Als ich vor circa zwei Wochen in Düsseldorf war, konnte ich folgende Zeilen auf einer Unterführung lesen: „Ein Service Ihres Gelbe Seiten Verlages ___ Als Buch, im Web, als App“. Man will so sicher die analoge Führungsposition bei Suche, die man in gelber Buchform besitzt, auch ins Internet übertragen. Suchte man früher im Gelbe Seiten Buch, sollte man jetzt auch auf Gelbeseiten.de suchen. All das würde auch perfekt funktionieren, wenn es Google nicht geben würde. Wo aber liegt der Unterschied? Der ist einfach: Gelbe Seiten versucht das eigene analoge Geschäftsmodell ins Internet zu übertragen. Google wurde komplett aus Internetsicht entwickelt. Natürlich ist Google der große Gewinner.
Das Gelbe Seiten-Denken der Medien
Wenn man sich die aktuelle Medienlandschaft ansieht, dann dürfte es um die Printmedien nicht gut bestellt sein. So muss man immer wieder vom Sparkurs bei diversen Zeitungen und Zeitschriften lesen. Speziell die Gratiskultur im Internet, die man selbst mitinitiierte, macht dabei den Printmedien große Probleme.
Aber steht so das Ende der Printlandschaft wirklich bevor? Wenn man die Zukunft vorhersagen möchte, sollte man die Vergangenheit studieren. Hier sieht man schnell, dass in der Regel neue Medien alte Medien nicht umbringen. Das ist die gute Nachricht. So haben wir heute Zeitungen, Zeitschriften, Radio, Fernsehen und Internet.
Jetzt kommt die weniger gute Nachricht: Was aber sehr wohl passiert, ist, dass neue Medien alte Medien um- bzw. redefinieren. Nehmen Sie das Radio! Früher war das Radio ein echtes Unterhaltungsmedium mit Live-Sportübertragungen und mit vielen Hörspielen. Durch das Aufkommen des Fernsehens verlor das Radio nach und nach diese Rolle. Heute ist das Radio vor allem ein Musik- und Kurznachrichtenmedium, das mit ein paar Informationen und Gags für die Hörer zusätzlich bestückt wird.
Genau hier lauert aber meiner Meinung nach die Gefahr für viele traditionelle Printprodukte. Sie halten a) unverändert an ihrem gelernten Geschäftsmodell fest und versuchen b) dieses Geschäftsmodell zusätzlich in das Internet zu übertragen. Das ist dann so wie Gelbe Seiten im Internet. So gesehen sollten die Macher der Printprodukte überlegen, wie ein Printmodell im digitalen Zeitalter aussehen kann, statt zu versuchen, mit dem alten Printmodell gleichzeitig in der analogen und in der digitalen Welt zu punkten. Parallel dazu sollte man eigene Nur-Internet-Modelle und Marken andenken und entwickeln.
Das Gelbe Seiten-Denken des Handels
Auch der stationäre Handel, der sich immer öfter vom Online-Handel bedroht fühlt, überdenkt nicht das eigene stationäre Geschäftsmodell aus Internetsicht, sondern will dieses zusätzlich in die Online-Welt übertragen, um wieder auf Wachstumskurs zu kommen.
Nehmen wir etwa die Handelslandschaft im Bereich Lebensmittel und Drogerieartikel! Hier gibt es vor allem zwei strategische Denkrichtungen: (1) Wie kann man das Internet für die Heimzustellung nutzen und (2) wie kann man über das Internet generell die geführten Produkte vertreiben. Auch hier geht es vor allem darum, dass man das bestehende Geschäftsmodell durch und über das Internet erweitert.
Man stellt sich also die zentrale Frage: Wie können wir das Internet nutzen, um mit dem bestehenden Geschäftsmodell mehr Umsatz (und Gewinn?) zu machen? Viel besser wäre aber folgende Frage: Mit welchem Internetgeschäftsmodell könnten wir sowohl den Markt für Lebensmittel als auch den für Drogerieartikel nachhaltig erschüttern und verändern? Speziell dm könnte und sollte überlegen, dass man parallel zur bestehenden Marke und zu den bestehenden Märkten ein reines Online-Modell unter einer neuen Marke aufbaut.
Kreative „Selbstzerstörung“
Viele Geschäftsmodelle werden heute von außen durch neue Entwicklungen in Frage gestellt oder gar zerstört. Die Frage dabei ist: Zerstöre bzw. verändere ich mein aktuelles Geschäftsmodell selbst, indem man selbst ein neues Geschäftsmodell unter einer neuen Marke einführt, oder aber wartet man darauf, dass es jemand anderer tut? Keine leichten Zeiten für viele Branchen, deren Geschäftsmodelle direkt oder auch indirekt durch das Internet bedroht oder verändert werden.
Medien-Marken denken ja gerne in Millionen-Maßstäben. Nehmen wir ein aktuelles Beispiel aus Frankreich. Philippe Carli, Generaldirektor der französischen Sport-Tageszeitung “L’Equipe” sagte zum Beispiel am Montag in einem vielbeachteten Figaro-Interview: “Die Marke L’Equipe erzielt heute pro Monat eine kumulierte Reichweite von 24 Millionen Kontakten, via Papier, Internet, TV, Tablet-PCs sowie Smartphones (…) Noch nie war die Marke so mächtig!” (“La marque L’Equipe cumule aujourd’hui 24 millions de contacts par mois…”, Le Figaro vom 31.3., Seite 26)
Wow, 24 Millionen! Diese Kumulation der Kontakt-Zahlen müsste doch jeden Skeptiker überzeugen, KEINE eigene Online-Marke aufzubauen – oder?!?