Windows Phone und Google+: Die Logik der Markendehnung versus die Logik der Kundenwahrnehmung

„1,7 Prozent Marktanteil: Microsofts gescheiterte Aufholjagd im Smartphone-Geschäft“ war eine Headline auf Horizont.net letzte Woche. Eine andere lautete: „Relaunch von Google+: Der vielleicht letzte Versuch, doch noch gegen Facebook und Pinterest anzutreten“.

Die Logik der Markendehnung

Wenn man der herkömmlichen Lehrbuchmeinung glauben darf, müssten eigentlich sowohl Windows Phone als auch Google+ (enorm) erfolgreich sein. In beiden Fällen setzte man auf eine starke Marke, um damit in neue verwandte oder ergänzende Bereiche vorzudringen. Dazu kommt bei Microsoft noch der Kompatibilitätsvorteil, also dass man den Kunden alles aus einer Hand bieten kann, vom Smartphone- über das Tablet- bis hin zum PC-Betriebssystem.

So kann man sich gut vorstellen, dass jemand bei Microsoft vor der Einführung von Windows Phone folgendes Statement abgab: „Mit der Kombination aus Markenstärke von Microsoft Windows, unserem Kompatibilitätsvorteil und unserer Marketingkraft werden wir Android – langfristig betrachtet – nicht nur erfolgreich angreifen, sondern auch vom Thron stürzen. Die Kunden bevorzugen ein starkes Betriebssystem aus der Hand eines starken Anbieters.“ Bei Google mag es wohl eher so geklungen haben: „Wenn jemand am Markt in der Lage ist, Facebook erfolgreich anzugreifen, dann kann das nur Google sein. Deshalb müssen wir auch auf unsere starke Marke setzen, um mit Google+ und neuen speziellen Features ein starkes Gegengewicht aufzubauen.“

Die Logik der Kundenwahrnehmung

Aus Sicht des Managements ist beides logisch. Nur aus Sicht der Kundenwahrnehmung nicht. Dazu sollte man sich vier ganz einfache Fragen stellen, die wir gerne auch als eine Art „Positioning-Test“ verstehen:

(1) Was ist Android?

(2) Was ist Windows Phone?

(3) Was ist Facebook?

(4) Was ist Goolge+?

Die Antworten darauf sind einfach: Android ist das Smartphone-Betriebssystem (außerhalb der Apple-Welt). Windows Phone ist so gesehen „nur“ das Smartphone-Betriebssystem von Microsoft. Facebook ist das soziale Netzwerk. Google+ ist „nur“ das soziale Netzwerk von Google. Wo liegt der Unterschied? Wenn man sich die Antworten genau ansieht, dann stehen Android und Facebook jeweils stellvertretend für die Produktkategorie. Windows Phone und Google+ sind „nur“ Ableger von großen bekannten Marken.

Schlüsselfrage dazu: Warum soll man auf das Smartphone-Betriebssystem von Windows setzen, wenn man auch Android, also das ultimative Smartphone-Betriebssystem haben kann? Wir schätzen unbewusst führende Spezialmarken höher ein als Ableger von bereits eingeführten Marken. Nur im Management ist man im vielen Fällen genau vom Gegenteil überzeugt.

Deshalb werden – wohin man blickt – Marken gedehnt und gedehnt und gedehnt. Gleichzeitig hört man immer öfters von der nachlassenden Markenkraft in Summe. So haben wir heute Begriffe wie Marken-Burnout, Marken-Stress oder Markenerosion. (Könnte dies damit zusammenhängen, dass viele Marken bereits überdehnt sind? Ich bin fest davon überzeugt.)

Ausnahmen Rügenwalder Mühle und Nivea!?

Wie aber schafft es dann Rügenwalder, dass man neben Teewurst auch jetzt noch sehr erfolgreich für „vegetarische Wurstprodukte“ steht? Mit der Fokussierung auf Teewurst baute Rügenwalder eine enorm starke Teewurst-Marke. Jetzt stieg man als Erster (in der breiten Wahrnehmung) auch in den Markt für „fleischlose Wurstprodukte“ ein. Hier gibt es aktuell keine starke Spezialmarke. Somit kann Rügenwalder kurz- und wahrscheinlich auch mittelfristig zwei Positionen in der Wahrnehmung der Kunden einnehmen.

Ähnliches gilt für Nivea und Nivea Men. So ist heute Nivea generell die führende Pflegemarke und mit Nivea Men auch die führende Pflegemarke für Männer. Hier mag es zwar Spezialmarken im vor allem höheren Preissegment geben, aber im Breitenmarkt ist Nivea Men unangefochten.

Das Ganze hat nur einen strategischen Haken! Langfristig betrachtet sind so beide Marken, nämlich Rügenwalder und Nivea genau dadurch verwundbar, falls doch noch eine oder mehrere Spezialmarken auftauchen sollten. Beide Marken haben es versäumt, eine starke Zweitmarke aufzubauen, um damit einen zweiten Markt dauerhaft zu dominieren. Dies könnte sich noch einmal rächen. Die Zukunft wird es zeigen.

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4 Antworten zu Windows Phone und Google+: Die Logik der Markendehnung versus die Logik der Kundenwahrnehmung

  1. Christian Berentzen schreibt:

    Markendehnungen sind sicherlich individuell zu betrachten: bei den Einen passt es besser. Bei den Anderen schlechter. Sicherlich auch mitentscheidend, wie stark und fokussiert der Markenkern jeweils ist. Wie sind Marken wie Oetker und Lindt zu betrachten?

    • michaelbrandtner schreibt:

      Je fokussierter der Markenkern ist, desto stärker die Marke und desto weniger Dehnungspotenzial. Die Logik heute ist in vielen Unternehmen: Dehnen wir unsere Marke so weit wie möglich. Nur damit begibt man sich nicht nur immer auf eine Art „Markengratwanderung“. Zudem versäumt man es auch, über neue Marken nachzudenken. Noch schlimmer: Man nutzt den eigenen Markennamen vor allem deshalb, weil man einen wichtigen Markt übersehen hat und anscheinend außer dem eigenen Markennamen wenig Neues und Anderes verweisen kann. Zu Lindt: Lindt hat einen klaren Fokus, vor allem einen viel klareren Fokus als Marken wie etwa Milka. Lindt steht global für „Premium“ bei Schokolade. Dr. Oetker steht für Backpulver und Pudding. Natürlich bietet Dr. Oetker noch viel mehr und lebt dort vom Heiligenschein-Effekt. Aber in vielen Fällen setzt man auch Submarken wie Ristorante von Dr. Oetker. Meine generelle Meinung: Das Thema Markendehnung wird viel zu unkritisch gesehen.

  2. Prom Wallinger schreibt:

    Passend zu Ihrem schönen Blog-Beitrag, Herr Brandtner? Folgende Überschrift, die man vor kurzem in einer Fachzeitschrift lesen konnte: „Nach einem Strategiewechsel positioniert sich Facebook-Rivale Google+ neu“!

    Zitat aus unserem MBA-Kurs in den USA: „Die Worte `Strategiewechsel` und `Neupositionierung` fallen immer dann, wenn es wirklich, wirklich grosse Probleme gibt!“

    Die Alpha-Strategen und Alpha-Männer vom Google-Mutterkonzern Alphabet Inc. stehen somit vor einer wirklich grossen Herausforderung…

    Welche Optionen sehen Sie für eine potentiell starke Nr. 2 in diesem sehr speziellen Markt der sozialen Netzwerke, Herr Brandtner? Oder muss man in diesem stark technologie-getriebenen Bereich akzeptieren, dass es nur eine starke Nr. 1 mit einem Marktanteil von 90% geben wird?

    • michaelbrandtner schreibt:

      Ähnliches gilt, wenn ein Unternehmen sagt, dass das eine „strategische Investition“ war.

      Zu Ihren Fragen: Es gibt bereits mehrere soziale Netzwerk wie Facebook oder LinkedIn oder Xing. Frontal gegen Facebook antreten macht wenig Sinn. Vielmehr sollte man sich Gedanken machen, was das nächste heiße Thema sein könnte. Die zweitgrößte Suchmaschine ist weder Bing noch Yahoo! sondern YouTube. Google sucht Wörter, YouTube sucht Videos. Das heißt: Man muss wahrscheinlich akzeptieren, dass es in diesen Bereichen einen starken Marktführer gibt, der bis zu 90 Prozent Marktanteil besitzen kann. Aber das heißt nicht, dass man nicht neue Kategorien schaffen kann, um selbst auch 90 Prozent Marktanteil zu erzielen.

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