder Audi. Das ist die Macht der Fokussierung, um eine starke Position zuerst in den Köpfen der Kunden und dann am Markt zu etablieren. Ohne diese Fokussierung wäre Subaru immer noch ein weiterer Automobilanbieter unter vielen. Dies sollte man auch Suzuki bedenken.

„Bester Service von der ersten bis zur letzten Reihe“

So lautet eine der Headlines in einer aktuellen Werbelinie einer deutschen Fluglinie. Sie denken wahrscheinlich – wenn Sie das Werbesujet nicht kennen – automatisch an Lufthansa. Falsch! Das ist Air Berlin. Das Ziel dürfte klar sein: Man will den Kunden so das Beste aus beiden Welten liefern: Den Service wie bei einer herkömmlichen Fluglinie, die Preise wie bei einer Diskontfluglinie.

Das ist typisches Konvergenzdenken, das alle ansprechen will. So meinte auch der CCO von Air Berlin Paul Gregorowitsch kürzlich in einem Interview: „Air Berlin ist die Airline für alle – dies müssen wir für den einzelnen Kunden maßgeschneidert rüberbringen. Urlauber brauchen eine andere Ansprache als Geschäftsreisende, für die beispielweise Gepäckregelungen weniger wichtiger sind. Wir haben unterschiedliche Ziel- und Interessensgruppen, das können allein reisende Kinder. Senioren oder auch Special-Interest-Gruppen sein.“

Konvergenz versus Divergenz

Was man bei Air Berlin anscheinend übersieht, ist, dass die Fluglinien immer schon auf Konvergenz setzten. Genau deshalb hatte und hat eine normale Fluglinie eine First-Class, eine Business-Class und eine Economy-Class, verbunden mit einer absolut undurchsichtigen Preisstrategie.

Was dieses über Jahrzehnte praktizierte Konverenz-Modell in Schwierigkeiten brachte, waren die Diskontfluglinien wie Southwest Airlines in den USA und Ryanair hier in Europa. Diese setzten und setzen konsequent auf Divergenz-Denken, indem sie die neue Kategorie Diskontfluglinie schafften, dominierten und dominieren.

Kurzfristig betrachtet mag Konvergenzdenken immer vielversprechend aussehen, weil man damit anscheinend alle ansprechen kann. Langfristig gesehen setzt sich in der Regel das Konzept Divergenz durch. So gesehen versuchen heute Suzuki und Air Berlin zwar alle anzusprechen, versäumen es aber gerade so, eine starke Position für die Zukunft aufzubauen.

Was dominiert in Ihrem Unternehmen? Das Konvergenz- oder das Divergenz-Denken? Unser Tipp: Setzen Sie auf Divergenz, um dann mit einer klaren Fokussierung eine starke Position zuerst in den Köpfen der Kunden und dann am Markt aufzubauen.

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