„Nach Abgang von Mahrer werden Rufe nach Totalreform der Kammer lauter“, „Harald Mahrers Abgang ist noch keine Kammer-Reform“ „WKO drückt Pauseknopf bei Funktionärsgeld“, „Pflichtmitgliedschaft: WKO-Wirbel löst hitzige Debatte im Nationalrat aus“ oder „„Bonzentum“: Hitzige Debatte um WKO im Nationalrat“. Das waren nur einige Schlagzeilen rund um den Rücktritt von Harald Mahrer als Präsident der WKO und den Ruf nach Reformen dieser Organisation.
Im Wesentlichen ging es bei den Reformrufen um drei zentrale Themen, nämlich a) um die Verschlankung der Wirtschaftskammer, sprich vor allem um die Senkung von Kosten und Beiträgen, b) um die mögliche Auflösung von Rücklagen und dann c) um die Pflichtmitgliedschaft generell. So hieß es auch in der Tageszeitung Die Presse: „Doch sein Rücktritt ändert nichts an den Problemen der verpflichtenden Unternehmensvertretung. Sie ist zu teuer und zu intransparent.“
Der übersehene Punkt dabei
Wie es aber aussieht, bleibt ein Punkt in dieser „Reformdiskussion“ außen vor, nämlich Sinn und Zweck der Wirtschaftskammer und damit auch Umfang des Leistungsangebotes. Heißt: Bevor man heute lautstark nach Kostensenkungen, Beitragssenkungen, Auflösung von Rücklagen und Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft schreit, sollte man zuerst einmal über die generelle Ausrichtung und Strategie der WKO nachdenken.
Dazu sollte man dann auch das bestehende Leistungsangebot aus Sicht einer möglichen neuen Ausrichtung und Strategie adaptieren. So hat die WKO heute ein ziemlich breites und vor allem über Jahre und Jahrzehnte gewachsenes Angebotsspektrum, das unter anderem folgende Aufgaben umfasst:
- Interessensvertretung der Mitglieder in Österreich
- Interessensvertretung der Mitglieder in der EU
- Unterstützung der Mitglieder international etwa auch durch die Außenhandelsstellen
- Umfangreiche Serviceleistungen für Mitglieder und Unternehmensgründer
- Umfangreiche Beratungsleistungen für Mitglieder und Unternehmensgründer
- Diverse Förderprogramme für Mitglieder und Unternehmensgründer
Daneben hat man noch das WIFI als führendes Angebot in der beruflichen Erwachsenenbildung und zudem übernimmt man auch diverse gesetzliche Aufgaben.
Den gemeinsamen Nenner definieren
Alleine dieses umfassende Aufgabengebiet erschwert es, dass man den einen gemeinsamen Nenner für die WKO findet. Aber genau das sollte der zentrale Punkt sein, wenn man über eine Kammerreform nachdenkt. Man sollte zuerst festlegen, welche strategische Rolle die WKO heute und vor allem morgen in unserer Wirtschaft und Gesellschaft in Österreich, in Europa und weltweit einnehmen sollte. Basierend darauf sollte man überlegen, wie dazu das optimale Angebot und die optimale Organisations- und Kostenstruktur aussehen sollte.
Aktuell findet man zur strategischen Ausrichtung der WKO relativ wenig. So lässt sich die aktuelle Selbstdarstellung (wko.at) auf drei sehr allgemeine Punkte zusammenfassen:
„Wir vertreten die Interessen der österreichischen Unternehmen“
„Wir fördern durch vielfältige Serviceleistungen die Wirtschaft“
„Wir unterstützen mit unserem Know-how österreichische Unternehmen“
Was hier aus strategischer Sicht ganz klar fehlt, ist eine starke Idee mit Außen- und Innenwirkung, aus der sich alles andere ableiten lässt.
Die WKO auf den Punkt bringen
Zudem sollte die Wirtschaftskammer in einer zukünftigen Ausrichtung rein über die Unternehmen und die Wirtschaft hinausdenken, um klarzustellen, was man für Österreich heute und morgen in Summe tut. Eine mögliche Idee dazu wäre, dass sich die WKO als die „Standorthüterin Nr. 1“ in Österreich positioniert. Ein möglicher Slogan dazu wäre „Starker Standort. Starkes Österreich.“
Das wäre nicht nur eine klare Aufgabe in Österreich, das wäre auch eine klare Aufgabe innerhalb der EU und es wäre eine klare Aufgabe in der Weltwirtschaft. Damit würden sich dann in der Umsetzung auch drei zentrale Fragen ergeben oder ableiten lassen:
Was kann und sollte die WKO in Österreich tun, damit Österreich ein attraktiver Standort bleibt?
Was kann und sollte die WKO in Europa, speziell in Brüssel tun, damit Österreich ein attraktiver Standort bleibt?
Was kann und sollte die WKO global, speziell auch in den Handelsaußenstellen tun, damit Österreich ein attraktiver Standort bleibt?
Denn eines sollte klar sein: Ohne attraktiven Wirtschaftsstandort und einer funktionierenden Wirtschaft wird es auch für den Staat Österreich und vor allem auch für den Sozialstaat Österreich in Summe immer schwieriger werden, die notwendigen Leistungen zu erbringen. Nur genau diese Herausforderung könnte für die WKO Chance und Auftrag sein, sich für die Zukunft neu auszurichten. Basierend darauf könnte man dann eine strukturelle Reform einläuten, um a) die WKO zu verschlanken und um b) vor allem unnötige 9- oder 10-fach-Gleisigkeiten abzuschaffen und das Ganze dann auch klar mit einem modernen Zahlenwerk statt der aktuellen Kammeralistik zu versehen. Natürlich sollte das Ganze dann neben einer Vereinfachung auch zu Kosten- und Beitragssenkungen führen.
Erschien im Original auf Diepresse.com
