Katar, der Rasen und die Haltung(skampagnen)

In der Regel wirft eine Fußball-WM immer ihre Schatten voraus. Nur diesmal dürfte dies für die Veranstalter, Teilnehmer und Sponsoren etwas anders als erwartet passiert sein. So hieß es etwa auf Tagesschau.de am 12. März dieses Jahres: „Die niederländische Gärtnerei Hendriks Graszoden boykottiert die WM in Katar. Eigentlich hätte das Unternehmen den Rasen für die Stadien liefern sollen. Wegen Tausender toter Arbeiter lehnte die Firma den Auftrag aber ab.“

Eine Frage der Haltung

Nur damit wird es nicht nur für die Veranstalter „spannend“, es wird sich auch die Frage stellen, welchen Stellenwert das Wort „Haltung“ für Verbände (als Teilnehmer) und für Unternehmen (als Sponsoren und Werber) wirklich hat. Denn aktuell gibt es mit Sicherheit kein Wort, das im Zusammenhang mit Kampagnen mehr strapaziert wird als dieses Wort „Haltung“. Dazu nur ein kleiner Auszug, wenn man das Wort „Haltungskampagne“ googelt:

„Am 9. März [2020] startet in Deutschland die angekündigte Haltungskampagne von Coca-Cola. Im Spot von Wieden + Kennedy wirbt die Marke für mehr Offenheit und gegenseitiges Verständnis.“

„Der Konsumgüterhersteller Beiersdorf startet die erste große Haltungskampagne, neudeutsch Purpose, in seiner 138 Jahre alten Firmengeschichte. Die Initiative namens #CareForHumanTouch soll laut Unternehmensangaben die Einsamkeit vieler Menschen lindern – und letztlich wohl auch den Umsatz des Dax-Konzerns über Imagepflege steigern.“

„Zum Ende des ersten Corona-Jahres hat SAP noch einmal Werbebudget locker gemacht und in einer Haltungskampagne auf die vergangenen Monate zurückgeblickt.“

„Douglas startet mit Haltungskampagne für LGBTI*“

„Haltungskampagne: Für Edeka kennt Genuss keine Grenzen“

Wie es aussieht, ist Werbung ohne Haltung heute so gut wie unmöglich. Das macht natürlich auch vor der Welt des Sportes nicht halt.

Die große Haltungswelt in der Sportwelt

So gilt etwa Nike als absoluter Vorreiter beim Thema Haltung oder wie es eine deutsche Werbefachzeitschrift ausdrückte: „Sie ist die Mutter aller Haltungskampagnen. Für den Fachtitel Advertising Age ist es der wichtigste Auftritt des vergangenen Jahrzehnts. Während andere erst damit begannen zu erörtern, ob das Thema „Haltung für Marken“ wichtiger wird oder nicht, tat Nike einen beispiellosen Schritt. Der Sportartikler rückte Colin Kaepernick … ins Zentrum seiner wichtigsten Kampagne.“ Gemeint ist damit natürlich die berühmte „Dream Crazy“-Kampagne von Nike aus dem Jahr 2018, mit der man klar ein Zeichen gegen den Rassismus setzte.

Oder nehmen Sie Adidas: “Rassismus, Diskriminierung und Hasskommentare dürfen keinen Platz haben, weder in unserem Unternehmen noch in unserer Gesellschaft.” Dies vermeldete der Sportkonzern, als er im Juni 2020 im Kontext der Initiative #StopHateForProfit weltweit die Werbung auf Facebook und Instagram einstellte.

Auch der DFB zeigte 2020 klar Haltung in Kampagnenform: Dazu heiß es etwa: „50 Jahre nach der Aufhebung des Verbots des Frauenfußball zeigt der DFB mit einer „Haltungskampagne“ Flagge. Der DFB spricht sich damit klar für eine gleichberechtigte Gesellschaft aus und zeigt, was Frauen im Fußball sowie Frauenfußball bedeuten: Leidenschaft, Stärke und Freude.“ Oder: „Der Deutsche Fußball-Bund zeigt Flagge im Kampf gegen Rassismus und setzt ein Zeichen für Vielfalt. Gemeinsam mit RaphaelBrinkert hat der DFB im Rahmen der jüngsten Länderspiele der deutschen Nationalmannschaften eine Kampagne unter dem Motto „Bund für Vielfalt“ gestartet, die allen gewidmet ist, die „für uns pfeifen, gegen uns pfeifen oder auf uns pfeifen“.“

Haltung „als Erster“ gegenüber Katar

Richtig spannend wird es aber jetzt, wenn eine Haltungskampagne gegenüber Katar wahrscheinlich nicht nur zu wenig ist, sondern auch gar nicht funktionieren kann. Denn in diesem Fall wäre wahrscheinlich Haltung als Haltung im Sinne von Handeln gefragt. In Norwegen wird bereits überlegt oder wie gerade eben, am 14. März Tagesschau.de vermeldete: „Haaland und Co. nicht zur WM nach Katar 2022? Norwegen vertagt Entscheidung über WM-Boykott“.

Damit kommen wir aber noch zu einem wichtigen Punkt oder Gesetz aus Markensicht. Dieses lautet „Besser Erster als besser“. So hat zwar die niederländische Gärtnerei Hendriks Graszoden bereits Flagge gezeigt, aber in der Welt der großen Marken und Organisationen wäre jetzt noch zweimal Platz für einen Ersten, der Haltung einnimmt, nämlich einmal für eine große Marke wie Adidas, Coca-Cola, McDonald’s, Visa oder auch Nike und einmal für einen Fußballverband, solange Norwegen noch überlegt und sich nicht entscheiden kann. Auf alle Fälle wird es auch Haltungssicht spannend, welchen Stellenwert Haltung im Zeichen eines Megaevents wirklich hat, und wie man dann diese Haltung auch lebt. Diese Entscheidung ist dabei mit Sicherheit nicht für alle gleich einfach oder besser schwer, denn es macht einen großen Unterschied in Bezug auf die Konsequenzen, ob man nur als Sponsor oder ob man als Ausstatter oder gar als Teilnehmer eine WM boykottieren würde.

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