Noch Anfang der 1990er Jahre lag der Bierkonsum in Deutschland bei rund 140 Litern pro Kopf pro Jahr. 2024 sah dies ganz anders aus. Dazu hieß es am 22. Juli dieses Jahres auf Tagesschau.de: „In Deutschland wurden 2024 noch 88 Liter Bier pro Kopf getrunken. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren es 20 Jahre zuvor 112 Liter und vor 30 Jahren gar 133 Liter.“
Gegen den Rückgang ankämpfen
Die aus Managementsicht oft logische Reaktion darauf dürfte klar sein. Wenn die Menschen weniger Bier trinken, müssen wird diese mit mehr neuen Sorten wieder animieren. Dazu vermeldete Tagesschau.de: „Die Brauereibranche versucht gegenzusteuern. Immer mehr milde und erfrischende Sorten ergänzen die Richtungen „Export, Pils und Alt“ früherer Biertrinker-Generationen. Der Deutsche Brauerbund versucht, Bier als modernes Getränk für flotte Menschen zu verkaufen. Er wirbt mit gepflegten Städterinnen, die miteinander fröhlich Bier trinken. Biersommeliers sollen dem Getränk ein kultiviertes Image verschaffen.“
So werden die Marken aber immer breiter und breiter und damit letztendlich austauschbarer. Damit stellt sich aber eine ganz andere Frage: „Warum muss man neue Biersorten mit Kategoriepotenzial unter alten Markennamen positionieren?“ Anders ausgedrückt: Sollte man nicht bei den bestehenden Marken weiterhin auf Tradition setzen und zudem neue Bierkategorien und mit neuen Marken bauen?“
Von MiXery und Athletic Brewing lernen
Genau das tat die Karlsberg Brauerei Mitte/Ende der 1990er Jahre. So schuf man für die modernen Biermischgetränke eine neue Marke, nämlich MiXery. Heute ist MiXery in Deutschland die Nr. 1 bei Biermischgetränken, während die Marke Karlsberg eine eher regionale Marke geblieben ist. Natürlich hätte man das Ganze auch Karlsberg Mix nennen können. Nur dann hätte man nicht nur die Marke Karlsberg verwässert, es hätte bald auch sicher ein Warsteiner Mix, Bitburger Mix oder ein Jever Mix gegeben. Und jedes Mix hätte im Revier der eigenen Stammkunden gejagt.
Oder nehmen Sie den amerikanischen Biermarkt, in dem die Käufer längst den Überblick über den Biermarkt verloren haben. Hier ist auf einmal die Start-up-Marke Athletic Brewing die Nummer 1 bei alkoholfreien Bieren mit einem Marktanteil von 19 Prozent. Athletic Brewing ist keine weitere Markendehnung einer traditionellen Biermarke, sondern ein neuer Name für eine neue Generation von Biertrinkern. War noch 2023 Heineken 0.0 der Marktführer bei alkoholfreien Bieren in den USA, musste man mittlerweile diese Position an Athletic Brewing abtreten. Dahinter kommen dann noch weitere Marken wie Budweiser Zero oder Busch NA. (Dabei wurde die Athletic Brewing Company erst im Jahr 2017 von den beiden sportbegeisterten Gründern Bill Shufelt und John Walker gegründet.)
Gegen die allgemeine Logik
Aus Markensicht empfiehlt es sich immer und immer wieder, dass man zuerst die allgemein-gültigen Regeln einer Branche studiert, um dann zu überlegen, ob und wie man diese gekonnt brechen kann. So mag es für viele unlogisch erscheinen, dass man in einem rückläufigen Markt auf eine neue Marke für einen dort wachsenden Teilmarkt setzt, statt diesen mit einer weiteren Markendehnung der bekannten Traditionsmarke zu bedienen.
Aber eines ist klar: Wer erfolgreich Regeln bricht, stellt neue Regeln auf. So gesehen könnte wenigstens eine deutsche Brauerei auf eine neue jugendliche Marke für alkoholfreies Bier setzen, statt die nächste Markendehnung zu probieren, die wiederum maximal als eine weitere Markendehnung unter vielen gesehen wird.
