Markenkiller „Content“ oder neue Medienmodelle braucht das Land

Das aktuelle Zauberwort in der Medienbranche lautet mit Sicherheit „Content“. So sehen sich viele Medien auch nicht mehr als Medium im Sinne eines Fernsehsenders, eines Radiosenders, einer Zeitung oder einer Zeitschrift, sondern als „Contentlieferant“. Das heißt: Man generiert Content, um diesen dann über mehrere Kanäle zu transportieren.

Der übersehene Punkt

Klingt logisch! Nur übersieht man dabei vor allem im Internet einen extrem wichtigen Punkt, nämlich diesen: Je wichtiger für die Kunden der Content wird, desto weniger wichtig wird die traditionelle Offline-Medienmarke. Das gilt vor allem für klassische Tageszeitungen und für themenübergreifende Magazine. So zeigen auch aktuelle Studien, dass das Markenbewusstsein von „Online-Zeitungslesern“ weniger ausgeprägt ist als das von traditionellen Zeitungslesern.

Die große Veränderung: Früher griff man bewusst zu einer Tageszeitung. Man entschied sich also für eine oder bei Viellesern für mehrere Marken. Bei der Auswahl stand also die Zeitungsmarke im Mittelpunkt. So bekam man dann täglich seine Krone, seinen Kurier oder seinen Standard, egal welche Artikel dann Tag für Tag in der jeweiligen Zeitung erschienen. Im Internet steht dagegen immer mehr der Content im Mittelpunkt. Die Zeitungs- oder Zeitschriftenmarke wird dabei immer mehr in den Hintergrund gedrängt werden.

Noch meist beruhigende Zahlen

So hat der Analyse-Dienst similiarweb.com unter anderem untersucht, woher die Klicks online bei Zeitungen und Zeitschriften in Österreich kommen. Unten sehen Sie die Quellen, woher die Klicks kamen, in Prozent:

                             Facebook         Google       Direkt        Andere

Wirtschaftslatt.at                19,0                22,1            48,1             10,8

Salzburg.com                       13,1                 32,3            46,8              7,8

Diepresse.com                     12,7                 23,8             53,4            11,1

Kleinezeitung.at                  10,3                 18,1              61,9              9,7

Kurier.at                                8,6                  24,0             56,3            11,1

Derstandard.at                     8,1                  12,9              64,3            14,7

Krone.at                                7,6                   15,2              67,9              9,3

Nachrichten.at                     7,3                   25,6              58,9              8,2

Heute.at                              20,5                  33,8              38,4              7,3

News.at                                 2,7                   24,2              65,5              7,6

Woman.at                            20,0                 50,4              22,2              7,4

Miss.at                                 70,2                  13,3              12,9               3,6

Meinbezirk.at                     16,3                  53,4               23,7               6,6

Generell sehen diese Zahlen nicht schlecht aus und sprechen dafür, dass es auch heute noch eine große Markenbindung wie etwa bei Derstandard.at gibt. Nur ist es fraglich, ob die nachwachsende Generation, also die echten Digital Natives auch noch diese Markenbindung haben werden.

Den Themenfokus verengen

Damit kann man zu folgender These kommen: Je spezieller und tiefer ein Medium vom Themenschwerpunkt ist, desto eher wird es zur ersten Adresse für Interessierte in diesem Themenbereich auch im Internet werden. (Das ist etwa auch die Stärke vieler Blogs oder YouTube-Kanäle.) Je breiter und unspezifischer ein Medium im Internet ist, desto eher wird man vom Content, also speziell auch von Google & Co. abhängig sein. Nur damit verliert man dann auch massiv an Markenbedeutung.

Das ist dann wie bei einem Buch. Niemand kauft ein Buch, weil es in einem bestimmten Verlag erschienen ist. Da geht es beim Kauf nur um Titel, Autor und Inhalt. Für Harry Potter-Leser ist es komplett egal, in welchem Verlag das Buch erschienen ist. Und genau für diese digitale Content-Welt ist das alte Zeitungs- und auch Zeitschriftenmodell nicht wirklich geeignet.

Implikationen für die Zeitungs- und Zeitschriftenwelt

Das heißt: Die Zeitungs- und Zeitschriftenherausgeber sollten auf der einen Seite ihr Zeitungs- und Zeitschriftenmodell natürlich weiterentwickeln, sie sollten aber auf der anderen Seite zusätzlich nach neuen Geschäftsmodellen unter neuen Markennamen für das Internet suchen, statt krampfhaft daran festzuhalten, dieses alte Printgeschäftsmodell ins Internet zu übertragen.

Denn wenn man sich die wirklich erfolgreichen Marken im Internet ansieht, dann sind das die reinen Internetmarken wie Google, YouTube, Facebook, Ebay, Amazon, Pinterest, Twitter, Spotify, Netflix und viele mehr. Das heißt: Das Internet wird neue Nachrichten-Modelle und damit neue Nachrichten-Marken brauchen, die speziell für das Internet entwickelt werden. Wenn es nicht die Zeitungsherausgeber machen, wird es jemand anderer machen.

Fazit: Wäre ich Zeitungs- oder Zeitschriftenherausgeber, würde ich natürlich an meinem bestehenden Geschäftsmodell Zeitung bzw. Zeitschrift weiterarbeiten, aber parallel dazu würde ich neue Nachrichten-Geschäftsmodelle unter neuen Markennamen speziell für das Internet entwickeln. Nur dazu darf man nicht „Zeitung“ oder „Zeitschrift“ denken. Dazu muss man sich aus der Print-Denkklammer befreien.

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4 Antworten zu Markenkiller „Content“ oder neue Medienmodelle braucht das Land

  1. Christian Berentzen schreibt:

    Das sehe ich genauso. Es ist so wie bei vielen Lebensmittelmarken, die immer wieder versuchen Lineextensions zu launchen, anstatt auf einen neuen Markennamen zu setzen, der für die Markenidee und -kategorie steht. Welche Marke ist eigentlich eine erfolgreiche, reine Internet-Zeitschrift oder -Zeitung?

    • michaelbrandtner schreibt:

      Vielen Dank für Ihren Kommentar. Zu Ihrer Abschlussfrage: Keine! Die Frage ist auch, ob es eine Internet-Zeitschrift oder -Zeitung sein sollte. Vielmehr ist die Frage, wie könnten neue Online-Nachrichtenmodelle entstehen? Google ist auch kein besserer Herold oder keine besseren Gelben Seiten.

      Liebe Grüße

      Michael Brandtner

  2. Reinhard Lanner schreibt:

    Kenne zwar die betriebswirtschaftlichen Zahlen nicht, aber: Huffington Post könnte sowas sein. The Guardian schaffte den Sprung ins Netz auch ganz gut.

  3. michaelbrandtner schreibt:

    Natürlich wird es immer wieder „erfolgreiche“ Ausnahmen geben. In Österreich wird Der Standard als Erfolgsmodell gesehen, wie man Print und Online verbindet. Nur das ist nicht der Punkt, den ich machen wollte. Denn man wird so immer mit „Print-Handbremse“ im Internet unterwegs sein. Und welche Möglichkeiten würde es ohne Print-Handbremse geben? Oder welche wären denkbar, wenn man sich nicht selbst mit Print geistig einschränken würde?

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