In der Ausgabe 24/2016 berichtete die WirtschaftsWoche unter dem Titel „Flugziel: Permanente Revolution“ über die Innovationspläne des Konzernchefs Carsten Spohr. So möchte man mit permanenter Innovation in den Bereichen Service, Kosten, Veränderungsumsetzung, Wartung und Fracht punkten, um gegen den Mitbewerb, egal ob Billigflieger, Golfairlines oder die wachsende Billigkonkurrenz im Bereich Fracht erfolgreich zu bestehen. Nur in einem dynamischen Marktumfeld könnte diese Art der Innovationsstrategie zu wenig sein.
Eine Fluglinie bleibt eine Fluglinie bleibt eine Fluglinie
Denn egal wie innovativ die Lufthansa unter der Marke Lufthansa sein will und wird, sie wird immer nur eine Fluglinie bleiben. Das Problem dahinter: Wenn Unternehmen sich heute Innovationskuren verschreiben, werden in der Regel alle Innovationen in einen Topf geworfen.
Nur genau das ist aus Markensicht ein schwerer Fehler, denn hier sollte man unbedingt zwischen zwei Arten von Innovationen unterscheiden, nämlich Innovationen, die mental keine neue Kategorie erschaffen, und Innovationen, die mental eine neue Kategorie erschaffen können.
Lufthansa versus Ryanair
Solange die Lufthansa nur gegen Mitbewerber wie British Airways oder Air France/KLM antreten musste, spielte diese Unterscheidung wenig Rolle. Nur als mit Ryanair die erste Diskontfluglinie in Europa auftauchte, gab es auf einmal zwei Arten von Fluglinien, nämlich klassische Fluglinien und Diskontfluglinien. Die Innovation „erste Diskontfluglinie“ schuf mental eine neue Kategorie und damit auch einen neuen Marktführer.
Um besser zu verstehen, worum es geht, sollten wir uns einmal ein Möbelhaus ansehen. Wenn ein Möbelhaus heute ein Restaurant eröffnet, bleibt es trotzdem ein Möbelhaus (und wird kein Restaurant). Wenn ein Möbelhaus heute ein Parkhaus eröffnet, bleibt es trotzdem ein Möbelhaus (und wird kein Parkhaus). Wenn ein Möbelhaus heute eine Diskontabteilung aufmacht, bleibt es trotzdem ein Möbelhaus (und wird kein Möbeldiskonter). Wenn ein Möbelhaus heute einen Onlineshop lanciert, bleibt es trotzdem ein Möbelhaus (und wird kein Online-Möbelanbieter). Wenn man aber unter einer neuen Marke ein reines Online-Möbelhaus lanciert, besteht die Chance, dass sich eine neue Kategorie und damit ein neuer Marktführer etabliert.
Nehmen Sie etwa den Buchhandel: So ist Thalia heute eine klassische Buchhandlung mit einem Onlineshop. Amazon ist keine klassische Buchhandlung. Amazon wurde als reine Internetbuchhandlung groß. Ein großer Unterschied, weil beide Marken so total unterschiedlich in der Wahrnehmung der Kunden abgespeichert sind.
Neu über Innovation und Marke denken
Für die Marke Lufthansa mag es so – vor allem operativ – enorm wichtig sein, dass man innovativ ist, um als Fluglinie erfolgreich zu bleiben. Nur wirklich gefährlich werden für die Lufthansa alle Innovationen, die mental neue Kategorien schaffen könnten. So hat man bereits die neue Kategorie „Diskontfluglinie“ übersehen, um dann verspätet mit Germanwings und jetzt Eurowings zu reagieren. Nur genau hier sollte die Lufthansa strategische ansetzen, wenn man wirklich dauerhaft erfolgreich bestehen möchte. Man sollte nicht die Marke Lufthansa zur Innovationsspielwiese machen, sondern sich heute überlegen, welche Innovationen es geben könnte, die das Potenzial haben, mental eine neue Kategorie zu schaffen, um dann die Lufthansa global in ein funktionierendes Mehr-Marken-System umzubauen.
Das heißt: Auf der einen Seite sollte man Innovationen natürlich nutzen, um im Bereich klassische Fluglinie als führende Fluglinie wahrgenommen zu werden. Auf der anderen Seite sollte man wenige ausgewählte Innovationen nutzen, um neue Fluglinienkategorien und Marken zu bauen. Dies könnte vor allem auch den Bereich Fracht betreffen. Anders ausgedrückt: Man sollte Innovationen nicht ein- sondern zweidimensional sehen. Dimension eins: Innovationen, die die Lufthansa als Marke besser machen. Dimension zwei: Innovationen, die es erlauben, europaweit oder global neue Kategorien und damit neue Marken zu bauen.