Österreich im Vorwahlkampf oder Herbert Kickl auf den strategischen Spuren von Donald Trump

Letzte Woche waren Jens Hansen, ebenfalls Leadpartner bei Ries und ich auf „Deutschland-Tour“. Dabei war in Bayern unübersehbar, dass demnächst gewählt wird. Aber auch Österreich scheint nach der Sora-Panne der SPÖ, der Hamburger-Panne von Karl (Mc)Nehammer und der Afghanistan-Panne der FPÖ in einer Art „Vorwahlkampf“ zu sein. So fordern speziell die Freiheitlichen unter Herbert Kickl im Umfragehoch immer wieder sofortige Neuwahlen.

Entweder-oder oder …

Dabei dürfte sich Kickl, wenn man sich seine Strategie aus Markensicht ansieht, einige Anleihen bei Donald Trump aus dem Jahr 2015 genommen haben. Damals befanden sich die Republikaner generell in der Oppositionsrolle und speziell im Vorwahlkampf für das Präsidentenamt.

In diesem damaligen Vorwahlkampf der Republikaner traten in Summe 19 Kandidaten an, einer davon war Donald Trump mit Außenseiterchancen. Nur sind 19 Kandidaten mit unzähligen politischen Botschaften viel zu viel für die Wahrnehmung. Unser Gehirn liebt „Entweder-oder-Entscheidungen“, wie „Wein oder Bier“, Weißwein oder Rotwein“ oder „Kaffee oder Tee“.

Genau hier schaffte es Donald Trump frühzeitig, dass er den Eindruck erzeugte, dass man zwischen ihm und 18 „Parteigängern“ wählen kann, also eine klare Entweder-oder-Entscheidung. Zudem hatte er als einziger mit seiner Forderung nach einer Mauer zwischen den USA und Mexiko eine verbal-visuelle Botschaft.

… der große Kickl-Vorteil

Genau hier beginnen aktuell die strategischen Parallelen zur FPÖ und Herbert Kickl. So fordert Herbert Kickl zwar keine Mauer, dafür aber eine „Festung Österreich“. Gleichzeitig setzt er alles daran, dass es nur eine Alternative zu den herkömmlichen Parteien gibt, nämlich die FPÖ.

Genau damit bringt er nicht nur sich selbst und die FPÖ in Stellung für die nächste Nationalratswahl, er macht sich so zum Teil der großen „Entweder-oder“-Entscheidung, entweder herkömmliche Partei oder FPÖ. Gleichzeitig beginnt damit aber das strategische Dilemma vor allem für die ÖVP und die SPÖ. Denn nur eine dieser beiden Parteien kann es schaffen, dass man als der eine Widerpart zur FPÖ gesehen werden kann und wird.

Den Kanzler-Bonus nutzen

Hier hat die ÖVP einen mentalen Startvorteil, weil man aktuell den Kanzler stellt. Nur sollte man diesen Bonus aktiv nutzen und sich nicht selbst immer wieder torpedieren. Schwieriger wird es hier für die SPÖ, speziell da auch Forderungen wie die 32-Stunden-Arbeitswoche und eine Reichensteuer dafür zu wenig sein werden, um wirklich als echte Alternative über den eigenen (linken) Parteikern hinaus gesehen zu werden.

Aktuell hat Herbert Kickl nicht nur die bessere Strategie aus Sicht des Politikmarketings, er kann sich zudem darüber freuen, dass die etablierten Parteien mit ihren diversen Pannen, Ausrutschern und Fettnäpfchen auch Tag für Tag seine idealen Wahlhelfer sind. So gesehen sollten ÖVP, SPÖ, Die Grünen und auch die NEOS vorsichtig sein, sich gegenseitig in einer Art „Dauerwahlkampf um Umfragewerte“ schlecht zu machen. Natürlich mag es kurzfristig befriedigend sein, wenn man entweder die ÖVP, die SPÖ oder auch Die Grünen am falschen Fuß erwischt, nur längerfristig macht man so nur Herbert Kickl und die FPÖ stärker.

Fazit aus Markensicht: Aktuell sollten wahrscheinlich alle Parteien außer der FPÖ ihre Strategien überdenken, um operativen Aktionismus endlich durch eine klare Zukunftsstrategie zu ersetzen. (Die ÖVP hat dies strategisch mit „Glaub an Österreich“ gerade eben erst versucht, um es dann sofort operativ mit der „Hamburger-Panne“ selbst zu torpedieren.)

PS: Langfristig betrachtet dürfte vor allem die Hamburger-Panne der ÖVP im kollektiven Gedächtnis hängenbleiben, da diese am meisten, wie auch die diversen Social-Media-Reaktionen zeigen, Potenzial für kreative Wort- und Bildspiele bietet.

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