Am 4. September dieses Jahres lautete eine Headline in der Tageszeitung Oberösterreichische Nachrichten: „Fremde Ideen als Erfolgsrezept: Zalando geht im Herbst an die Börse“. Weiter unten im Text hieß es dann: „Mit eigenen Ideen glänzen die Samwer-Brüder dabei weniger. Grundidee hinter ihren Investments ist es, bestehende Geschäftsmodelle – meist aus den USA – zu kopieren und international auszurollen. Das war auch bei Zalando der Fall, als Vorbild diente dabei der US-Händler Zappos, der 2009 an Amazon verkauft wurde.“
Erster ist nicht gleich Erster
Aber verstößt so Zalando nicht gegen die wahrscheinlich wichtigste Positioning-Regel von allen, die da lautet: „Besser Erster als besser“? Zu diesem Thema stelle ich regelmäßig in Vorträgen folgende Frage: „Wer entdeckte als Erster Amerika?“. Die Antwort darauf lautet, wie nicht anders zu erwarten: „Kolumbus“.
Aber eigentlich waren es, wie wir heute wissen, die Wikinger, die bereits so um das Jahr 1.000 als Erste in Amerika landeten. Nur die Wikinger machten aus Marken- und Marketingsicht einen schweren Fehler. Sie vergaßen die Geschichtsschreibung mitzunehmen. Heute würden wir sagen, sie vergaßen auf PR und Werbung. Damit war der Weg für Christoph Kolumbus frei, um offiziell 1492 die Neue Welt zu entdecken. Er hatte die spanische Geschichtsschreibung mit an Bord.
Das heißt: Entscheidend ist nicht, wer eine Idee oder Leistung als Erster auf den Markt bringt. Entscheidend ist letztendlich, wer die Idee als Erster in den Köpfen der Kunden besetzt. Genau darum geht es beim Thema Positioning.
Drei entscheidende Punkte
Daraus ergeben sich drei entscheidende Punkte, die man bei der Positionierung der eigenen Marke unbedingt berücksichtigen sollte:
(1) Eine Idee ist erst dann vergeben, wenn diese von einer Marke bereits in den Köpfen der angestrebten Kunden besetzt ist.
(2) Wenn Sie eine erste Idee haben, sollten Sie alles daran setzen, diese so schnell wie möglich mit dem richtigen Markennamen in den Köpfen der Kunden zu besetzen. (Warnhinweis: Dabei sollte man vor allem auf PR, PR und noch einmal PR setzen. Werbung mag zwar kurzfristig viel schneller als PR sein, verpufft aber meist noch viel schneller.)
(3) In vielen Fällen muss man selbst nicht kreativ sein. Man muss sich nur am Markt umsehen, welche ersten Ideen es gibt, die noch nicht in der breiten Öffentlichkeit bereits von einer Marke besetzt sind.
Ein Beispiel von Al und Laura Ries
Dazu bringen Al und Laura gerne folgendes Beispiel in ihren Vorträgen und Seminaren. 1966 war Peet’s Coffee & Tea das erste „europäisch-gestylte“ Kaffeehaus in den USA. Die erste „europäisch-gestylte“ Kaffeehausmarke aber wurde Starbucks, denn Starbucks schaffte es (vor allem auch durch Franchising) national und international als erste Marke in die Köpfe der Kunden.
So gesehen ist diese Me-too-Strategie von Zalando durchaus nachahmenswert. Man muss nichts erfinden. In vielen Fällen genügt es eine bestehende Idee zu finden und zu kopieren. Wichtig dabei: Die Idee darf natürlich noch nicht von jemand anderem bereits in den Köpfen der angestrebten Kunden besetzt sein. Halten Sie also Augen und Ohren offen, denn bereits um die nächste Straßenecke oder beim Lesen einer Zeitschrift oder im Internet oder bei der nächsten Urlaubs- oder auch Geschäftsreise könnte Ihnen so eine Idee über den Weg laufen.
Ja, die Wikinger mögen (objektiv gesehen) große Leistungen erbracht haben:
-Sie waren die ersten richtigen ‚global player‘
-Sie haben drei Kontinente bereist.
Aber sie hatten in der Tat keine(n) guten Geschichtsschreiber mit an Bord.
Was können Markenstrategen daraus lernen?
(1) Aus Markensicht machen selbst ‚global player‘ schwere Fehler.
(2) Mancher mag ein guter Eroberer sein. Aber nicht jeder ist ein Kolumbus.