Eine wesentliche Markenkomponente heute ist das Markendesign, speziell auch, wenn es um das Produktdesign geht. Viele denken jetzt vielleicht spontan an die Markendesign-Klassiker wie die Coca-Cola-Konturflasche, die blaue Nivea Dose, an die Maggi-Flasche, an Odol oder auch an Porsche, Mini, den VW-Käfer oder auch die gute, alte Ente von Citroen.
Nur in vielen Fällen kann und darf das Design nicht statisch sein. So meinte auch der ehemalige Chef-Desinger von Audi Wolfgang Egger 2011 in einem Interview für Auto, Motor und Sport (Heft 15/2011) zum zukünftigen und damit auch heutigen Design von Audi: „In Zukunft wollen wir die Gratwanderung schaffen, uns zu erneuern und trotzdem die Werte der Marke zu erhalten. Heute erwähnen die Kunden oft gar nicht mehr ihr Modell, sie sagen stolz „Ich fahre Audi“.“
Die perfekte Form gefunden!?
Audi dürfte dieses damalige Ziel aus Markensicht erreicht haben. Frage dazu: Können Sie, wenn Sie auf der Autobahn im Rückspiegel einen Audi anhand seiner typischen Frontlichter erkennen, noch unterscheiden, ob es sich um einen A1, A3, A4, A5, A6, A7 oder A8 handelt? Die Modelle von Audi werden sich aufgrund des Designs und aufgrund markanter Markenelemente so auf den ersten Blick immer ähnlicher. Ähnliches gilt auch für BMW. Oder können Sie aufgrund des Hecks noch eine aktuelle 5er BMW-Limousine von einer aktuellen 3er BMW-Limousine unterscheiden?
Es scheint so, dass sowohl Audi wie auch BMW die perfekte Form oder besser das perfekte Markendesign gefunden haben, mit dem man punktgenau den aktuellen Geschmack der Kunden trifft. Zudem wird so die Wiedererkennbarkeit der jeweiligen Marke enorm gesteigert. Aus dieser Warte betrachtet, kann man beiden Marken nur gratulieren.
Aber das ist leider nur die eine Seite oder Sichtweise. Es gibt auch eine andere: Gerade Automobilmarken unterliegen auch massiv dem Wandel der Zeit. Und aus dieser Warte besteht die Gefahr, dass sowohl Audi als auch BMW riskieren, dass man auf einmal eine komplett überalterte Produktpalette besitzt. Der aktuelle 3er BMW wurde 2012 eingeführt, aber er besitzt speziell bei der Limousine eine Heckansicht, die bereits 4 Jahre alt ist, denn im Jahr 2010 wurde der aktuelle 5er BMW eingeführt. (So wird auch das aktuelle Design beider Marken in diversen Webforen sehr unterschiedlich diskutiert.)
Ein Design-Leadmodell
Wie es also aussieht, dominiert aktuell sowohl bei BMW als auch bei Audi der „Einheitsmarkenlook“, dem man alle Modelle unterwirft. Genau das könnte aber die große Chance für Mercedes-Benz sein, um einen neuen Designstandard im Premiumsegment zu setzen. So wird die neue C-Klasse von Mercedes genau ein mutiger Schritt in diese Richtung.
Das sollte man vor allem beim aktuellen Weltmarktführer im Premiumsegment, also bei BMW bedenken. Solange man der Herausforderer von Mercedes-Benz war, versuchte man immer wieder Designstandards zu setzen. Dabei schoss man manchmal auch über das Ziel hinaus, wie etwa beim 7er BMW, als dieser das erste Mal von Chris Bangle designt wurde. So meinte dieser auch 2013 in einem Interview für eine österreichische Tageszeitung: „Als ich in dem Job groß wurde, dachten wir bei Design an den Kunden und an Kultur, nicht an Sklaven im Dienste der Marken. Es ist heute schwieriger denn je, als Designer gegen den Strom zu schwimmen. Selbst quer zum Strom voranzukommen ist sehr schwer.“
Natürlich ist die Marke als oberste Richtschnur für das Design extrem wichtig, aber es wird gefährlich, wenn die Marke das Design in einem dynamischen Markt zeitlich einzementiert. (Das gilt natürlich nicht, wenn die Marke als Designikone wahrgenommen wird, wie etwa beim 911er Porsche oder dem Mini.)
Gerade aber beim nächsten 7er BMW hätte BMW die Chance global wieder einen neuen Designstandard zu setzen. Nur wie es aussieht, wird der neue 7er BMW perfekt in die aktuelle BMW-Linie hineinpassen. Das mag kurzfristig betrachtet brillant wirken. Langfristig könnte das sehr gefährlich werden, denn der 7er BMW hat bisher bei BMW immer wieder die Designsprünge vorgegeben.
Ein Blick in die Zukunft oder der Weltmarktführer 2020
Wenn es nach Audi-Chef Rupert Stadler geht, will Audi 2020 der Weltmarktführer im Premiumsegment sein. Dasselbe Ziel hat auch Daimler-Chef Dieter Zetsche. Beiden Marken steht der aktuelle Weltmarktführer im Premiumsegment BMW dabei im Weg. Wer also wird 2020 weltweit die Nr. 1 im Premiumsegement werden? Viele tippen heute auf das Duell BMW versus Audi. Nur wenn man neben der Marke auch das aktuelle Design oder besser die aktuellen Designentwicklungen miteinbezieht, sollte man Mercedes-Benz auf keinen Fall vergessen. Mein Tipp daher: BMW oder Mercedes!
Erschien im Original unter dem Titel “Markendesign – der Fluch des Einheitslooks” auf Absatzwirtschaft.de am 17. Januar 2014
Herr Brandtner, ‚ein Blick in die Zukunft‘ oder ‚der Weltmarktführer 2020‘? Eine gewagte Prognose, die Sie da im letzten Satz aufstellen! Aber in einem haben Sie wahrscheinlich recht: Im Premium-Segment so richtig dominieren, mit großen Stückzahlen, werden nur 2 Anbieter. Nicht drei, vier, fünf oder sechs. Ich spreche hier von ‚dominieren‘ im Sinne der Dualitäts-Erkenntnis des Positionierungs-Pioniers Al Ries. Bis 2020 verbleibt immerhin noch einige Zeit.
Entscheidend wird sein, neben all der Design-Konsistenz, die Sie ansprechen: die perfekte kommunikative Umsetzung der Positionierung. Und mit perfekt meine ich: bis ins letzte Detail, bis in den letzten Winkel der Erde. Und da hat BMW, laut Ihrer Prognose einer der Weltmarktführer 2020 im Premium-Segment, einen Vorsprung. Ein Beispiel? Als Journalist hatte ich heute in Saarbrücken zu tun. Und was höre ich um 8 Uhr 33 auf dem Radiosender ‚SR1 Europawelle Saar‘ im Anschluss an den Verkehrsdienst? „Mehr Fahrfreude wünschen Ihnen die BMW-Niederlassungen im Saarland!“
Diese 6 Sekunden sind bemerkenswert. Sie verdeutlichen erstens die nutzenorientierte Positionierung von BMW, die nicht ego-orientiert ist (‚Fahrfreude‘, oder ‚Le plaisir de conduire‘ im französischsprachigen Grenzgebiet kommuniziert nicht das Ego des Herstellers sondern den Nutzen für den Autofahrer). Zweitens re-positionieren sie den Wettbewerb. Nach dem Motto: „Gibt es auf den Straßen im Saarland so wenig Fahrfreude, dass jetzt BMW kommen muss, um endlich MEHR Fahrfreude anzubieten?!?“ Das ist nur ein kleines Beispiel aus einem kleinen Drei-Länder-Eck. Aber wer als Journalist BMW beobachtet, weiß, dass dieser Hersteller auch weltweit, sozusagen bis in den letzten Winkel dieses Planeten, so denkt und agiert.
Bei Audi und Mercedes würde ich sagen: Mehr ist möglich in der kommunikativen Ausgestaltung der Positionierung bis ins letzte Detail! Auch im weltweiten Maßstab. Audi hat den guten Claim ‚Vorsprung durch Technik‘. Aber in der Radio-Werbung habe ich noch nie gehört: „Mehr Vorsprung durch Technik wünschen Ihnen die Audi-Niederlassungen im Saarland!“ Bei Mercedes fehlt mir auch, sowohl in Europa als auch in den USA, eine entsprechend nutzenorientierte Deklinierung und Ableitung der „Original“-Positionierung, die unter Marken-Fachleuten immer noch folgende ist: ‚Nur ein Mercedes ist ein Mercedes‘. Aber vielleicht sind den Blog-Lesern ja entsprechende Umsetzungen bekannt, die mir als Journalist entgangen sind?
Vielen Dank für Ihren Kommentar und vor allem auch für Ihr Beispiel. Und ich gebe Ihnen voll und ganz in Ihren Beobachtungen und Schlüssen recht.
So ist auch BMW für mich der klare Favorit für die Weltmarktführerschaft 2020. BMW muss aus meiner Warte nur aufpassen, dass man vor allem in der Modellpolitik zu passiv wird. Dies könnte sich nämlich negativ in der Fachpresse auswirken.
Bei Audi habe ich aktuell den Eindruck, dass der Schwung irgendwie draußen ist. Audi hat in den letzten Jahren ein Modellfeuerwerk abgeschossen, um die Lücke zu BMW zu schließen, aber jetzt wirkt die Pipeline irgendwie leer.
Mercedes-Benz ist jetzt der Jäger und hat aktuell (2013) in den USA BMW und Lexus überholt. Audi liegt weit abgeschlagen zurück. In den USA glänzt der Stern bereits wieder ganz oben.
Und aus dieser Warte tippe ich für 2020 auf das Duell BMW versus Mercedes.
Beste Grüße
Michael Brandtner