Mit der Übernahmen von Whole Foods, der größten amerikanischen Bio-Supermarkt-Kette erweitert Amazon nicht nur das eigene Markensystem, man steigt auch das erste Mal massiv in den stationären Handel ein. Aus Sicht vieler Handelsexperten wird Amazon so ein neues Kapitel in der Handelsgeschichte schreiben. Aus Markensicht, vor allem aus Sicht eines Mehr-Marken-Systems ist es genau der falsche Schritt in die Zukunft.
Die zwei Ziele hinter Mehr-Marken-Systemen
Mit einem Mehr-Marken-System sollte man aus Markensicht vor allem zwei Ziele verfolgen:
Ziel 1: Einen spezifisch ausgewählten Markt mit mehreren Marken dauerhaft dominieren. Genau das macht etwa Mars bei Schokoriegeln. Mit Marken wie Mars, Twix, Bounty, Milky Way oder Snickers hat man sich eine dominante Marktposition geschaffen. Entscheidend ist hier, dass jede Marke für sich selbst klar und unverwechselbar positioniert ist und es so gut wie keine Überschneidungen zwischen den Marken gibt.
Ziel 2: Die eigene Unternehmenszukunft gegenüber neuen Mitbewerbern absichern. Speziell in dynamischen Märkten sollte man die eigene Marke selbst mit einer neuen Marke attackieren, bevor es der Mitbewerb tut. Dazu drei Fragen: Wie würde British Airways heute dastehen, wenn man auch Ryanair besitzen würde? Wie würde Barnes & Noble heute dastehen, wenn man auch Amazon besitzen würde? Wie würde Microsoft heute dastehen, wenn man auch Android besitzen würde? Das heißt: Hier sollte man rund um das eigene Kerngeschäft ein Mehr-Marken-System zur Zukunftsabsicherung aufbauen.
Amazon und die zwei Ziele
Wenn man das erste Ziel auf einen ersten Blick nur grob betrachtet, dann ist die Übernahme von Whole Foods durch Amazon perfekt, weil man so versucht, die Handelslandschaft noch stärker als bisher zu dominieren. Nur auf den zweiten, genaueren Blick betrachtet, sieht das Ganze schon ganz anders aus. Denn die Handelslandschaft in Summe ist viel zu groß, um von einem Unternehmen dauerhaft dominiert zu werden. Amazon sollte hier einen klaren Fokus definieren, welche Art von Handel man dominieren möchte. Und der logische Fokus wäre „online“.
Damit wären wir auch schon beim zweiten Ziel. Der stationäre Handel wird für Amazon keine Bedrohung darstellen, vielmehr ist Amazon die Bedrohung für den stationären Handel. Ganz anders sieht es mit dem Internet selbst aus. Hier gibt es sehr viel mehr Dynamik als im stationären Handel. Hier werden auch in Zukunft sehr viel mehr neue und andere Geschäftsmodelle entstehen, die dann unter Umständen Amazon bedrohen könnten. Das heißt: Aus Sicht des zweiten Ziels macht die Übernahme von Whole Foods sogar noch weniger Sinn.
Was Amazon tun sollte
Amazon sollte aus Markensicht den Fokus ganz klar auf „online“ legen, um dort ein zukunftssicheres Mehr-Marken-System aufzubauen, das Ziel 1 und Ziel 2 erfüllt. Kurz- und mittelfristig betrachtet mag die Übernahme von Whole Foods aus Sicht vieler Omni-und Multichannel-Handelsexperten Sinn machen. Nur langfristig betrachtet wird Amazon so verwundbarer, speziell dann, wenn neue Internetgeschäftsmodelle und Internetmarken auftauchen. Prophezeiung: Amazon wird die Übernahme von Whole Foods mit Sicherheit einmal bereuen.
Vielen Dank für den Perspektivwechsel.