Letzte Woche berichtete die Lebensmittelzeitung in Deutschland, dass Tchibo mit einem Geheimprojekt unter dem Namen QBO das Nestlé-Erfolgsmodell Nespresso angreifen möchte. Die Maschine soll die Vorzüge eines Vollautomaten mit technischen Innovationen, wie der Steuerung per Smartphone, verbinden und preislich unter vergleichbaren Nespresso-Geräten liegen. Der Start soll demnächst in Berlin und Wien erfolgen.
„Mehr und billiger“-Falle
Nur so tappt Tchibo mit großer Wahrscheinlichkeit in die „Mehr und billiger“-Falle. Dabei klingt es logisch: Wenn man den Kunden mehr als der Marktführer zu einem günstigeren Preis bietet, muss man den Kampf um diesen Kunden doch klar gewinnen.
Nur wenn man sich die wirklich erfolgreichen Herausforderer ansieht, beruht deren Erfolgsstrategie auf dem genau gegenteiligen Weg. Früher hatten Staubsauger einen Beutel. Was machte Dyson? Er nahm den Beutel weg und lancierte den ersten „beutellosen“ Staubsauger. Früher und auch heute haben die meisten klassischen Fluglinien drei Klassen im Angebot: Economy, Business und First Class. Was machte Ryanair? Man fokussierte nur auf eine Klasse, nämlich Economy. Früher hatten Smartphones wie etwa BlackBerry einen Tastatur und einen Bildschirm. Was machte Steve Jobs? Er eliminierte die Tastatur und machte dafür den Bildschirm größer und gleichzeitig auch zur Bedieneinheit.
Altes versus neues Geschäftsmodell
Warum macht es Sinn, dass man einen Marktführer mit weniger angreift? Der Grund dafür liegt darin, dass so in vielen Fällen ein neues Geschäftsmodell entsteht, das das alte Geschäftsmodell des Marktführers in Frage stellt. Wenn man aber zu einem bestehenden Geschäftsmodell mehr hinzufügt, bleibt das Geschäftsmodell in der Regel gleich. Damit kann der Marktführer in der Regel auch einfach auf diese Erweiterung kontern.
Was wäre gewesen, wenn Ryanair versucht hätte, gegen British Airways, Air France/KLM oder Lufthansa mit dem Ansatz „Mehr und billiger“ anzutreten. Dann hätte man vielleicht statt 3 Klassen 5 Klassen angeboten. Hätte es funktioniert, hätten wahrscheinlich relativ schnell alle anderen Fluglinien auch 5 statt 3 Klassen angeboten. So wird es wahrscheinlich auch für Nespresso keine Schwierigkeit sein, ein oder mehrere Modelle mit Smartphone-Steuerung auf den Markt zu bringen, falls dies als Reaktion auf den Tchibo-Angriff notwendig sein sollte.
Aber zurück zu Ryanair! Durch die Fokussierung von Ryanair auf nur eine Flugklasse entstand ein gänzlich neues Angebot und Geschäftsmodell, nämlich die erste Diskontfluglinie und darauf konnten die etablierten Fluglinien nicht so einfach reagieren, da man natürlich nicht auf Business und First-Class verzichten konnte und wollte. So ist heute Ryanair Europas führende Diskontfluglinie und der Schrecken der etablierten Fluglinien.
Von McDonald’s lernen
1940 eröffneten Richard und Maurice McDonald ein Barbecue-Restaurant in San Bernadino, Kalifornien. Damals umfasste ihre Speisekarte 25 Gerichte und Getränke. Nach acht Jahren erkannten die beiden Brüder, dass der Großteil des Ertrags von Hamburgern kam. Daraufhin schlossen sie ihr Restaurant und eröffneten den ersten echten McDonald’s mit gerade einmal 11 Speisen und Getränken zum Auswählen. Gleichzeitig setze man auf Selbstbedienung statt Bedienung.
Nur genau durch dieses Weniger an Produktangebot und Service entstand ein komplett neues Geschäftsmodell, das noch heute die Fastfood-Branche dominiert. Und was macht McDonald’s heute? Genau das Gegenteil: Man erweitert ständig dieses Geschäftsmodell um neue Speisen und Getränke. Nur wenn heute McDonald’s neben klassischen Hamburgern auch vegetarische Hamburger anbietet, so bleibt man doch eine Hamburger-Kette. Ganz anders würde es aussehen, wenn sich jemand nur auf Veggie-Burger fokussieren würde, um dann daraus eine nationale oder internationale Kette zu machen, denn das wäre dann die erste vegetarische Hamburger-Kette. So beruhte und beruht auch der Erfolg von Aldi nicht darauf, dass man eine bessere Supermarktkette mit mehr Auswahl und mehr Sonderangeboten kreierte, sondern genau auf der gegenteiligen Strategie. Genau durch dieses Weniger an Angebot und Service entstand der erste Lebensmitteldiskonter.
Wie sieht Ihre Wettbewerbsstrategie aus? Die meisten Unternehmen denken dabei an ein „Mehr“-Modell, frei nach dem Motto: mehr Produkte, mehr Dienstleistungen, mehr Vertriebswege, mehr Preispunkte und vielleicht auch mehr PR und Werbung. Nur wenn man den Denkprozess umkehrt, entstehen unter Umständen ganz neue Geschäftsmodelle mit ungeahnten Wachstumsoptionen.
Danke, Herr Brandtner, für den schönen Beitrag heute und ganz allgemein für Ihre kontinuierliche Arbeit!
Ganz besonders bei Ihnen ist, dass Sie die strategische Dimension der Markenorientierung betonen, im Gegensatz zu anderen, die nur von einer „Technik“ (Markentechnik) sprechen und sich zum Beispiel als „Berater für Markentechnik“ darstellen.
Das Wort Technik hat doch eine ganz andere Konnotation, oder?
Nehmen wir nur zwei Beispiele aus den Medien der letzten Tage. Da wurde gesagt: „Meditation ist eine nützliche Technik“ (SWR2 Radio, 6.2., 17 Uhr 40) oder: „Manipulationstechniken im Berufsleben“ (FAZ, 6.2., Seite Beruf und Karriere).
Wie sehen Sie – aufgrund Ihrer langen Erfahrung – den Begriff „Markentechnik“?
Der Begriff Markentechnik geht – soweit ich weiß – auf Hans Domizlaff zurück, den ich sehr schätze. Mir selbst ist der Begriff zu technisch. Ich spreche lieber von Markenführung oder Markenmanagement. Bzgl. strategischer Ausrichtung: Viele setzen leider Markenführung bzw. Markentechnik immer noch mit Markenkommunikation gleich. Andere sehen Markenstrategie als Teil der Unternehmensstrategie. Für mich sind Markenstrategie und Unternehmensstrategie auf Augenhöhe bzw. kann es sehr wohl sein, dass die Markenstrategie die Unternehmensstrategie dominieren sollte. Was hilft die beste Unternehmensstrategie, wenn diese in der Wahrnehmung der Kunden nicht funktioniert. Die Strategie von Kodak frühzeitig oder sogar als Pionier in das Digitalkamerageschäft einzusteigen, war brillant. Dies unter dem Markennamen Kodak zu tun, war fatal.
Beste Grüße
Michael Brandtner