Vor ziemlich genau 25 Jahren beleuchteten mein US-Partner Al Ries und sein damaliger Partner Jack Trout den Fastfood-Markt in ihrem Bestseller „Marketing-Warfare“. Damals waren die beiden großen Herausforderer von Mc Donald’s die beiden Burgerketten Burger King und Wendy’s. Heute sind es Subway (gegründet 1965) und Starbucks (gegründet 1971). Beide haben Burger King und Wendy’s in den USA mittlerweile überholt.
Rand schlägt unprofilierte Mitte
Darin ist aber auch eine enorm wichtige Markenlektion enthalten, nämlich die: Langfristig gesehen schlagen „Randideen“ in der Regel die Me-too-Angreifer in der Mitte. Nur wenn man sich die Praxis ansieht, wollen die meisten Unternehmen lieber wie Burger King oder Wendy’s sein. Sie wollen wie der Marktführer sein, natürlich ein bisschen besser (und billiger). Nur die wenigsten Unternehmen wollen wie Subway oder Starbucks sein.
Warum ist das so? Die meisten Unternehmen denken in Marktvolumen und Marktanteilen. Das läuft in einem Strategiemeeting verkürzt so ab: Manager A: „Der Markt für Burger ist riesig und Mc Donald’s enorm erfolgreich. Von diesem großen Markt sollten wir uns auch ein Stück abschneiden.“ Darauf Manager B: „Tolle Idee!“ Schon applaudieren die restlichen Teilnehmer dieses Strategiemeetings, und die nächste Me-too-Geschäftsidee in der Mitte des Marktes ist geboren.
Nur wenige denken so: „Der Markt für Burger ist riesig, aber von Mc Donald’s klar besetzt. Als weiterer Me-too-Anbieter werden wir hier wenig Chancen haben, egal wie viel wir uns anstrengen und egal wie clever unser Marketing ist. Was aber würde passieren, wenn wir auf Sandwiches setzen, um uns dann als gesündere Alternative zu Hamburger zu positionieren?“ Nur wenn man so denkt, lautet die Killerantwort in Meetings häufig: „Der Sandwich-Markt ist zu klein. Das macht keinen Sinn.“ Schwerer Denkfehler!
Die großen Erfolge der letzten Zeit
Denn wenn man sich die wirklich großen Marken- und Markterfolge ansieht, dann sind das in der Regel keine Ideen in der Mitte des Marktes, sondern Randideen, die das Potential haben, die Mitte unter Druck zu setzen. Als Ryanair 1985 mit der damaligen Randidee „erste Diskontfluglinie Europas“ gegründet wurde, hat das die etablierten Fluglinien nicht einmal tangiert. Heute ist Ryanair der Schrecken der herkömmlichen Fluglinien.
Oder nehmen Sie Marken wie Geox, Dyson, Nespresso oder Red Bull! Dazu vier Fragen und vier Antworten: Wie groß war der Markt für „atmende“ Schuhe vor Geox? Null! Wie groß war der Markt für „beutellose“ Staubsauger vor Dyson? Null? Wie groß war der Markt für Kaffeekapselsysteme vor Nespresso? Null? Wie groß war der Markt für Energydrinks vor Red Bull? Null!
Oder nehmen Sie den Markt für Medikamente gegen ED (erektile Dysfunktion). In der Mitte des Marktes kämpften und kämpfen Viagra und Levitra. Beide wirken über 4 Stunden. Dann stieg Cialis am Rande des Marktes als erstes 36-Stunden-ED-Medikament ein. Heute ist Cialis auf dem Weg zur Weltmarktführerschaft. Und wie groß war der Markt für ein 36-Stunden-ED-Medikament vor Cialis? Null!
Immer die falsche Antwort
Nur immer noch lautet – wie oben bereits erwähnt – die zentrale Frage in den meisten Marken- und Marketingmeetings: „Wie groß ist der Markt?“ Die gewünschte Antwort dabei ist natürlich: „Groß oder noch besser sehr groß.“ Nur genau das ist die falsche Antwort. Denn je größer und etablierter ein Markt ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er bereits von starken Marken besetzt ist.
Als Haier in den USA kleine Kompaktkühlschränke auf den Markt brachte, kostete das die etablierten Anbieter nicht einmal ein Lächeln. Wussten Sie doch, dass die Amerikaner auf große, ja übergroße Kühlschränke stehen. Heute ist Haier die Nr. 1 bei Kühlschränken in den USA. Die Randidee schlug letztendlich den Markt in der Mitte.
Fazit 1: Wenn man heute nicht der dominante Marktführer in der Mitte des Marktes ist, findet man die besten Chancen am Rande des Marktes. Fazit 2: Wenn man der dominante Marktführer in der Mitte ist, sollte man immer den Rand des Marktes beobachten, um dann richtig auf die Herausforderungen oder Bedrohungen der Zukunft zu reagieren.
Welch interessanter Beitrag – die Liste der „Pioniere“ liesse sich noch endlos fortsetzten.
Vor allem das Fazit 2 hat es in sich!
Hat nicht eben Kodak Insolvenz angemeldet? – ein klassischer Fall von Nichtbeachtung der Bedrohungen am Rand des Marktes.