Glaubenskriege im Marketing und Konsequenzen für die Markenstrategie

In seinem Kommentar „Apple, Samsung und der neue Glaubenskrieg der Smartphones“ zeigte Santiago Campillo-Lundbeck klar auf, dass das Markenduell Apple versus Samsung aktuell eine neue Stufe erreicht. Das wirklich Spannende dabei ist aber, wie auch Campillo-Lundbeck schreibt: „Hochprofitabel und marktrelevant sind die iPhones immer noch, aber die Innovationen passieren mittlerweile bei anderen Marken. Marken wie Xiaomi und Huawei stellen immer neue Technikrekorde auf und auch Samsung kann mittlerweile viele eigene technische Features bieten, die den Vergleich mit den iPhones in keiner Weise zu scheuen brauchen.“

Wahrnehmung versus Realität

Nur genau diese Innovationen und Technikrekorde alleine könnten aus Markensicht zu wenig sein. Um besser zu verstehen, worum es dabei geht, sollten wir den Smartphone-Markt aus Sicht der Wahrnehmung und der Realität unter die Lupe nehmen: 2007, also vor 15 Jahren präsentierte Steve Jobs das iPhone, das erste Smartphone mit einem Touchscreen ohne Tastatur und eroberte damit den Markt und die Marktführerschaft. Richtig? Falsch! Aus Sicht der Wahrnehmung besitzt Apple mit dem iPhone ganz klar die Führungsposition am Markt. So wird das iPhone auch als der eine Maßstab am Smartphone-Markt gesehen. Das gilt für die Allgemeinheit, die Medien und auch die Mundpropaganda, egal ob analog oder digital.

Aus Sicht der harten Zahlen, also aus Sicht der Realität ergibt sich klar ein anderes Bild. So verlor Nokia erst im ersten Quartal 2012, nicht ganz fünf Jahre nach der Einführung des iPhones die Smartphone-Marktführerschaft, aber nicht an Apple, sondern an Samsung. Die Headlines in den Medien lauteten damals: „Der Aufstieg des Galaxy-Königs“ oder „Samsung stößt Nokia vom Thron“ oder „Samsung stößt in Handygalaxien vor“. Die tatsächliche Marktführerschaft wechselte damals von Nokia zu Samsung. Die mentale Marktführerschaft aber blieb bei Apple mit dem iPhone. Daran hat sich bis heute nichts verändert, auch wenn seit damals immer wieder neben dem Langzeitmarktführer Samsung etwa auch Huawei oder Xiaomi marktanteilsmäßig vor dem iPhone lagen.

Im Schatten von Glaubenskriegen

Wenn man sich dazu aktuell den globalen Smartphone-Markt laut dem Marktforscher Counterpoint ansieht, dann liegt Samsung mit 21 Prozent Marktanteil klar auf Platz 1, gefolgt von Apple mit 16 Prozent. Dahinter folgen Xiaomi (13%), Oppo inkl. OnePlus (10%) und Vivo (9%). Das heißt: In der Wahrnehmung gibt es das iPhone von Apple und Samsung mit dem Galaxy. In der Realität führt Samsung den Markt an, gefolgt von Apple.

Das heißt aber auch: In der Regel profitieren nur zwei Marken von diesen „Glaubenskriegen“, nämlich die beiden Marktführer in der Wahrnehmung, denn nur diese werden so wirklich als Markt-, Innovations- und Technologieführer gesehen. Für den Rest des Feldes ist diese Art der Glaubenskriege aus Markensicht alles andere als förderlich, da man so mental im Schatten der beiden Marktführer steht.

Dies zeigt sich speziell auch im Smartphone-Markt, wenn man diesen längerfristig betrachtet: 2013 waren die abgeschlagenen Verfolger Huawei, Lenovo und LG, 2014 waren es dann Lenovo, Huawei und Xiaomi, 2015 Huawei, Lenovo und Oppo, 2016 Huawei, Oppo und Vivo, 2017 Huawei, Oppo und Xiaomi, 2018 und 2019 waren es Huawei, Xiaomi und Oppo. 2020 war dann das Jahr mit dem brutalen Abstieg von Huawei, da man die Unterstützung von und durch Google und damit Android verloren hatte.

So sahen dann 2020 die Weltmarktanteile so aus: Samsung 20 Prozent, Apple 16 Prozent, Xiaomi 11 Prozent und Oppo und Vivo mit jeweils 9 Prozent. (Die mit Abstand stärkste „Nummer 3“ im oben betrachteten Zeitraum von 2013 bis 2020 war im Jahr 2018 Huawei mit 14,4 Prozent. In diesem Jahr lag man damit sogar gleichauf mit Apple mit dem iPhone.)

Aus dem mentalen Schatten kommen

Überspitzt formuliert kann man daraus ableiten, dass es in der Wahrnehmung der Kunden bei Smartphones Apple, Samsung und ein paar andere „Labels“ gibt. Damit haben Apple und Samsung quasi jeweils einen mentalen Fixplatz, während der Rest nur unter „weitere Anbieter“ fällt. Nur das sollte nicht sein. Vielmehr sollten sich Marken wie aktuell Xiaomi, Oppo oder Vivo überlegen, wie man selbst einen mentalen Fixplatz bekommen könnte.

Wem dies über einen längeren Zeitraum gelang, war Huawei mit dem Fokus auf „Kamera“ und der Markenkooperation mit Leica. Das heißt aber auch: Wenn man im Schatten zweier starker Marktführer steht, sind neue Produkte, neue Features und technische Innovationen alleine viel zu wenig. So gehen auch viele Innovationen einfach in der Menge der Innovationen unter oder werden – längerfristig gesehen – sogar der falschen Marke zugeordnet. Vielmehr sollte man den Fokus der Marke verengen, um in einem bestimmten Bereich spezieller als der Marktführer zu werden. Huawei fand diese Idee mit dem Fokus auf „Kamera“.

C4 und Celsius

Interessant dazu – aus konzeptioneller Sicht – ist aktuell der Energydrink-Markt in den USA, der ganz klar von Red Bull und Monster Energy dominiert wird. Im Schatten dieser beiden wahrgenommenen Marktführer tummeln sich dann unzählige andere Energydrink-Anbieter, die gerne auch einmal so bekannt, groß und berühmt wie Red Bull oder Monster wären. Nur egal ob AMP Energy, Bang, Bomb Energy, Full Throttle, Mountain Dew Kickstart, NOS, Starbucks Refreshers, Starbucks Doubleshot Energy, Rockstar, XS Energy Drink oder auch Xyience Energy, sie alle stehen klar im mentalen Schatten von Red Bull und Monster. (Selbst die Coca-Cola Company musste erkennen, dass Coca-Cola Energy keine Chance hatte.)

Nur das könnte sich jetzt ändern. So gibt es zwei Energydrink-Marken in den USA, die a la Huawei einen klaren Fokus definiert haben, nämlich C4 und Celsius. Beide gehen in die echte Sportwelt, nicht nur im Sinne von Sponsoring, sondern so, dass man gezielt, auf zwei Sportarten oder Sportwelten fokussiert. C4 fokussiert mit dem Thema „Muskelausdauer“ auf die Kraft- und Fitnessszene, Celsius mit „Movement“ auf die Lauf- und Fitnessszene. Beide heben sich so nicht nur klar von herkömmlichen Energydrinks ab, die von Sportlern und sportlich Aktiven oft nur als „ungesund“ abgetan werden, sondern auch von klassischen Sportgetränken wie Gatorade oder Powerade, die im Gegensatz zu C4 und Celsius zu wenig Leistung und Performance versprechen. Und beide zählen so zu den wachstumsstärksten Energydrink-Marken in den USA.

„Glaubenskriege“ und strategische Konsequenzen

Strategisch gesehen kann man daraus folgende Konsequenzen für die Markenführung ableiten.

(1) Im Gegensatz zum klassischen Sprichwort „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“, gilt in der Markenführung: „Wenn zwei sich an der Spitze streiten, leidet der Rest des Feldes.“ So gesehen sollten der Marktführer und der eine Herausforderer dieses Markenduell an der Spitze regelrecht inszenieren und verstärken. So liebt auch unser Gehirn sogenannte Entweder-oder-Entscheidungen.

(2) Ganz anders sieht es, wenn man im Schatten eines Markenduells an der Spitze steht. Dann sollte man den Fokus der eigenen Marke so verengen, dass man damit selbst eine Spitzenposition in der Wahrnehmung der Kunden erreichen kann. Nur genau das fällt vielen extrem schwer, weil man gerne so wie der Marktführer wäre. Nur genau das ist – strategisch gesehen – alles andere als eine gute Idee.

Aktuell mag man sich bei Xiaomi freuen, dass man die Nummer 3 im globalen Smartphone-Markt ist. Nur sollte man sich gleichzeitig aktuell überlegen, mit welcher Idee man diese Nummer 3-Position auch mental absichern möchte. Denn wenn man dies nicht tut, eröffnet man unter Umständen Oppo oder Vivo ungeahnte Möglichkeiten. Das heißt aber auch: Markenerfolg ist immer relativ. Er hängt nicht nur von der eigenen Strategie, sondern auch von den Strategien der Mitbewerber ab. So kann man auch mit einer Durchschnittsstrategie erfolgreich sein, wenn die Strategien der Konkurrenz noch durchschnittlicher sind. Nur kann das auch gefährlich werden, wenn ein neuer Mitbewerber mit einer besseren Strategie am Horizont auftaucht.

Erschien im Original auf Horizont.net

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