Kürzlich sah ich im Fernsehen eine Dokumentation über die Schlacht von Stalingrad im Winter 1942/1943. Die deutsche Strategie, den Kessel, in dem die 6. Armee eingeschlossen war, aus der Luft zu versorgen, um dann von außen den russischen Belagerungsring zu sprengen, sah sicher auf dem Papier brillant aus. Sie scheiterte letztendlich daran, dass die taktische Umsetzung vor Ort unmöglich war.
Zuerst die Strategie, dann die Taktik
Ähnlich ergeht es vielen Marken- und Marketingstrategien. Diese scheitern nicht auf dem Papier in den Managementzentralen, sondern diese scheitern letztendlich am Markt, vor allem in der Wahrnehmung der Kunden. Als typisches Beispiel dafür brachte Al Ries kürzlich in einem Kommentar auf Adage.com das Beispiel von PepsiCo und der Theo Müller Gruppe in den USA.
2012 starteten Pepsi und Müller ein Joint Venture in den USA, um unter dem Markenkonstrukt Müller by Quaker in den amerikanischen Joghurtmarkt einzusteigen. Man wollte so sicher auch vom Trend in Richtung europäische, vor allem aber griechische Joghurts in den USA profitieren. So bewarb man etwa auch griechisches Joghurt unter der Marke Müller by Quaker in Fernsehspots. Der Slogan der Marke lautete „The European for yummy“.
Wir nennen dies klassisches Top-Down Marketing. Und das läuft meist so ab: Zuerst legt das Management die große Gesamtstrategie fest, um dann das Marketing und folglich die Werbeagentur mit der taktischen Umsetzung, vor allem aber mit der kommunikativen Umsetzung zu beauftragen. Dazu kommt dann in vielen Fällen noch die unternehmensinterne Devise: Geht nicht, gibt’s nicht.
Zuerst die Taktik, dann die Strategie
Um besser zu verstehen, worum es genau ging, sollten wir einen Blick auf die Markensituation im amerikanischen Joghurtmarkt werfen. Dieser wird heute wie auch 2012 von zwei starken Marken in der Mitte des Marktes dominiert, nämlich Yoplait und Dannon. Dazu kommen drei Marken für griechisches Joghurt, nämlich Chobani, Oikos und Fage und dann noch Activia als das probiotische Joghurt. In diesem Umfeld hatte und hat eine weitere Marke ohne starke Idee wenig Chancen auf Erfolg.
So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass PepsiCo im Dezember des letzten Jahres seinen Ausstieg aus dem Joint Venture mit Müller verkündete. Die Idee „The European for yummy“ war viel zu breit, um etwa gegen viel konkretere Ideen wie „griechisches Joghurt“ zu bestehen.
Was aber hätte man anders machen können? Unser Vorschlag: Wir hätten zuerst nach einer taktischen Idee gesucht, die in den Köpfen der Kunden funktioniert, um dann daraus die Gesamtmarketingstrategie abzuleiten. Nichts anderes machen auch erfahrene Generäle. Sie suchen etwa bei einem geplanten Angriff zuerst auf dem Schlachtfeld nach einer funktionierenden Durchbruchstaktik, um dann daraus die Gesamtstrategie abzuleiten.
Wie hätte so eine Idee aussehen können? Unsere taktische Idee dazu, die Al ebenfalls in einem Kommentar für Adage.com bereits im Oktober 2012 niederschrieb, lautete so: Müller sollte in den USA das erste Frühstücksjoghurt einführen. „The first breakfast yoghurt“ wäre aus unserer Warte eine starke Kommunikations- und Marketingidee gewesen, um eine neue Kategorie von Joghurt zu schaffen und einen neuen starken Marktführer in dieser Kategorie zu bauen. Das heißt aber auch: Aus dieser einen Idee hätte man dann die gesamte Marketingstrategie in allen Facetten ableiten müssen, von der Namensgebung über die Produktpalette bis hin zur Einführungskampagne. Das nennen wir Bottom-Up Marketing.
Der Vorteil dieser Vorgehensweise: Man startet mit dem Punkt der Entscheidung, nämlich der Wahrnehmung der Kunden, um dort nach der einen Durchbruchsidee zu suchen. Wenn man diese gefunden hat, leitet man daraus dann die gesamte Marken- und Marketingstrategie ab. So einfach in der Theorie, oft so schwer in der Praxis, speziell dann, wenn man Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt auf den klassischen Top-Down Ansatz gesetzt hat.
Buchtipp dazu: Ries, Al und Jack Trout: Bottom-Up Marketing, McGraw-Hill 1989
Hallo Herr Brandtner
Wieder einmal ein absolut zutreffender Artikel von Ihnen! Wir hatten vor 12 Jahren die Aufgabe, eine Kampagnenstrategie (Produktlancierung) für Studentinnen zu entwickeln. Da wir keine Ahnung hatten, was bei Studentinnen funktionieren würde und was nicht, kamen wir schliesslich auf die Idee, die Strategie von Studentinnen selbst entwickeln zu lassen und erfanden dazu die so genannten Target Community Lab™s, ein Workshop-Konzept, bei dem die Zielgruppe die Strategie für sich selbst entwickelt und somit sicherstellt, dass sie auch bei anderen aus der gleichen Zielgruppe funktioniert. Obendrein ist die Kampagne dann deren «Baby» und wir haben die erste «Fan»-Community für die Kampagne.
Beste Grüsse aus der Schweiz, peter metzinger
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