Wann immer es um die visuelle Positionierung von Marken geht, dann denken die meisten Verantwortlichen und deren Werbeagenturen – wahrscheinlich ohne lange nachzudenken – entweder an das Logo oder die Werbelinie. Nur genau das greift in vielen Fällen viel zu kurz.
Der visuelle Kontaktpunkt Nr. 1
Denn vielmehr sollte man sich überlegen, was der visuelle Kontaktpunkt Nr. 1 aus Kundensicht ist. Das ist mit Sicherheit im Stadt- oder auch Tourismusmarketing nicht das Logo. Dazu ein paar einfache Fragen:
Wie sieht das offizielle Logo von New York aus?
Wie sehen die offiziellen Logos jeweils von London, Paris oder Rom aus?
Wie sehen die offiziellen Logos jeweils von Berlin, Hamburg oder München aus?
Wie sehen die offiziellen Logos jeweils von Wien, Graz, Salzburg oder Innsbruck aus?
So gesehen mag das neue Linz Logo mit dem „flachgelegten i“ gefallen oder auch nicht gefallen. Im täglichen Einsatz wird es wenig Unterschied machen. Kurzfristig mag es auffallen, langfristig wird es wahrscheinlich im praktischen Einsatz eher Probleme als Freude bereiten.
Das wahre visuelle Problem von Linz
Was aber dieses Logo mit Sicherheit nicht löst, ist das visuelle Kernproblem von Linz. Dazu sollten wir noch einmal visuell an andere Städte denken. Sie denken an New York. Sie denken an die Skyline. Sie denken an London. Sie denken an die Tower Bridge. Sie denken an Paris. Sie denken an den Eiffelturm. Sie denken an Wien. Sie denken an den Stephansdom oder an das Riesenrad. Salzburg hat die Festung Hohensalzburg, Graz den Uhrturm und Innsbruck das Goldene Dachl. Was aber ist das visuelle Wahrzeichen und damit die echte visuelle Positionierung von Linz?
Die Hansestadt Hamburg hat kürzlich doppelt brillant vorgezeigt, wie man diese Art von Problem lösen könnte: Brillanz 1: Mit der Elbphilharmonie schuf man sich nicht nur ein neues Konzerthaus, sondern wirklich eine starke visuelle Positionierung für die Stadt. Brillanz 2: Es ist kein „totes Gebäude“, sondern ein visuelles Symbol, das aktiv national und international gelebt werden kann, egal ob als Veranstaltungsort oder auch als Reiseziel. Genau hier sollte man auch in Linz ansetzen. Oder anders gefragt: Was könnte eine moderne Touristenattraktion sein, die gleichzeitig zur visuellen Positionierung der Stadt Linz werden könnte? Aus dieser Perspektive betrachtet hätte man – strategisch gesehen – diese 75.000,– Euro und deren Umsetzungsfolgekosten wahrscheinlich sehr viel besser einsetzen können.
Interessant ist auch der Aspekt der „verbalen Positionierung“.
Seit April 2022 gibt es vier (!) verschiedene Unterzeilen, die Bürgermeister Klaus Luger den Journalisten vorgestellt hat.
Im Rückblick definiert sich Linz in seinem Selbstverständnis damit so:
ab 1974: „In Linz beginnt’s“
ab 1989: „Linz – eine Stadt lebt auf“
ab 2009: „Linz verändert“
jetzt, seit April 2022: „Linz erfrischt… stärkt… verändert… wirkt“
PS: In den Köpfen vieler scheint immer noch der Spruch „In Linz beginnt’s” zu dominieren.
Wahrscheinlich…
…weil er sich sehr schön reimt
…weil er viel Richtiges enthält
(Linz als Stadt der Innovation mit hohem Erfinder-Knowhow, hoher Patentquote, vielen Start-ups).
Dem Theater im Berg trauere ich immer noch nach…
Aber Linz bekommt jetzt bald eine echte Hängebrücke (eine der Längsten für den Verkehr, wenn nicht sogar die Längste der Welt, da ja die Golden Gate Bridge keine echte Hängebrücke ist) und hat vor kurzem eine neue Zügelgurtbrücke (unechte Hängebrücke) bekommen. Für Statikinteressierte bietet Linz einiges, aber ist das touristisch interessant?
W.W., Sie haben die Strategie hinter dem neuen Logo indirekt erkannt: Das umgelegte große „I“ im neuen Stadtlogo steht symbolisch für g e n a u dieses angestrebte neue Linzer Wahrzeichen, die Donaubrücke der A26, die Hängebrücke ohne sichtbare Tragpfeiler. Wer den Bürgermeister und sein Selbstverständnis kennt (Original-Zitat: „Linz ist der Silicon Valley-Hotspot der Digitalisierung und Innovation Österreichs“) braucht nur 1+1 zusammenzählen, um zu erkennen: Es geht darum, t o u r i s t i s c h eine Verbindung von Linz mit San Francisco herzustellen – und w i r t s c h a f t l i c h eine Verbindung mit dem Silicon Valley-Spirit der Region. Deshalb auch der Begriff „Linzer Golden Gate Bridge“, der seit 2019 vom Zulieferer Doka verwendet wird, auch wenn der ORF gleich korrigierte: „Anders wie etwa bei der Golden Gate Bridge kommt die Linzer Hängebrücke ganz ohne Pfeiler aus.“
Ob dieser selbstbewusste Vergleich von Linz mit San Francisco aufgehen wird?!?
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