Vor 25 Jahren wurden uns in Linz an der Johannes-Kepler-Universität bei Professor Kulhavy nicht wie üblich 4 Ps, sondern sogar 5 Ps gelehrt, nämlich Produkt, Kommunikation, Vertrieb, Preis und Verkauf. Nicht alle dieser fünf Ps waren bei den Studenten gleich beliebt. Die Favoriten waren natürlich Produkt- und Kommunikationspolitik, denn das war aus Studentensicht sexy und kreativ. Das Stiefkind war sicher der Preis. Ähnlich dürfte es heute auch in vielen Unternehmen sein. So wird der Preis immer noch in vielen Fällen entweder auf Grund der eigenen Kostenstruktur, aufgrund des Wettbewerbs oder aufgrund einer groben Schätzung, was die Kunden bereit wären zu zahlen, festgelegt. Oft entscheidet man sich letztendlich für eine „Besser und billiger“-Strategie.
Die Psychologie des Preises
Übersehen wird dabei, dass der Preis nicht nur seine eigenen psychologischen Gesetzmäßigkeiten hat, sondern auch eine extrem wichtige Rolle bei der Positionierung einer Marke, eines Produktes oder einer Dienstleistung hat. Dazu greift Hermann Simon in seinem neuesten Buch „Confessions of the Pricing Man“ unter anderem drei wesentliche Preiseffekte heraus:
Prestige-Effekt. Laut der klassischen volkswirtschaftlichen Preistheorie geht die Nachfrage bei höheren Preisen zurück, während sie bei sinkenden Preisen steigt. Nur damit blendet man komplett den Prestige- oder Snob-Effekt aus, der zum genau gegenteiligen Ergebnis führen kann, nämlich dass höhere Preise eine höhere Nachfrage hervorrufen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Erfolgsgeschichte von Chivas Regal. In den 1970er Jahren war diese Marke bestenfalls ein weiterer Whiskey unter vielen. Dann wurde die Marke repositioniert, vor allem aber das Etikett edler gestaltet, und es wurde der Verkaufspreis um 20 Prozent erhöht. Damit stiegen Ansehen und Verkaufszahlen nachhaltig.
Qualitäts-Effekt. Ein ähnliches Phänomen wie der Prestige-Effekt ist der Qualitäts-Effekt. So hat uns die Erfahrung in vielen Fällen gelehrt, dass ein höherer Preis auch eine höhere Qualität verspricht. Daher kann ein Produkt für die Kunden sowohl zu teuer als auch zu billig sein. Dies gilt vor allem auch im b2b-Marketing. Als Beispiel für den zweiten Fall bringt Simon ein Software-Unternehmen, das eine Cloud-Lösung für nur 19,90 US-Dollar pro Monat auf den Markt brachte, während der Mitbewerb dafür mehr als 100 US-Dollar verlangte. Während dieses Angebot bei kleineren Unternehmen sehr gut ankam, erreichte man bei der angestrebten Zielgruppe der mittleren und vor allem der größeren Unternehmen nicht die gewünschten Marktanteile. Das Problem: Diese Unternehmen hatten aufgrund des niedrigen Preises kein Vertrauen in die Qualität des Angebotes. Erst als man mit einer geschickten Produkt- und Preisdifferenzierung das Angebot für diese Unternehmen mit neuen Zusatzleistungen teurerer machte, wurde man als ernst zu nehmender Anbieter wahrgenommen.
Placebo-Effekt. Der Effekt des Preises als Qualitätsindikator geht manchmal sogar über die reine Wahrnehmung hinaus und erzeugt einen echten Placebo-Effekt. Dazu berichtet Simon von einer Studie, in der die Wirksamkeit eines Schmerzmittels bei zwei Gruppen getestet wurde. Der einzige Unterschied zwischen beiden Gruppen war der Preis. Dabei wurde das Medikament in der Hochpreis-Gruppe generell als sehr effektiv bewertet. In der Niedrigpreis-Gruppe wurde es nur rund von der Hälfte als sehr effektiv bewertet. Was beide Gruppen nicht wussten, dass es jeweils ein Vitamin-C-Placebo-Präparat war. Hier entschied alleine der Kaufpreis über die Wirksamkeit.
Den Preis perfekt integrieren
Viele Unternehmen achten heute darauf, dass Produkt-, Kommunikations- und Vertriebspolitik perfekt auf die Marke und vor allem auch die Markenpositionierung abgestimmt sind. Beim Preis geht man dann auf Nummer Sicher, indem man diesen unter dem des Marktführers oder des Hauptmitbewerbers ansetzt.
So hört man dann immer wieder in Strategiemeetings folgenden Satz: „Ich verstehe das nicht. Unsere Produkte sind mindestens so gut, wenn nicht besser als die des Wettbewerbs. Zudem sind wir auch noch billiger. Nur die „dummen“ Kunden begreifen es einfach nicht.“ Nur damit sind wir bei einem wichtigen Punkt. Natürlich kann man heute den Preis aufgrund der eigenen Kostenstruktur festlegen. Man kann ihn auch in Relation zum Mitbewerb festlegen oder auch aufgrund der Zahlungsbereitschaft der Kunden. Vor allem aber sollte der Preis zur angestrebten Positionierung passen. Dazu gehört auch der Mut, den Preis im Falle des Falles höher anzusetzen, im Sinne von einer „Besser und teurer“-Strategie.
Buchtipp dazu: Hermann Simon: Confessions of the Pricing Man, Springer 2015
Erschien im Original auf Absatzwirtschaft.de am 8. Januar 2016