Innovation ist heute sicher eines der heißesten Managementkonzepte überhaupt. Bereits Peter Drucker erkannte 1954 die Bedeutung von Innovation im Zusammenhang mit Marketing und schrieb: „Jedes geschäftliche Unternehmen hat zwei und nur zwei grundlegende Funktionen, Marketing und Innovation.“ Heute würde Drucker wahrscheinlich ein Wort in dieser Aussage ändern und sagen: „Jedes geschäftliche Unternehmen hat zwei und nur zwei grundlegende Funktionen, Branding und Innovation.“ Denn genau diese beiden Funktionen sind heute die Werttreiber im Unternehmen. So lassen sich mit den richtigen Innovationen höhere Preise am Markt erzielen. So lassen sich mit dem richtigen Branding höhere Preise am Markt erzielen.
Die großen Markenerfolge
Und wenn man einen Blick auf die meisten großen Marken wirft, findet man am Beginn der Markenerfolgsgeschichte eine Innovation. So war Coca-Cola die erste Cola, Nivea die erste Creme auf Öl-Wasser-Basis, Persil das erste Waschmittel, Red Bull der erste Energydrink und das iPhone das erste Nur-Touchscreen-Smartphone.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich immer mehr Bücher, Artikel, Veranstaltungen, Vorträge, Studiengänge und auch Unternehmer und Manager massiv mit dem Thema Innovation beschäftigen. Manche Unternehmen haben bereits einen eigenen Innovationsmanager. So hört man dann auch auf Veranstaltungen von evolutionären, konvergierenden, radikalen, revolutionären oder auch disruptiven Innovationen. Was verwunderlich ist, ist dabei aus unserer Sicht, dass man so gut wie nie von divergierenden Innovationen hört.
Denn die meisten Markenerfolge beruhen weder auf revolutionären, noch auf disruptiven, noch auf radikalen oder auf konvergierenden Innovationen und schon gar nicht auf evolutionären Innovationen. Die meisten großen Markenerfolge beruhen auf divergierenden Innovationen.
Divergenz: Die übersehene Kraft
Was aber sind divergierende Innovationen? Das sind von der Norm abweichende Innovationen, die eine neue Kategorie in den Köpfen der Kunden schaffen. Damit hat Divergenz nichts mit dem Umfang oder der Radikalität der Idee zu tun. Das entscheidende Element ist, dass dadurch in der Wahrnehmung durch den Markt eine neue Kategorie geschaffen wird.
Anders ausgedrückt: Kreieren Sie eine neue Kategorie in der Wahrnehmung der Kunden, in der Ihre Marke vom ersten Augenblick an das Echte und Wahre ist. Das ist der wichtigste Markenjob von allen. Nehmen Sie Red Bull! Das Entscheidende aus Markensicht war weder der Markenname, noch das Logo, noch die Werbung und auch nicht das Getränk in der Dose. Das Entscheidende war die Kreation der Kategorie „Energydrink“.
Erst wenn man die eigene divergierende Kategorie definiert hat, dann sollte man sich Gedanken darüber machen, wie der perfekte Markenname, das perfekte Logo, das perfekte Produkt und das perfekte Marketingprogramm dazu aussehen. In der Praxis läuft es leider viel zu oft umgekehrt ab. Man legt zuerst das Produkt, dann den Markenname und das Logo fest, um dann erkennen zu müssen, dass man nur ein Anbieter unter vielen ist.
Keine große Erfindung notwendig
Um eine eigene divergierende Kategorie zu finden, sind daher in der Regel auch keine großen Innovationen notwendig. Oft genügt es an einem Detail zu drehen oder einfach den Fokus der Marke zu verengen. Jeder weiß, dass eine Pizza aus dem Steinofen besser ist. Also zählte Ernst Wagner eins und eins zusammen und lancierte unter der Marke Wagner Pizza die erste Steinofenfertigpizza in Deutschland.
Oder nehmen Sie Pan & Co in Linz. Dort erkannte Wolfgang Hofer Mitte der 1990er Jahre ganz klar, dass er mit einer weiteren Backshop-Lösung a la Resch & Frisch wenig Chancen auf Erfolg haben würde. Also lancierte er die erste Backshop-Lösung speziell für Supermärkte. Er verengte also den Fokus der Marke, um damit eine Zielgruppe, nämlich Supermärkte und später auch Tankstellenshops perfekt anzusprechen.
Divergenz als Innovations- und Denkmuster
Wenn Sie also über Innovation im Sinne des Markenaufbaus nachdenken, dann sollten Sie auf Divergenz setzen. Dabei kann Divergenz sehr wohl eine radikale oder disruptive Innovation sein. Aber meistens sind es relativ einfache Ideen, die knapp am Bestehenden liegen. Diese findet man am besten, indem man an einem Detail etwas verändert, oder indem man einfach den Fokus der Marke verengt. So einfach in der Theorie und oft so schwer in der Praxis.