Wenn ein Erfolgsfaktor in der Markenführung unterschätzt wird, dann ist das der Faktor Timing. Dabei sollte man aber klar zwischen Wirtschaft und Politik unterscheiden. In der Wirtschaft bedeutet Timing – über einen längeren Zeitraum betrachtet – vor allem, dass man nie auf die kumulative Wirkung aller Maßnahmen vergessen sollte. In der Politik bedeutet Timing, dass man alles zeitlich so inszeniert, dass man am Wahltag gewinnt.
Den ersten Aufschwung nicht genutzt
Schon kurz nachdem Kamala Harris von den Demokraten als Präsidentschaftskandidatin nominiert wurde, war eine typische Medienmeldung: „Die neue Spitzenkandidatin der Demokratischen Partei ist zwar verspätet, dafür umso erfolgreicher in den Präsidentschaftswahlkampf gestartet.“ So brachte Harris mit Sicherheit neuen Schwung in den Wahlkampf.
Nur genau diesen ersten Schwung nutzte man nicht, um ein starkes Kampagnenthema zu entwickeln. Kurzfristig glaubte man, dass man mit Joy oder Freedom punkten könnte. Aktuell heißt es zentral auf der Website von Kamala Harris: „A NEW WAY FORWARD FOR THE MIDDLE CLASS“. Wahrscheinlich möchte sie damit an die Forward Kampagne von Barack Obama aus dem Jahr 2012 anschließen, die aber bei weiten schon damals nicht die Kraft von „Change we can believe in“ aus dem Jahr 2008 hatte.
Das heißt: Harris hätte unbedingt diesen ersten Schwung aus Markensicht nutzen müssen, um ein starkes Kampagnenthema zu entwickeln, das es mit „Make America great again“ und „Fight! Fight! Fight!“ aufnehmen hätte können. Eine Idee dazu wäre „Unite! Unite! Unite!“ gewesen. Während Trump klar für das Trennende steht, hätte Harris für das Gemeinsame und Verbindende stehen können.
Barack und Michelle Obama suboptimal genutzt
Erschwerend kam hinzu, dass sich vor allem zu Beginn auch Barack Obama zögerlich zeigte, ob Harris wirklich die richtige Kandidatin sei. Damit verspielte man auch die Chance von Anfang an ein starkes gemeinsames Kampagnenthema emotional und glaubwürdig vorzustellen.
Gerade ein Slogan oder Thema wie „Unite! Unite! Unite!“ wäre perfekt gewesen, um gemeinsam, also von Kamala Harris, Barack und Michelle Obama präsentiert und zelebriert zu werden. Das heißt: Auch hier war das Timing alles andere als perfekt.
Eine Frage der Führungsposition
Wie es aktuell laut Umfragen aussieht, dürfte es extrem knapp zwischen Trump und Harris werden. Das zeigen auch die aktuellen Umfragen, in zu denen beide Kopf an Kopf liegen. Wenn man das Ganze aber aus Sicht des Wahltags beleuchtet, hat Trump aus Markensicht gerade bei den Unentschlossenen einen Vorteil. Er steht für etwas, nämlich für „Make America great again“ und für „Fight! Fight! Fight!“. Damit hat er eine Art „Führungsposition“ in der Wahrnehmung. Genau hier liegt eine klare Schwäche von Harris. Ihr fehlt die eine zentrale Idee und damit eine eigene mentale Führungsposition. So gesehen könnte es sich für die Demokraten rächen, dass man nicht frühzeitig den ersten Aufschwung nutzte, um wirklich ein starkes Thema gekonnt zu präsentieren und zu zelebrieren.
