„Wetten, dass..?“ oder das Ende einer Marken- und Marketingära

Am 7. April dieses Jahres hieß es auf Spiegel Online unter anderem: „Mit „Wetten, dass..?“ endet der Versuch, alle, wirklich alle Menschen mit einer einzigen TV-Show anzulocken.“ Diese Aussage gilt nicht nur für die Fernsehwelt, das gilt generell für die Markenwelt. Die Ära des „Alles-für-alle“-Marketings ist endgültig vorbei.

„Wetten, dass..?“ und Karstadt

Warum sind heute Marken wie „Wetten, dass..?“ oder etwa Karstadt in Schwierigkeiten? Die Antwort findet man nicht in den Marken selbst. Die Antwort findet man in der Regel im Umfeld. Noch in den 1960er Jahren waren die Großkaufhäuser die dominante Form im Handel. Nur seit damals hat sich das Umfeld massiv verändert. Es entstanden immer mehr Spezialgeschäftsmodelle, die letztendlich die Großkaufhäuser umzingelten und von allen Seiten attackierten.

Genau das ist auch das Hauptproblem von „Wetten, dass..?“ Am 14. Februar 1981 flimmerte das erste Mal „Wetten, dass..?“ über die Fernsehschirme in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Moderator war von 1981 bis 1987 Frank Elstner. In diese Ära fielen auch die Sendungen mit den höchsten Quoten bzw. den höchsten Reichweiten.

Nur am 2. Januar 1984 passierte etwas, was letztendlich die Fernsehwelt für immer veränderte. RTL startete in Deutschland sein Fernsehprogramm und damit begann die Ära des Privatfernsehens. Nur damit war auch logisch, dass sowohl ZDF und ARD nur Marktanteile verlieren konnten. Und damit war auch klar, dass am Samstag Abend „Wetten, dass..?“ nur Marktanteile verlieren kann. Jeder, der in einem solchen Umfeld versucht, alle zu erreichen, wird irgendwann immer weniger erreichen. So war es eine echte Glanzleistung (vor allem auch von Thomas Gottschalk), dass „Wetten, dass..?“ solange in einer schnelllebigen und immer vielfältigeren Unterhaltungswelt überleben konnte.

„Wetten, dass..?“ und Amazon

Nur wenn man sich heute in das Internet begibt, findet man die Neuauflage des Großkaufhauses. Entstanden als reine Internet- bzw. Onlinebuchhandlung ist Amazon heute ein echter Onlinegemischtwarenladen: So umfasst das Angebot heute folgende Hauptkategorien: Amazon Cloud Drive, Amazon Instant Video, App-Shop for Android, Auto & Motorrad, Beauty, Drogerie & Lebensmittel, Bücher, Filme, TV, Musik, Games, Digitale Games & Software, Elektronik & Computer, Haushalt, Garten, Baumarkt, Hörbuch-Downloads, Kindle, MP3 & Cloud Player, Kleidung, Schuhe & Uhren, Spielzeug & Baby, Sport & Freizeit.

Ist Amazon so die berühmte Ausnahme von der Regel? Das hängt, wie ich oben geschrieben habe, vor allem vom (zukünftigen) Umfeld ab. Heute ist Amazon die dominante Händlermarke im Internet. Nur wird die Angriffsfläche, die man cleveren Konkurrenten bietet, Tag für Tag immer größer. Damit steigt auch die Gefahr, dass man in Zukunft einmal genauso wie „Wetten, dass..?“ und Karstadt in Schwierigkeiten kommen wird. Aber all das hängt jetzt weniger von Amazon selbst als von den potenziellen Mitbewerbern ab.

Chancen sind überall

Das heißt aber auch: Das Internet bietet enorme Chancen, neue Marken zu bauen. Entscheidend dabei: Man muss eine noch in den Köpfen der Kunden freie Kategorie finden, um dann diese mit einer neuen Marke zu besetzen. Dies sollte man auch bei Amazon bedenken, um statt die Marke ständig zu dehnen, selbst neue Marken in neuen Kategorien zu bauen oder a la Zappos zu kaufen.

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Eine Antwort zu „Wetten, dass..?“ oder das Ende einer Marken- und Marketingära

  1. Prom Wallinger schreibt:

    Danke für Ihre Analyse, die die Marke ‚Wetten, dass…’ in einen (angenehm) breiteren Kontext stellt! Manche Journalisten machen es sich mit ihren eindimensionalen Erklärungen ja sehr, sehr einfach, wenn sie etwa schreiben: „Markus Lanz wird als Totengräber der erfolgreichsten deutschen Fernsehshow in die Geschichte eingehen. Man muss ihm den Niedergang der vielleicht letzten Familienshow-Bastion zum Vorwurf machen.“

    Mit Ihrem Blog treffen Sie einen wichtigen Punkt: Die Vorstellung, dass Omas, Mütter, Väter und Geschwister mit dem gleichen Interesse vor dem Fernseher sitzen (und das ZDF mit der Sendung 23,42 Millionen Zuschauer erreicht, wie am 9.2.1985), passt irgendwie nicht in die heutige Zeit unserer individualisierten Multimedia-Welt, in der jeder auf seinem eigenen Bildschirm (Flatscreen, Laptop, iPad, iPhone) schaut, was ihm gefällt.

    Als ehemaliger Kandidat von ‚Wetten, dass…’ (25. Sendung in Bremen) wage ich aber eine These: Für große Unterhaltungsshows mit Prominenten wird es immer ein großes Publikum geben! Diese Kategorie im Fernsehmarkt wird nie verschwinden – auch wenn das schöne Markenführungs-Naturgesetz der ‚Divergenz’ (siehe Ihre Veröffentlichung von 2/2004 im ‚Campus Business Report’ sowie die wegweisenden Arbeiten von Heinz Günther) selbst in dieser Kategorie wirksam wird.

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