Rund um die IAA in München rückt das Thema Mobilität und speziell die E-Mobilität wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Dabei geht es, wie es aussieht, um eher vage Zukunftspläne der europäischen Autoerzeuger, aber vor allem um die potenzielle Herausforderung oder Bedrohung durch chinesische Autoerzeuger. Spannend dabei ist, dass anscheinend weiterhin außer Tesla und vielleicht Polestar niemand am Aufbau einer wirklich starken E-Auto-Marke interessiert ist. Vielmehr dürfte es den meisten Erzeugern darum gehen, kurz- und vielleicht auch mittelfristig mit Modellen alleine zu punkten. Nur das könnte sich langfristig gesehen bitter rächen.
Das Auf und Ab von Modellen
Starke Marken sollten für Stabilität in der Kundenwahrnehmung und am Markt sorgen. Nur wenn man sich den Markt für Elektroautos ansieht, gibt es aktuell nur einen echten stabilen Faktor und das ist Tesla. Dazu können Sie ein kleines Selbstexperiment machen und sich die Frage stellen, wie Sie die Top 10 Elektroautomodelle in Europa ranken würden. (Wahrscheinlich tippen Sie aufgrund des Heiligenschein-Effekts auf zu viele Modelle von Premiummarken und unterschätzen eine chinesische Marke total.)
Dazu sollten wir uns die Neuzulassungen bei Elektroautomodellen in Europa seit 2020 einmal näher ansehen:
2020 2021 2022 6/2023
1. Renault Zoe Tesla Model 3 Tesla Model Y Tesla Model Y
2. Tesla Model 3 Renault Zoe Tesla Model 3 Tesla Model 3
3. VW ID.3 VW ID.3 VW ID.4 VW ID.3
4. Hyundai Kona VW ID.4 Fiat 500 VW ID.4
5. VW eGolf Kia Niro VW ID.3 Fiat 500
6. Peugeot 208 Fiat 500 Skoda Enyaq MG 4
7. Kia Niro Skoda Enyaq Dacia Spring Dacia Spring
8. Nissan Leaf Hyundai Kona Peugeot 208 Volvo XC 40
9. Audi e-tron Peugeot 208 Hyundai Kona Peugeot 208
10. BMW i3 VW Up Kia Niro Skoda Enyaq
„in“ und „out“ versus „stabil“
Wer sich nur auf Modelle verlässt, ist in diesem Wettbewerb schnell einmal „in“, aber auch schnell einmal „out“. So gesehen muss die europäische Autoindustrie befürchten, dass der nächste stabile Faktor neben Tesla in der Elektromobilität MG heißen wird. Nur das liegt weniger an den Stärken und der Positionierung dieser wiederbelebten Marke, sondern viel mehr an den Schwächen und an der mangelnden E-Auto-Positionierung der etablierten Automarken. (Was wird man sich wohl bei Nissan denken, die jahrelang mit dem Modell Leaf die Nr. 1 in den Marktanteilsstatistiken, aber nie als Marke die Nr. 1 in der Wahrnehmung wurden? Nissan steht für Auto und nicht für Elektroauto.)
So gesehen könnte es jetzt noch einmal gefährlicher für die etablierten Automarken werden, da jetzt das erste Mal eine chinesische Automarke – speziell auch von den Medien – wirklich positioniert wird. Diese Marke ist natürlich BYD als die neue Nr. 1 in China. Dazu hieß es etwa auf Tagesschau.de am 18. April dieses Jahres: „BYD löst VW als Marktführer in China ab“. Dazu noch eine generelle Erkenntnis aus der Markenwelt, die man vielleicht endlich auch in der Automobilindustrie berücksichtigen sollte: „Viele Manager und auch Managerinnen überschätzten das Potenzial bestehender Marken und unterschätzen das Potenzial neuer Marken.“
PS 1: So beruht auch die aktuelle Stärke von VW mit sehr großer Wahrscheinlichkeit mehr auf der Stärke des Vertriebssystems als auf der Stärke der Marke VW in der Elektromobilität. So ist VW auch außerhalb Europas in der E-Mobilität maximal ein Mitspieler.
PS 2: Peugeot hat gerade verkündet, dass man bis 2025 die Nr. 1 bei Elektromobilität werden möchte. Der geplante Weg dorthin: 9 Modelle. Vielleicht sollte man auch bei Peugeot neue E-Auto-Marke statt Modellities denken.
