Die Benetton-Markenlektion

In den 1980er und 1990er Jahren galt Benetton als Werbe- und Marketingsuperstar. So erinnern sich noch viele an die gewagten und schockierenden Fotomotive des Starfotographen Oliviero Toscani. Damals „schockten“ küssende Nonnen und Priester, Aidskranke im Endstadium oder ungewaschene Neugeborene. Heute steht Benetton als Modemarke klar im Schatten von H&M, Zara und Co. Jetzt versucht man wieder mit einer Kampagne von küssenden Staatsmännern an die alten Erfolge anzuschließen. Nur genau das wird nicht funktionieren. So meinte etwa auch die Zeit-Online zu dieser Kampagne: „Wen schockt das schon?“ Was aber kann man aus Markensicht von Benetton lernen? Es sind vor allem drei Punkte.

(1) Bilder alleine sind zu wenig

Die damalige Schockkampagne von Benetton war extrem auf Bildern aufgebaut und daher auch extrem emotionell und aufmerksamkeitsstark. Nur Benetton nutzte diese Bilder nicht, um auch eine verbale Botschaft zu transportieren. Die Werbung selbst war mehr im Gespräch als die Marke. Genau das passiert in vielen Fällen heute. Über die Bilder in der Werbung wird gesprochen, die Marke bleibt dabei aber im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke.

(2) Die (Schock)wirkung von Bildern lässt nach

Dazu kommt noch ein wichtiger Punkt. Bilder wirken in der Werbung sofort, aber diese Wirkung lässt im Laufe der Zeit nach. Das gilt speziell wiederum für Bilder mit Schockwirkung. Man muss quasi immer wieder die „Schockdosis“ erhöhen, um dieselbe Schockwirkung zu erzeugen. Nehmen Sie etwa die Welt des Fernsehens: In den 1970er Jahren war ein nackter Busen im Fernsehen ein „Skandal“. Heute ist ein nackter Busen nicht einmal in der Lindenstraße ein Aufreger.

(3) Verbale Botschaften werden im Laufe der Zeit stärker

Bei verbalen Botschaften, verbalen Slogans verhält es sich genau umgekehrt. So werden viele Slogans am Anfang einfach von den Kunden als „Werbegag“ abgetan. Man sieht das erste Mal den Slogan „Der Schuh, der atmet“ und man denkt sich spontan: „Was soll der Blödsinn?“ Nur das ändert sich mit der Zeit. Wenn man diesen Slogan dann über Jahre oder besser Jahrzehnte gehört hat, gewinnt dieser enorm an Kraft und Glaubwürdigkeit. Deshalb ist es auch so schwer, Slogans im Vorhinein abzutesten. Einen Slogan kann man eigentlich erst „testen“, wenn man ihn tausende Male gehört und gesehen hat.

Das perfekte Zusammenspiel bringt es

Deshalb brauchen Marken beides: Einen verbalen Fokus und ein visuelles Schlüsselbild oder wie es Laura (Ries) ausdrückt: Einen verbalen Nagel und einen visuellen Hammer. Nehmen wir einmal Dr. Best, wo beide perfekt zusammenspielen: Der verbale Fokus bzw. der verbale Nagel der Marke ist „nachgebend“. Dr. Best war die erste nachgebende Zahnbürste. Das Schlüsselbild bzw. der visuelle Hammer war das Bild mit der Tomate mit der nachgebenden Zahnbürste.

Kurzfristig war das Bild wichtiger, um der verbalen Idee die notwendige Glaubwürdigkeit und Aufmerksamkeit zu geben. Langfristig gesehen ist die verbale Idee wichtiger, die die Marke einzigartig in den Köpfen der Kunden positioniert. Trotzdem sollte Dr. Best in der Werbung immer beides beibehalten, um diese einzigartige Position dauerhaft verbal und visuell zu hämmern.

Wie lautet der verbale Fokus Ihrer Marke? Und wie sieht der visuelle Hammer dazu aus? Das sind die beiden Fragen, die man sich heute unbedingt stellen sollte, wenn man die Verantwortung für eine Marke trägt.

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Eine Antwort zu Die Benetton-Markenlektion

  1. Claudio Kaufmann schreibt:

    Ihren Schlussfolgerungen, Herr Brandtner, aus der „Benetton-Markenlektion kann ich weitgehendst beipflichten. Ich würde aber gerne einen zusätzlichen und wichtigen (Marketing)Aspekt einbringen, welcher aus meiner Sicht in Ihrer Betrachtung nicht angesprochen wird.
    Vorab aber noch einige Überlegungen zu den von Ihnen genannten Punkten.
    1. Bilder alleine sind zu wenig
    Sie sprechen einen extrem wichtigen Aspekt an. Wie Sie richtigerweise erwähnen, wird oft viel mehr oder sogar ausschliesslich über die Werbung gesprochen. Die Marke geht dabei völlig unter. Aufgrund meiner Erfahrung sind dafür 3 Gründe massgeblich verantwortlich
    1) In Unternehmen fehlt oft das Verständnis, dass Werbung ein „Instrument“ des Marketing ist, um eine Marketingstrategie (wie diese auch immer definiert wird) kommunikativ umzusetzen
    2) Werbern fehlt oft das grundlegende Wissen bezüglich Marken und Marketing. Dies wird uns täglich an der grossen Anzahl unsinniger/inhaltsloser/markenunbedeutender Werbung zugemutet
    3) Werbeagenturen machen oft Werbung für sich selber und feiern sich selber auch gerne am liebsten mit Awards für die kreativste Werbung. Nun, Kreativität ist erstens nicht messbar und zweitens kein Kriterium für Erfolg. Viel besser wäre es, wenn die Werbung ausgezeichnet würde, welche für ein Unternehmen den grössten messbaren Erfolg erzielt hat

    4. Die (Schock)wirkung von Bildern lässt nach
    Das ist natürlich korrekt. Dies ist der eine Gesichtspunkt. Bezüglich Werbung ist es aber auch so, dass eine (gute) Werbeidee selten in der Neuauflage den gleichen Effekt erzielt. Da wäre viel mehr eine neue Idee gefragt, anstatt die „Schockdosis“ zu erhöhen. Ein aktuelles Beispiel ist der Auftritt von Madonna. Ihr aktueller „Busenblitzer“ ist mehr peinlich, als ein gelungener „Showact“. Demgegenüber war Madonna’s „Kuss Szene“ mit Britney Spears 2003 ein „Key Visual,“ um es mal salopp zu beschreiben

    Nun, noch ganz konkret zum Thema Benetton und dem nicht erwähnten (Marketing)Aspekt – dem Produkt. Ohne Frage, die Marke/Markenführung spielt für Benetton eine entscheidende Rolle. Nicht zuletzt auch darum, da in der Modebranche starke Marken mit starker Emotionalisierung von zentraler Bedeutung sind. Nur, wenn ich heute in einen Benetton Lade gehe, habe ich den Eindruck, die Marke sei mit ihrer Mode in den 1980/1990 Jahren stehen geblieben. Mein Punkt ist nicht, dass Benetton die Mode hätte total verändern müssen. Aber, die Benettonwerte der Mode modisch/zeitgemäss/lifestyleorientiert weiterentwickeln, wäre aus Marketingsicht von zentraler Bedeutung gewesen. Ich denke nicht, dass H&M oder auch Zara die gleiche Kundschaft ansprechen, wie Benetton. Unabhängig davon ist Benetton aus meiner Sicht in der Mode und Marke etwas verstaubt und stehen geblieben.

    Mein (Marketing)Fazit Nr. 1: Marketing fängt beim Produkt, bei der Dienstleistung und dem Service an. Wenn dies nicht stimmt/nicht mehr zeitgemäss/nicht konkurrenzfähig usw. ist, nützt dies beste Werbung und auch kein „visueller Hammer oder verbaler Nagel“ etwas. Letztendlich ist das Fundament des Marketing das Produkt und/oder die Dienstleistung

    Mein (Marketing)Fazit Nr. 2: (Zu)Viele Unternehmen beschäftigen sich fast nur noch mit Facebook, SEO, unsinniger Werbung, Internet usw. usw. usw. . Das Produkt und/oder die Dienstleistung als wichtigster Marketingaspekt verlieren immer mehr an Stellenwert und Bedeutung oder werden sogar nur noch Nebensache. Eine fatale (Marketing)Entwicklung für viele Unternehmen

    Um meine Überlegung noch mehr zu konkretisieren. Natürlich könnte Apple eine bestimmte Zeit nur von der Marke leben. Irgendwann wäre aber auch dies zu Ende, wenn Apple die Marke nicht mit entsprechenden Produkten, Dienstleistungen und Innovation untermauern würde

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