Am 19. Juli 2011 vermeldete Bevnet, dass Red Bull in den USA das Red Bull Simply Cola und den Red Bull Energy Shot einstellen wird. Als Gründe nannte man beim Red Bull Cola den Geschmack, die kontrovers geführte Kokain-Diskussion und den hohen Preis. Beim Energy Shot meinte man, dass dieser trotz des Potentials des Namens Red Bull nie in der Lage war den Marktführer 5-Hour Energy wirklich herauszufordern. Aus meiner Warte geht diese Analyse aus Markensicht viel zu wenig tief. Hier meine Analyse in zwei Teilen:
Teil 1: Die Red Bull Energy Shot-Lektion
Der Red Bull Energy Shot ist der klassische Markenfehler, den Marktführer begehen, wenn sie von einem cleverer Herausforderer am falschen Fuß erwischt worden sind. Man reagiert mit einem Me-too-Produkt unter der eigenen guten Marke. So war der Red Bull Energy Shot eine Reaktion auf 5-Hour Energy, dem Erfinder des Energy Shots.
So schrieb ich bereits am 3. August 2009 auf derStandard.at: “Das heißt, wenn man das volle Potential einer neuen Kategorie dauerhaft nutzen will, sollte man eine neue Marke einführen, die in diesem Bereich zum Original, also zum Echten und Wahren werden kann. Wie man dies macht, zeigt in den USA gerade 5 Hours Energy. So steht diese Marke synonym für Energy-Shots. Hier wird es Red Bull mit seinem Energy-Shot extrem schwer haben, weil man mit einer Line-extension gegen ein Original antritt.“
Teil 2: Die Red Bull Simply Cola-Lektion
Red Bull Simply Cola ist aus Markensicht komplett anders gelagert. Es ist nämlich kein Me-too-Produkt. Es war das erste „Strong & Natural“-Cola dieser Erde. Nur leider hatte es den falschen Markennamen, nämlich Red Bull. So glaubten und glauben heute noch viele, dass es sich dabei um einen Energydrink mit Cola-Geschmack handelt. Nur damals erklärte Didi Mateschitz in einem Interview mit Format (27. 3. 2008) auf die Frage, wie das Cola positioniert wird: „Über die Einzigartigkeit der Marke Red Bull sowie über die Einzigartigkeit der Zusammensetzung.“ Und weiter über die Abgrenzung zwischen Energydrink und Cola: „Wenn man die Funktionalität eines Energydrinks will, wählt man Red Bull, wenn man Lust und Laune auf ein Cola hat, dann wählt man „simply Cola“ ohne die Marke wechseln zu müssen.“ (Reines Wunschdenken: Energydrink ist Red Bull, Cola ist Coca-Cola.) Dazu kam noch, dass er von Anfang viel zu hohe Erwartungen hatte. So meinte er bei der Einführung in diesem Interview, dass Red Bull Simply Cola in 3 bis 5 Jahren denselben Umsatz erzielen würde wie der Energydrink.
Was aber wäre gewesen, wenn er diesem neuen Cola einen eigenständigen Namen gegeben hätte, um es als das erste „natürliche Premiumcola“ oder mit anderer Zusammensetzung als das erste „Bio-Cola“ zu positionieren? Dann hätte dieses Getränk aus meiner Warte dieselben Chancen gehabt wie Bionade. (Auch hier kritisierten und kritisieren viele den Geschmack und den hohen Preis.) Aber Bionade hat die zwei wesentlichen Grundvoraussetzungen für eine starke Marke. Es schuf eine neue Kategorie (erste Biolimonade) und besetzte diese Kategorie mit einem eigenständigen Markennamen (Bionade).
Mateschitz hat alleine durch die Namensgebung seine Erfolgschancen extrem limitiert. Neue Kategorien brauchen nämlich neue Markennamen, wenn das volle Markt- und Erfolgspotential dauerhaft nutzen will. Nehmen Sie Danone! Dort steht Actimel für „Abwehrkräfteaktivierung“ und Activia für „Verdauungsregulierung“. Zwei starke Ideen, zwei starke eigenständige Marken. Bei Danone sagt niemand: „Wenn man die Abwehrkräfte activieren will, greift man zu Actimel. Wenn man aber die Verdauung regulieren will, greift man zu simply whatever, ohne die Marke wechseln zu müssen.“
Auch Apple positioniert jede Kategorie mit einer eigenen Marke in den Köpfen der Kunden. So haben wir heute den iPod (MP3-Player), iTunes (Musikplattform), das iPhone (Smartphone) und den iPad (Tablet). So sprechen die Leute auch von ihrem iPhone, ihrem iPod oder ihrem iPad. Niemand spricht von seinem Apple MP3-Player, seinem Apple Phone oder seinem Apple Tablet. Beim Cola von Red Bull sprach man notgedrungen immer vom Red Bull Cola. (Und viele glauben, wie bereits erwähnt, auch heute noch, dass das ein Energydrink mit Colageschmack sei.)
Ein großer „Feldversuch“ aus Österreich
Dazu sollten wir uns noch einen großen „Feldversuch“ aus Österreich ansehen. Als bei Milchprodukten der Trend zu leichten Produkten einsetzte, lancierte Maresi (Österreichs mit Abstand führende Kaffeemilch) gleich zwei neue Produkte in der neuen Kategorie „leichte Kaffeemilch“, nämlich Maresi Leicht und Die leichte Muh, also eine Line-Extension und eine neue Marke.
Der Sieger: Natürlich Die leichte Muh. Warum? Werfen Sie einen Blick in die Köpfe der Kunden. Dort ist Maresi Leicht logischerweise die „verwässerte“ Version von Maresi. Die leichte Muh ist in Österreich die ultimative leichte Kaffeemilch. Das ist auch der Unterschied zwischen den meisten alkoholfreien Varianten diverser Biermarken und Clausthaler. Dies sollte jeder bedenken, bevor eine neue Kategorie am Markt unter einem bestehenden Namen einführt. Denn damit sind die Chancen extrem groß, dass man den Erfolg langfristig gesehen nachhaltig behindert statt fördert. (Gleichzeitig ist auch die Gefahr groß, dass man die eigene Marke so nachhaltig verwässert und deprofiliert.)