„Liberté, égalité, fraternité“ (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit), der Schlachtruf oder Slogan der französischen Revolution überdauerte bereits weit mehr als 200 Jahre. „It’s the economy, stupid!“, der Wahlkampfslogan von Bill Clinton aus dem Jahr 1992 wird auch heute noch gerne zitiert. Und viele erinnern sich auch heute noch an „Change we can believe in“, also an den Schlachtruf von Barack Obama, auf den die Masse mit „Yes, we can“ antwortete.
Van der Bellen und Hofer
Wie aber lauten aktuell die Slogans von Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer? Nicht so einfach! Aktuell plakatiert Hofer neben „So wahr mir Gott helfe“ noch „In Eurem Sinne entscheiden“ und „Für Österreich mit Herz und Seele“. Dem setzte Van der Bellen zuerst „Österreich dienen und keiner Partei“, „Nur gemeinsam sind wir Österreich“ und „Nein zum Öxit. Gemeinsam sind wir stärker“ entgegen. Jetzt folgen: „Wählen! Nicht wundern“, „Vernunft statt Extreme“ und „Unser Präsident der Mitte“.
Wie es aussieht dürfte aus Markensicht das große Wahlkampfvorbild beider Kandidaten Hillary Clinton sein. So setzte auch Clinton auf verschiedene zentrale Slogans, um zuerst gegen Bernie Sanders und dann Donald Trump „zu gewinnen“, nämlich „Hillary for America“, dann „Fighting for you“ gefolgt von „Stronger together“.
Die Macht einer Botschaft
Ganz anders Donald Trump, der von Anfang an, also von den Vorwahlen bis zu seinem Wahlsieg nur einen einzigen Slogan setzte, nämlich „Make America great again“. Diese Botschaft ist so stark, dass Trump in vier Jahren – sollte er dann noch einmal antreten – an dieser Botschaft gemessen werden wird.
Um aber eine solche Botschaft, wie „Change we can believe in“ oder „Make America great again“ zu finden, sollte man drei Punkte beachten: (1) Die Botschaft sollte für eine Alleinstellung sorgen. (2) Die Botschaft sollte den Mitbewerb repositionieren. Sie sollte also für eine Kontroverse geeignet sein. (3) Die Botschaft sollte die Stimmung im Volk treffen.
Dies gelang etwa auch den Brexit-Befürwortern perfekt mit „Take Back Control“. Denn genau das traf perfekt den Zeitgeist und die Stimmung der vor allem älteren Briten, die sich nach der guten, alten Zeit vor der EU zurücksehnten. So gesehen würde es für beide Präsidentschaftskandidaten enorm viel Sinn machen, die eigene Botschaft, den eigenen Slogan oder Schlachtruf nachzuschärfen. Denn ein sehr guter Slogan kann klar über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Erschein im Original gekürzt in Medianet vom 25. November 2016
Strategie-Insider wissen: Ein „Schlachtruf“ ist nur der fünfte (und letzte) Schritt in der strategischen Markenarbeit. Ganz spannend wäre eine Analyse, ob die beiden Kandidaten die anderen vier Schritte im Sinne von Positionierungs-Pionier Al Ries gut umgesetzt haben. Ich fange einmal mit Alexander Van der Bellen an.
Van der Bellen (VdB) hat zumindest einen guten ‚visuellen Hammer‘ im Sinne von Al Ries entwickelt. Es ist das Kaunertal, seine Tiroler Herkunftsregion. In einem Video erklärte er seine Herkunftsregion zum Vorbild für ein vereintes Europa. Hier habe er gelernt, dass das Zusammenleben funktioniere, wenn alle zur Gemeinschaft beitrügen. Dies sollten auch die Nationalisten begreifen, die einen Rückzug hinter Staatsgrenzen forderten. „Du brauchsch mi, und i brauch di“ schließt er in seinem Tiroler Dialekt. Die NZZ sieht es so: „Der Kandidat nutzt das Kaunertal, um den Freiheitlichen die Deutungshoheit über den Patriotismus- und Heimatbegriff streitig zu machen.“ (28.11., International, S.6).
Einen singulären ‚verbalen Nagel‘ im Sinne von Al Ries hat VdB nicht. Er hat gleich zwei -;). Im aktuellen Video „I am from Austria“ erscheinen folgende Sätze: „…entscheiden, in welche Richtung unsere H e i m a t geht“ und „das G e m e i n s a m e über das Trennende stellen“.
Eine ‚Kategorie‘ im Sinne von Al Ries, also eine Schublade, hat er auch nicht so klar definiert. Dies lässt viel Raum für Interpretationen offen. Die Medien haben es dementsprechend schwer, sein Programm und seine Person einzuordnen. Die NZZ verzweifelt daran und findet für sein Programm die Schublade „Progressiver Patriotismus“ (für manche ein Widerspruch) und versieht VdB mit dem Etikett „Unabhängiger Grüner“ (ein noch deutlicherer Widerspruch).
Diese Zuschreibungen von außen tragen nicht zu einem geschärften Profil bei.
Ein Schlachtruf im Sinne von Al Ries-Tochter Laura („Battlecry – a memorable slogan that will live forever“) würde den Wählern natürlich Orientierung bieten. Gerade nach einem 11 Monate langen Wahlkampf.
PS:
Jemand unter den Blog-Lesern, der eine ähnliche Analyse für Norbert Hofer machen kann?
Wäre gespannt, zu welchen Schlussfolgerungen etwa Peter Metzinger, Spezialist für strategisches Campaigning, für Norbert Hofer kommen würde…
Ein Schlachtruf mag der letzte Schritt sein, aber ein unklarer bzw. unspezifischer Schlachtruf ist in vielen Fällen ein Indiz dafür, dass es bei den Schritten vorher an einer klaren Fokussierung gemangelt hat. Wenn etwa das Management von Air Berlin festlegt, dass Air Berlin eine Hybrid-Fluglinie ist, die alle ansprechen sollte, dann kann weder das Marketing noch eine Werbeagentur einen klaren Schlachtruf/Slogan entwickeln.