Marken in der Divergenz-Falle

In meinem letzten Blog-Beitrag vor einer Woche ging es um Innovation. Im Speziellen ging es dabei um Divergenz, also um divergierende Innovationen zum Markenaufbau. So beruhen die meisten großen Markenerfolge auf von der Norm abweichenden Innovationen, die neue Produkt- bzw. Dienstleistungskategorien in den Köpfen der Kunden etablieren.

Mehr ist nicht besser

Dabei könnte man meinen, dass zwei oder mehr divergierende Ideen noch besser für eine Marke sein könnten als nur eine divergierende Idee. Kurzfristig stimmt das sogar. Nur langfristig sieht das anders aus. Nehmen Sie aktuell Rügenwalder! Rügenwalder wurde mit der Fokussierung auf die Kategorie „Teewurst“ enorm erfolgreich.

Jetzt stieg Rügenwalder auch in den Markt für fleischlose Produkte sehr erfolgreich ein. So wird auch Rügenwalder für diesen Schritt von vielen Marken- und Marketingexperten sehr gelobt. So strahlt der Erfolg dieser fleischlosen Produkte auch wieder enorm auf den wahrgenommenen Gesamterfolg von Rügenwalder aus. Großartig! Oder doch nicht?

IBM und Toyota

In den 1950er, 1960er und 1970er Jahren stand IBM in den Köpfen der Kunden für Großrechner, also für große und teure Computer. IBM besaß diese Idee in den Köpfen der Kunden. Dann tauchte am Horizont eine neue divergierende Marktkategorie auf, nämlich der PC.

Was machte IBM als Computerweltmarktführer. Man lancierte 1981 den ersten Business-PC dieser Erde, den IBM 5050. Perfekte Strategie! Weniger perfekt war die Namensgebung. Denn man benutzte den eigenen Unternehmensnamen IBM für diese neue Produktkategorie. 3 Jahre später war IBM der absolute Computer-Superstar, der für große Rechner und PCs stand. Auch hier strahlte der Erfolg des IBM-PCs perfekt auf IBM retour.

In den 1990er Jahren war IBM dann in der Krise. Das Problem: Man hatte sich mit zu vielen divergierenden Innovationen restlos verzettelt. Man war eine Art „Computer-Supermarkt“ geworden, der alles vom Notebook über Peripheriegeräte bis hin zu Großrechenanlagen samt Service anbot. Damit fiel aber auch die Qualitätswahrnehmung von IBM in den Köpfen der Kunden. Man war irgendwie nicht mehr so gut wie früher,

Oder nehmen Sie Toyota! Früher stand Toyota ganz klar für das Attribut „zuverlässig“. Diese Idee verstärkte man Jahr für Jahr mit der ADAC-Pannenstatistik. Dann tauchte am Markt eine divergierende Idee auf, nämlich der Hybridantrieb. Toyota griff diese Idee vor allem mit dem Modell Prius sehr erfolgreich auf. Und der Erfolg des Toyota Prius strahlte auf die Marke Toyota retour.

Und heute? Wofür steht heute Toyota in den Köpfen der deutschen und österreichischen Kunden? Ist die Marke Toyota noch wirklich das zuverlässige Auto in der Wahrnehmung? Steht die Marke Toyota wirklich noch für Hybrid und damit für innovative neue Antriebstechnologien? Oder hat man irgendwie das Gefühl, dass Toyota nicht mehr so gut wie früher ist?

Der übersehene „Spezialisten-Effekt“

„Wir schätzen Spezialisten höher ein als Generalisten.“ Nur wie es aussieht, will niemand mehr Spezialist sein. Auch Rügenwalder nicht! Kurzfristig, speziell wenn man Erfolg hat, ist das kein Problem. In einer solchen Situation scheint man so gut wie unverwundbar. Aber was wird langfristig sein? Und was wird langfristig sein, wenn der Markt für fleischlose Produkte einmal so richtig an Dynamik gewinnen wird? Wird dann die Marke Rügenwalder für „Teewurst“ und „fleischlos“ stehen? Oder werden wir das Gefühl haben, dass Rügenwalder eigentlich auch nicht mehr so gut wie früher ist?

All dies hätte man bei Rügenwalder vermeiden können, wenn man die fleischlosen Produkte unter einer neuen Produktmarke gestützt durch die Unternehmensmarke Rügenwalder eingeführt hätte. So gesehen sind divergierende Innovationen nicht nur eine enorme Chance für neue Marken, sondern u. U. auch eine enorme Bedrohung für bestehende Marken.

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