„Saurer Regen“, „Ozon-Loch“, „Stickoxide“, „Kohlendioxid“ und wahrscheinlich demnächst „Methan“. Obwohl oder vielleicht besser weil Klima- und Umweltschutz ein extrem komplexes Thema ist, wird medial immer nur auf ein Teilthema fokussiert. Das hat auch sehr viel mit unserem menschlichen Gehirn zu tun, das es liebt, komplexe Themen zu übervereinfachen. Der Forscher Daniel Kahneman nennt dies „Fokussierungs-Illusion“ und bringt diese so auf den Punkt: „Nichts im Leben ist so wichtig, wie du denkst, dass es ist, während du an es denkst.“
Die fokussierten Themen der digitalen Welt
Auch die komplexe digitale Welt wurde und wird so immer wieder auf wenige Highlights oder Kernthemen im Zeitablauf reduziert oder fokussiert. In den 1970er und frühen 1980er Jahren war Hardware das Thema Nr. 1. Dann folgten Themen wie Software, World Wide Web, Smartphone, Cloud und ganz aktuell haben wir Metaversum und KI.
Das heißt: Aktuell haben wir zwei große Themen. Und natürlich hätten beide Themen das Potenzial und die Größe das nächste Megathema zu werden. Das Metaversum hatte dabei – vor allem medial – durch das Umtaufen von Facebook auf Meta und durch den ersten großen NFT (Non-Fungible Token)-Hype einen medialen Zeitvorsprung. Das Thema KI hat vor allem durch ChatGPT aktuell enorm an Fahrt aufgenommen.
Zukunft und Gegenwart
Rein technologisch gesehen könnten beide sicher parallel Megathemen werden. Aus Marken- und Positionierungssicht könnte es aber sein, dass das eine Thema dem anderen Thema die Show und damit das Potenzial zum Megathema stiehlt. Dazu sollten wir das Ganze aus zwei Perspektiven genauer unter die Lupe nehmen:
Wie es aktuell aussieht, dürfte dabei das Metaversum mehr rein Zukunftsthema sein, während KI mehr ein Gegenwarts- und Zukunftsthema ist. Dies zeigt auch eine aktuelle Studie (WPT Outlook 2022 – 2023). Darin sehen 69 Prozent der Befragten KI als die bestimmende Technologie für die nächsten Jahre, gefolgt von 5G (28 Prozent), Metaversum (16), Keine Technologie (14) und Virtual Reality, Mixed Reality und Augmented Reality (jeweils 9 Prozent).
Spannend dabei aus Markensicht ist, dass vor allem das Top-Management und die Top-Management-Beratungen große Zukunftsthemen lieben, während sich am Markt in der Regel die Ideen durchsetzen, die es schaffen Gegenwart und Zukunft zu verbinden. Während sich etwa um die Jahrtausendwende Yahoo! mit der Megazukunftsidee „Portal“ ins Abseits beförderte, wurde Google mit der konkreten Idee „Suchmaschine“ zum Internetsuperstar.
Fokus von Ressourcen
Dazu kommt aber noch eine dritte Perspektive, die vor allem die Unternehmens- oder sogar konkreter die Ressourcenseite betrifft. Dadurch, dass KI aktuell sehr viel greifbarer ist und wirkt, werden wahrscheinlich viele Unternehmen jetzt ihre Ressourcen eher in Richtung konkrete KI-Anwendungen als in eher abstrakte Metaversum-Ideen investieren. So gesehen könnte KI nicht nur das wirklich große Megathema der nächsten Jahre und des nächsten Jahrzehnts werden, sondern gleichzeitig auch der „Killer“ des Metaversums sein.
Aus dieser Perspektive betrachtet, wird der Konzern Meta aktuell von zwei ganz konkreten Ideen massiv herausgefordert, a) von TikTok und b) vom Megathema KI. Meta könnte so aus Markensicht doppelt den Fokus verloren haben: (1) Statt weiterhin die Führungsrolle bei Sozialen Netzwerken einzunehmen, hat man diese durch Meta viel zu sehr vernachlässigt. (2) Man hat unter Umständen auf das falsche Zukunftspferd gesetzt und gleich den gesamten Konzern in diese Richtung umbenannt. (Siehe dazu auch meinen Blog-Beitrag „Facebook oder das dreifach risikoreiche Meta(verse)-Rebranding/“ vom 8. November 2021).