Die unterschätzte Macht des Wortes oder was man von den Grünen, Air Berlin, Opel und dem US-Wahlkampf 2008 lernen kann

„Sagen Sie uns ein Schlagwort, wofür Ihre Partei in der Finanzkrise steht?“, lautete eine Frage im Kurier (14. August 2011) an die Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Die Antwort darauf: „Jeder, der sagt, er kann das in einem Satz erklären, der lügt.“ Dann folgte eine ganze Liste an Aufzählungen, was die Grünen ändern möchten wie ein Konkursverfahren für Staaten, eine Finanztransaktionssteuer, Eurobonds, gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik, gemeinsame Steuerpolitik und noch mehr. Diese Maßnahmen mögen alle schön und richtig sein, aber was fehlt ist der klare Fokus, die klare Idee dahinter, nämlich genau dieses eine Schlagwort.

Maßnahmenpaket statt klare Positionierung

Wenn man dieselbe Frage dem früheren Vizekanzler und ÖVP-Chef Josef Pröll in der Krise 2009 gestellt hätte, hätte er wahrscheinlich mit nur drei Worten geantwortet, nämlich mit „Sicherheit und Stabilität“, um dann die Maßnahmen aufzuzählen, die für Sicherheit und Stabilität garantieren. Genau das macht einen großen Unterschied in den Augen der Wähler oder Kunden. So hatte Josef Pröll 2009 in der Krise seine besten Umfragedaten. Er stand für etwas.

Nur viele Unternehmen unterschätzen wie anscheinend auch Eva Glawischnig immer noch die Macht des Schlagwortes und verkaufen sich damit am Markt klar unter Wert. Maßnahmenpakte alleine sind zu wenig, wenn dahinter keine klare Ausrichtung, keine klare Positionierung, kein klares Schlagwort steht. Dies sollte jetzt auch Michael Spindelegger von der ÖVP bedenken, der für Herbst „Aktionen“ angekündigt hat. Denn Aktionen ohne klare Positionierung, enden in der Regel als reine „Aktionitis“.

Das Dilemma von Air Berlin

Das ist auch das aktuelle Dilemma von Air Berlin. Man hat in letzten Jahren viele Maßnahmen gesetzt, um auf Wachstumskurs zu kommen. Man kaufte Fluglinien wie die LTU oder die dba, man beteiligte sich an Fluglinien wie etwa an Fly Niki, Man baute Hubs in Palma de Mallorca, in Berlin, Düsseldorf oder Wien auf. Man wollte den Feriengast und den Businessreisenden. Man setzte Wachstumsmaßnahme nach Wachstumsmaßnahme. Nur eines fehlte und fehlt: Die klare strategische Ausrichtung.

Wofür steht Air Berlin? Wissen Sie es? Ich habe keine Ahnung. Air Berlin ist keine Diskontfluglinie wie Ryanair oder Easyjet. Air Berlin ist aber auch keine klassische Fluglinie wie Lufthansa, British Airways oder die Air France/KLM. Air Berlin besitzt kein Wort, keine klare Position am Markt, in den Köpfen der Kunden. Air Berlin ist eine weitere Fluglinie. Dazu schrieb Absatzwirtschaft im Sonderheft Marken 2011: „Der als „Hybrid-Strategie“ bezeichnete anvisierte Spagat bestand darin, als Airline sowohl Charterdienste als Veranstalter als auch Individualdienste für Privat- und Geschäftskunden zu leisten.“ Der Claim dazu: „Your Airline.“ Haben Sie diesen Slogan gekannt? Und empfinden Sie Air Berlin wirklich als Ihre Fluglinie? Wer jedem gefallen will, gefällt letztendlich niemandem wirklich.

Schlimmer noch: Die vielen „strategielosen“ Maßnahmen machen auch die Sanierung von Air Berlin enorm schwierig. Was tun? Zuerst einmal sollte Air Berlin jetzt eine klare Strategie entwickeln, um sich klar zu positionieren. Dann muss man die Maßnahmen ergreifen, die zu der angestrebten Positionierung passen. Denn als „strategielose“ Hybrid-Airline wird man wahrscheinlich zwischen den klassischen Fluglinien und den Diskontfluglinien aufgerieben werden.

Damit sind wir auch bei einem wichtigen Punkt. Wenn eine Marke wie etwa BMW mit „Fahrfreude“ oder etwa Geox mit „atmet“ ein Wort und damit einen klaren Fokus besitzt, dann hat man auch eine klare Entscheidungsrichtschnur, die nach innen und außen wirkt. Wenn man aber eine unklare Positionierung wie „Hybrid-Airline“ hat, dann passen quasi alle Maßnahmen, die man setzen will. Es passen die Maßnahmen, die zu einer Diskontfluglinie passen und es passen die Maßnahmen, die zu einer herkömmlichen, klassischen Fluglinie passen. Das logische Ergebnis: Ein Sanierungskandidat.

Das Dilemma von Opel

Auch Opel steckt im selben Dilemma wie Air Berlin. So hat Opel, um wieder auf Erfolgskurs zu kommen, viele Einzelmaßnahmen gesetzt. Man hat neue innovative Modelle lanciert. Man hat das Logo überarbeitet, den Claim verändert und eine neue Werbelinie.

Nur eines fehlt: Die gemeinsame Markenklammer dahinter. Wofür steht Opel? Wissen Sie es? Ich weiß es nicht. Opel fehlt das Schlagwort, das die Marke nach außen und innen ausrichtet, die Marke in die Zukunft führt und es der Marke erlaubt, einen spezifisch ausgewählten Markt dauerhaft zu dominieren.

Der beste Wahlkampf aller Zeiten

Unternehmen können dabei viel vom wahrscheinlich besten Wahlkampf aller Zeiten lernen. So gelang es Barack Obama mit der Fokussierung auf das Schlagwort „Change“ zuerst der demokratische Präsidentschaftskandidat und dann 2008 Präsident der USA zu werden. Barack Obama verstand die Macht des Schlagwortes.

Genauso wie das auch die wirklich starken Marken verstehen, egal ob BMW mit „Fahrfreude“, Dr. Best mit „Nachgebend“, Geox mit „Atmet“, Google mit „Suche“, Activia mit „Verdauungsregulierend“ oder Audi mit „Technik“. Wie lautet die zentrale Idee Ihrer Marke? Welches Schlagwort besitzt Ihre Marke in den Köpfen der Kunden, die als Richtschnur nach außen und innen wirkt?

Zu einfach!?

Kürzlich meinte jemand nach einem Vortrag zu mir, in dem ich natürlich auf die Wichtigkeit des Schlagwortes hinwies: „Das ist doch alles zu einfach. Es kann doch nicht genügen, eine Marke auf ein Schlagwort zu reduzieren.“ Zu einfach? Es ist bedeutend einfacher, für eine Marke ein strategisches Markenstatement mit drei, vier, fünf oder auch mehr Begriffen zu definieren. So eines besitzen mit Sicherheit auch Air Berlin oder Opel. Aber es ist verdammt schwierig, das eine Schlagwort zu finden, das am Markt in den Köpfen der Kunden wirklich den großen Unterschied macht. Nur genau dieses macht wirklich den großen Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg aus.

PS: Wie aber hätte Eva Glawischnig auf die Frage „Sagen Sie uns ein Schlagwort, wofür Ihre Partei in der Finanzkrise steht?“ antworten können? Hier zwei Möglichkeiten:

(1) „Wir stehen für „gemeinsam“. Denn diese Krise kann Europa nur gemeinsam meistern. Dies erfordert aus unserer Warte auf europäischer Ebene folgende Maßnahmen. …“ So hätten alle Maßnahmen eine gemeinsame Idee und würden so in Summe noch stärker werden.

(2) „Wir stehen für „Vernunft“, denn in dieser Krise helfen weder Hetze noch Panikmache. Deshalb fordern wir folgende Maßnahmen. … .

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6 Antworten zu Die unterschätzte Macht des Wortes oder was man von den Grünen, Air Berlin, Opel und dem US-Wahlkampf 2008 lernen kann

  1. Ralf Tometschek schreibt:

    Spannende Analyse! Geox „dehnt“ zwar nicht den Begriff „atmet“, dennoch ist der Sprung zum Gesamtmode-Anbieter für mich nicht astrein. Weiß allerdings nichts über Zahlen dahinter, genauso wenig wie bei Tempo, das nun nicht mehr nur unserer Nase dienen soll. Beides gut besetzte Marken, die die Anforderung „Schlagwort/Markenkern“ erfüllen; aber sich aus meiner Sicht da auf sehr riskantes Gebiet vorwagen. Auto: BMW und Audi sind klar definiert, Volvo probiert gerade aus dem Schlagwortbereich Sicherheit herauszukommen (=Fehler) aber VW ist zB für mich bis auf den Namen Volkswagen auch nicht wirklich „positioniert“. „Das Auto“ ist wohl nach „Liebe“ und anderen Versuchen ein weiterer Versuch. Klingt dennoch nach „das eine für alles“, was dem Prinzip Marke aber widerspricht. Auf der anderen Seite: wenn man „Das Auto“ ist, fordert man irgendwie als Platzhirsch die anderen heraus zu sagen, was denn sie nun sind. So wie Red Bull (mit sämtlichen Ausflügen der Dehnung) DER Energiedrink ist.

    • michaelbrandtner schreibt:

      Viele Unternehmen gehen heute auch mit ihrem jeweiligen Schlagwort falsch um. Geox steht für „atmet“ bei Schuhen. Bei Kleidung denkt man viel eher an Gore-tex als Faserhersteller. Geox wird als „Schuherzeuger“ nicht als Bekleidungserzeuger gesehen. Mein US-Partner Al Ries empfiehlt Unternehmen daher zuerst den Kategoriefokus festzulegen, um dann den Fokus innerhalb der Kategorie zu definieren. Fokus 1 für Geox: Schuhe. Fokus 2: atmet.
      Tempo als Marktführer besitzt die Kategorie „Papiertaschentuch“ in den Köpfen der Kunden. Klopapier ist zwar auch Papier, aber keines für die Nase. Fokus 1: Paiertaschentücher. Fokus 2 das „führende“ Papiertaschentuch.
      Volvo besitzt „Sicherheit“ bei Autos, aber bei Volvo sieht man diese Idee anscheinend als „Gefängnis“, deshalb will man zwanghaft die Position erweitern. Keine gute Idee! Noch Anfang der 1990er Jahre etwa war Volvo das meistverkaufte Premiumimportauto aus Europa in den USA vor Mercedes-Benz, BMW, Audi und Porsche. Heute liegt man klar hinter BMW, Mercedes und Audi.
      VW ist deshalb interessant, weil „Das Auto“ sicher in Wolfsburg und auch in Deutschland stimmt. Mehr noch: Es stimmt überall dort, wo VW das meistverkaufte deutsche Auto ist. Das heißt aber auch. Man muss diesen Claim auch international auf Deutsch einsetzen.
      Fazit: Es geht nicht nur darum, dass eine Wort zu finden. Man muss es dann auch pflegen. Nur genau das tun viele Unternehmen nicht und dann besteht die Gefahr, dass man im Laufe der Zeit für nichts mehr steht.

    • J. Genath schreibt:

      Mein erster Gedanke als ich die Tempo-Klopapier-Werbung sah: Was soll das denn? So ein Quatsch! Ich war irritiert und habe bis heute keinen Drang verspürt es zu kaufen 🙂 … Meine Nase freut sich jedoch weiterhin auf Tempo 😉

      • J. Genath schreibt:

        Ich überprüfe einmal meine eigenen Schlagwörter im Kopf: 🙂
        Immobilien – Immobilienscout24
        Geldcoach – Bodo Schäfer
        Bücherhandel online – Amazon
        Friseur ohne Termin – Haarfabrik
        Schon interessant wie man bestimmte Begriffe fest im Kopf verankert. 😉

  2. Pingback: Die Macht des Wortes oder wer wird der nächste US-Präsident(schaftskandidat) | Brandtner on Branding

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