In der aktuellen Ausgabe des Havard Business Managers wird eine Studie von Yougov Brandindex zitiert, in der es darum geht, wie stark Marken polarisieren. Laut dieser Studie lieben 33 Prozent der Konsumenten die Marke McDonald’s, 29 Prozent hassen sie.
Am Markt vorbei
So gesehen geht der aktuelle Slogan von McDonald’s „I’m loving it“ bzw. „Ich liebe es“ klar an der Mehrheit des Marktes vorbei, denn nur 33 Prozent der Konsumenten können sich so voll mit diesem Slogan identifizieren. Wäre es daher nicht sinnvoller, wenn McDonald’s einen Slogan wählen würde, der weniger polarisiert? Wäre es so nicht besser, wenn McDonald’s einen Slogan wählen würde, mit dem man auch die 29 Prozent „Markenhasser“ gewinnen könnte?
Viele Unternehmen wollen heute mit ihren Marken allen gefallen. Deshalb werden Ideen, egal ob grundlegende Markenideen oder auch Werbeideen, die polarisieren, schnell wieder verworfen. Nur genau das ist ein Fehler. Denn keine Marke kann jedem gefallen. Deshalb sollte man es auch gar nicht versuchen. Denn wer es jedem recht machen will, macht es letztendlich niemandem mehr recht.
Aktiv nach Polarisierung suchen
Viel mehr sollte man aktiv nach Polarisierung suchen, denn nur so kann man an Profil gewinnen. Wenn Milka für „zart“ bei Schokolade steht, dann macht es für Ritter Sport Sinn, wenn man sich als „knackige“ Alternative positioniert. Nicht jeder will eine zarte Schokolade. Gut so. Nicht jeder will eine knackige Schokolade. Gut so.
Genau deshalb macht Fokussierung als grundlegende Markenstrategie so viel Sinn. Denn Fokussierung sorgt nicht nur dafür, dass man sich auf einen Teil des Marktes konzentriert, sondern auch dafür, dass man sich so von einem anderen Teil des Marktes massiv abgrenzt.
Von Marlboro in den 1950er Jahren lernen
Wenn man sich die amerikanische Zigarettenwerbung aus den 1950er Jahren ansieht, fällt auf, dass die meisten Werbelinien rund um Männer und Frauen aufgebaut waren. Die Logik dahinter ist klar: Damals war der Großteil der rauchenden Bevölkerung männlich. Deshalb versuchte die Zigarettenindustrie nicht nur die Männer sondern vor allem auch die Frauen anzusprechen. Man wollte jedes Segment erreichen.
Was machte Marlboro 1953? Man warf die Frau aus der Werbung, dann warf man den Mann aus der Werbung, um sich voll auf Cowboys in Marlboro Country zu fokussieren. Damit wurde man zu der „männlichen“ Zigarette in einer Welt der Unisex-Zigaretten. Heute ist Marlboro die meistgerauchte Zigarette bei Männern und bei Frauen.
Den Fokus auf Null verengen
Oder nehmen Sie Dr. Best! 1988 waren 100 Prozent der Handzahnbürsten starr. Dann lancierte Dr. Best die erste nachgebende Handzahnbürste. Wie groß war damals der Markt für nachgebende Zahnbürsten? Antwort: Null! Dr. Best opferte so 100 Prozent des Marktes, um sich auf 0 Prozent des Marktes zu fokussieren. Heute hat Dr. Best einen Marktanteil von rund 40 Prozent bei Handzahnbürsten.
Würde es so nicht Sinn machen, wenn man jetzt mit einer starren Zahnbürste auch die restlichen 60 Prozent ansprechen würde? Bevor Sie jetzt vorschnell „Nein“ sagen, überlegen Sie selbst, wie es in Ihrem Unternehmen aussieht. Hat Ihre Marke aktiv einen Teil des Marktes geopfert? Oder versucht Ihre Marke mit unzähligen Varianten jedes Marktsegment anzusprechen? (Natürlich sollte Dr. Best auf nachgebende Zahnbürsten fokussiert bleiben.)
Wie groß war der Markt für Energydrinks vor Red Bull? Wie groß war der Markt für Premiumkaffeekapselsysteme vor Nespresso? Wie groß war der Markt für Nur-Touchscreen-Smartphones vor dem iPhone? Wie groß war der Markt für Premiumleberkäse vor Neuburger? Wie groß war der Markt für Miniserver-basierte Smarthome-Lösungen vor Loxone? Die Antwort auf all diese Fragen laut: „Null!“
Volumen versus Potenzial
Natürlich kann man jetzt sagen, dass das theoretische Potenzial der nachgebenden Zahnbürste von Dr. Best der Gesamtmarkt für Handzahnbürsten war. Das stimmt auch. Aber wie sieht es in der Praxis wirklich aus?
Nehmen Sie ein etabliertes Unternehmen, das einen Markt analysiert, um die zukünftige Markenstoßrichtung festzulegen. Dabei stellt man fest, dass es drei Marktsegmente gibt, eines hat 70 Prozent Marktanteil am Gesamtmarkt, eines 25 und eines nur 5 Prozent. Auf welches Segment wird man sich stürzen? Dann wissen Sie auch, warum Nokia 2007 nicht auf das iPhone von Apple reagiert hat. Etablierte Unternehmen stürzen sich in der Regel auf das Volumen und übersehen das Potenzial.
Das sollte man auch bei McDonald’s bedenken. Heute ist man der Volumensmarktführer bei Fastfood, den 33 Prozent der Konsumenten lieben. Wie aber kann man in Zukunft dauerhaftes Wachstum generieren, ohne die eigene Marke zu verwässern? Dazu braucht McDonald’s in Zukunft eine zweite, eine dritte und vielleicht auch eine vierte Marke, die jeweils in einem kleinen Segment als Marktführer positioniert ist, von dem ausgehen kann, dass es vielleicht eine große Zukunft hat.