Bundespräsidentenwahl 2022, die verbale Belanglosigkeit und die übersehene Macht des Visuellen

„Just do it“, „I’m loving it“, „Freude am Fahren“, „Vorsprung durch Technik“ oder auch „kost fast nix“ sind nicht nur nette Wortkreationen, sondern bringen in Form von Slogans Marken in unserem Gehirn auf den Punkt. So kommt das Wort Slogan aus dem Keltischen und bedeutet „Schlachtruf“. „Schulstreik fürs Klima“ ist etwa dieser Schlachtruf für die Umweltbewegung Fridays For Future. Das heißt aber auch: Speziell wenn es um ein Anliegen oder eine Bewegung geht, sollte so ein Slogan die Marke nicht nur auf den Punkt bringen, sondern vor allem auch mitreißen und emotionalisieren.

Die Slogans der Kandidaten

Wenn man sich aktuell die Sloganwelt der Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl ansieht, ergibt sich folgendes Wortbild:

Alexander Van der Bellen: Vielgeliebtes Österreich

Walter Rosenkranz: Kompromisslos für Österreich

Gerald Grosz: Wählst Du Gerald Grosz, bist Du die Regierung los (Make Austria Grosz Again)

Marco Pogo: Mei‘ Präsident

Michael Brunner: Der Volkspräsident

Tassilo Wallentin: Mutig in die neuen Zeiten

Heinrich „Heini“ Staudinger: Denn eines ist klar. Es geht weniger, als wir wünschen. Aber: Es geht viel mehr als wir glauben.

Wenn man diese Slogans aus rein verbaler Sicht beleuchtet, stechen nur zwei wirklich heraus, weil diese auf spezielle Sprachmuster setzen. So setzt Grosz mit „Wählst Du Gerald Grosz, bist Du die Regierung los“ auf einen Reim, während Staudinger mit „Es geht weniger, als wir wünschen. Aber: Es geht viel mehr als wir glauben.“ das Prinzip des Gegensatzes nutzt. Beide Sprachmuster sind perfekt geeignet, um eine verbale Botschaft zu verstärken und merkbarer zu machen. Manche denken jetzt vielleicht auch an Werbeslogans wie „Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso“ oder „Sind sie zu stark, bist du zu schwach“.

Gefangen in der verbalen Politikersprache

Interessant dabei ist aber, dass anscheinend alle Kandidaten und deren Berater oder Beeinflusser nur rein verbal denken. Damit übersehen sie die Macht des Visuellen. Denn in der Regel wirken verbale Ideen sehr viel stärker, wenn diese auch ein starkes, konkretes Bild in den Köpfen der Kunden werfen. Hier etwa liegt auch die Stärke des Slogans „Schulstreik fürs Klima“. Das ist nicht nur eine starke verbale Aussage mit Aufforderungscharakter, sondern wir haben automatisch dabei auch ein Bild in den Köpfen.

Helfen kann dabei auch, dass man sich ein starkes visuelles Symbol sucht, mit dem man bestimmte Aussagen unterstreichen kann. Dies machte etwa Arnold Schwarzenegger, als er 2003 das erste Mal für das Amt des Gouverneurs in Kalifornien kandidierte. So positionierte sich Arnie als „the people`s gouverneur“, der in Kalifornien politisch sauber machen will. Dazu nutzte er ein extrem einfaches visuelles Symbol, nämlich einen Besen, um klar zu zeigen, wer in Kalifornien aufräumt.

Was Tassilo Wallentin hätte tun können

Um besser zu verstehen, worum es geht, sollten wir uns an einem Beispiel ansehen, was man aus Markensicht hätte tun können. (Nur dafür ist es natürlich jetzt viel zu spät.) So hätte sich Wallentin verbal als der Anwalt der Österreicher und Österreicherinnen positionieren können. Dabei hätte er zudem – im Gegensatz zu einigen anderen Herausforderern – auf Staatsmann statt auf „Allmachtspräsident“ setzen sollen. In diesem Kontext hätte er auch betonen müssen, dass es ihm vor allem immer und zuerst um den Schutz der Verfassung gehe.

Nur das Verbale alleine wäre auch hier zu wenig gewesen: Er hätte diese verbale „Anwaltspositionierung“ von Anfang an visuell mit einem Anwaltssymbol unterstreichen müssen. Und dabei hätte er ruhig verbal und vor allem visuell mutig sein können, denn seine aktuelle Positionierung als „unabhängig und bereit für Österreich“ ist nicht nur viel zu verbal, sondern vor allem auch verbal und visuell viel zu schwach. (Das nur als kleiner Ausflug in die Welt der Markenpositionierung, um anhand eines Beispiels aufzuzeigen, wie man den Wahlkampf auch hätte führen können.)

Verbale Abstraktion statt starker Bildsprache

Fazit: Gerade in Wahlkämpfen neigen PolitikerInnen oder auch angehende PolitikerInnen viel zu sehr dazu, auf rein verbale und zudem meist austauschbare Parolen zu setzen. Aber gerade in so einem Umfeld kann es enorm Sinn machen, entweder auf eine sehr bildhafte Sprache oder noch besser auf ein starkes visuelles Symbol zu setzen, um aus dem „verbalen Einheitsbrei“ auszubrechen.

So gesehen hat Alexander Van der Bellen bisher alles richtig gemacht, indem er auf Staatsmann setzte, direkte Konfrontationen mit den Herausforderern vermied und wahrscheinlich ziemlich gelassen zusah, wie sich die Herausforderer selbst mit ihren diversen Auftritten nach und nach medial „aus dem Spiel nahmen“. Wie die aktuellen Umfragen dazu zeigen, wird es so auch nur einen Wahlsonntag geben. Nur eines könnte er diese Woche noch machen, nämlich als amtierendes Staatsoberhaupt auf die Wichtigkeit des Wählens und dieser Wahl hinweisen, um gleichzeitig auch noch einmal sein Programm für die nächsten sechs Jahre zu präsentieren.

PS dazu: Wie mächtig ein visuelles Symbol sein kann, zeigt „Pink Ribbon“, das aktuell als Bewegung laut Medienberichten das 20 Jahre-Jubiläum in Österreich feiert. So steht „Pink Ribbon“ als Name und Symbol ganz klar für Brustkrebsbekämpfung, nicht nur seit 20 Jahren in Österreich, sondern seit 30 Jahren global.

Dieser Beitrag wurde unter Branding, Campaigning, Herausforderer, Image, Kommunikation, Marke, Markenpositionierung, Markensicht, Markenslogan, Politik, Positionierung, Slogan, Strategie, verbale Positionierung, visuelle Positionierung, Wahlkampf, Wahlwerbung, Wahrnehmung, Zukunft abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar