Fußball zuhause oder doch Public Viewing? Anzug oder doch Business Casual? Schwimmbad oder Fitnessstudio? Kaffee oder Tee? Wein oder Bier? Streaming oder doch klassisches Fernsehen? Vegetarisch oder vegan? Urlaub am Meer oder doch in den Alpen? Laut Studien treffen wir so bis zu 20.000 meist kleine Entscheidungen am Tag. So ist es auch kein Wunder, dass man auf die Frage „Was hättest Du gerne zum Abendessen?“ einfach oft mit „Was gibt es denn?“ antwortet. Auswählen ist leichter als selbst Nachdenken.
Denkabkürzungen als Ausweg
Das heißt aber auch: Unser Gehirn wäre total überfordert, wenn es bei all diesen 20.000 Entscheidungen wirklich nachdenken müsste. Alleine der wöchentliche Einkauf im Supermarkt oder beim Diskonter würde so nicht nur enorm viel Zeit kosten, sondern auch uns oder besser unser Gehirn massiv überfordern.
So hat unser Gehirn in der Evolution schnell gelernt, auf Denkabkürzungen, also auf bewährte Entscheidungsmuster zu setzen. So gesehen ist auch Marke, wenn diese mit einer Kaufentscheidung eng verbunden ist, letztendlich nichts anderes als eine Denkabkürzung. Sie denken an Cola. Sie denken an Coca-Cola. Sie denken an einen Hamburger. Sie denken an McDonald’s. Sie denken an einen Energydrink. Sie denken an Red Bull.
Hierarchie versus Preis
Bei den drei oben genannten Beispielen ist es relativ einfach, weil hier wirklich eine Marke den Markt oder besser die Kaufentscheidung mental dominiert. Nur in immer mehr Märkten gibt es keine klare Rangordnung oder Hierarchie in den Köpfen der Kunden. Hier herrscht dann mehr mentales Chaos als mentale Ordnung.
Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass viele Marken in den letzten Jahren und Jahrzehnten überdehnt wurden. Man versuchte den eigenen Markenkern zu nutzen, um in immer neue Kaufentscheidungen vorzudringen. Kurzfristig mag das blendend funktionieren. Nur langfristig verlieren die Kunden so den Überblick, weil die Marken so unübersichtlicher werden, und weil sich so die Marken in der Wahrnehmung in vielen Fällen auch ähnlicher werden.
Jetzt könnten sich die Kunden natürlich durch Studieren und Analysieren der Situation einen besseren Überblick verschaffen. Nur das wäre ein enormer mentaler Mehraufwand, wenn man alleine die Vielzahl der Entscheidungen bedenkt. Aber es gibt für unser Gehirn einen einfachen Ausweg: Man ersetzt die Denkabkürzung Marke durch die Denkabkürzung Preis. Wenn alles als immer ähnlicher wahrgenommen wird, dann kann man auch immer öfter zur Eigenmarke oder zum Sonderangebot greifen.
Langfristig versus kurzfristig
Viele Markenverantwortliche beklagen heute, dass die Kunden sich immer kurzfristiger, oft erst sogar am Point of Sale entscheiden. Nur wenn man am Point of Sale alles als immer ähnlicher und austauchbarer wahrnimmt, dann werden Kunden natürlich anfälliger für aktuelle Aktionen. Gleichzeitig verliert die Marke an Bedeutung. Dazu zwei Fragen an alle Markenverantwortliche, die man sich wahrscheinlich viel zu selten stellt:
(1) Wie geordnet ist aktuell Ihr Markt aus Sicht der Kundenwahrnehmung? Gibt es eine klare Rangordnung aus Marken- und Kaufentscheidungssicht oder nicht?
(2) Wo steht Ihre Marke dabei und vor allem auch, welchen Beitrag könnte Ihre Marke für mehr mentale Ordnungen und mehr Markenkraft verbal und visuell leisten?
Dazu noch ein wichtiger Punkt: Je mehr Ordnungsbeitrag Ihre Marke leistet, desto effektiver sind auch alle Kommunikationsmaßnahmen, weil diese dann die Ordnung und Ihre Marke verstärkt. Leider zeigt aktuell unsere Erfahrung, dass viele Markenverantwortliche enormes verbales und visuelles Marken- und Marktpotenzial liegen lassen, weil man sich viel zu wenig um diese „Ordnungsfunktion“ kümmert.
Mehr dazu auch in meinem neuen Buch SIEGERMARKEN, das im Herbst dieses Jahres erscheinen wird.
