Das Gesetz des Leadprodukts oder was man von BlackBerry Z10, Bionade Cola und McDonald’s McCurrywurst lernen kann

„RIM hießt jetzt BlackBerry“. Dies vermeldete die österreichische Tageszeitung Der Standard am 31. Januar dieses Jahres. So will sich BlackBerry mit neuem Betriebssystem und neuem Firmennamen noch einmal neu erfinden, um aus der Krise herauszukommen.

Der mentale Haken fehlt

Dazu bringt man natürlich mit dem Model Z10 ein komplett neues Smartphone-Flagschiff auf den Markt, um gegen die marktdominierenden iOS- und Android-Smartphones wieder zu punkten. So verzichtet man diesmal auf die typische BlackBerry-Tastatur, um erstmals auch nur auf einen Touchscreen zu setzen. Aus Produktsicht mag dies so logisch erscheinen. Aus Markensicht nicht.

Dazu sollte man sich folgende Frage stellen: „Mit welcher Idee sollen die Kunden das neue BlackBerry Z10 abspeichern?“ Wie es zurzeit aussieht, wird das Z10 das Schicksal der meisten neuen Produkte teilen. Es wird einfach in der Masse der neuen und besseren Produkte sang- und klanglos untergehen. Ihm fehlt nämlich der entscheidende mentale Haken, an dem die Kunden die Marke festmachen können. Ihm fehlt eine Art „Eselsbrücke ins Gehirn“.

Branding by Eselsbrücke

Gerade wenn Marken wie BlackBerry in der Krise sind, sollte man auf ein Leadprodukt setzen, mit dem man die Marke in Summe neu und stärker positionieren kann. Nur benötigt man dazu mehr als nur ein Produkt. Man benötigt dazu auch eine Art „mentaler Haken“, wie man das neue Produkt im Kopf abspeichern kann.

Genau das war und ist auch das Problem des Nokia Lumias. Wie ist das neue Lumia in den Köpfen der Kunden abgespeichert? Ich befürchte, dass es für die meisten entweder nur ein Smartphone unter vielen ist oder nur das Smartphone von Nokia ist. So wird auch das Z10 entweder als weiteres Smartphone oder als das Smartphone von BlackBerry „enden“. Oder nehmen Sie das Surface von Microsoft! Auch hier ist die Gefahr groß, dass dieses als weiteres Tablet unter vielen „enden“ wird. Erschwerend kommt hinzu, dass es weder Fisch (Tablet) noch Fleisch (Laptop) ist. So meinte eine österreichische Tageszeitung zum neuen Microsoft Surface: „Tablet mit Laptop-Allüren“.

Wenn man sich erfolgreiche Leadprodukte ansieht, die sich wirklich positiv auf die jeweilige Marke auswirkten, dann findet man in der Regel mehr als nur ein neues Produkt und einen neuen Modellnamen. Man findet zudem einen mentalen Haken, wie man das neue Produkt samt dem neuen Namen im Gedächtnis abspeichern kann.

Marken/Modellname ….. Mentaler Haken oder Eselsbrücke

Chrysler Voyager ….. Der erste Minivan in den USA

Renault Espace ….. Der erste Minivan in Europa

KTM Duke ….. Die erste Hard-Enduro

Motorola Razr ….. Das flachste Handy der Welt

Apple iPod ….. Der erste MP3-Player mit Harddisc

Apple iPhone ….. Das erste Nur-Touchscreen-Smartphone

Apple iPad ….. Das erste Nur-Touchscreen-Tablet

Ries & Trout ….. Positioning

Das heißt: Sie müssen Ihr neues Produkt auf eine einfache Art und Weise verbalisieren können. Der beste Weg dazu: Sie schaffen in den Köpfen der Kunden eine neue Produkt- oder Dienstleistungskategorie, um diese dann nachhaltig zu besetzen.

Nur damit ist es nicht getan. Entscheidend ist dann, wie man das Leadprodukt für die Positionierung der Marke in Summe nutzt. Nach dem Erfolg des Chrysler Voyager positionierte sich Chrysler in Summe kurz als „The Minivan Company“. Nur genau das hätte man durchziehen sollen, um weltweit diesen Markt dauerhaft zu dominieren. Nur genau das machte Chrysler nicht. So ist man heute nur ein weiterer Autoerzeuger unter vielen. Denselben Fehler machte Motorola auch mit dem Razr. Ganz anders KTM mit der Duke oder Apple mit dem iPod. KTM nutzte die Duke, um sich voll und ganz auf Geländemaschinen zu fokussieren. Apple nutzte den iPod aus Markensicht perfekt, um nicht nur Apple in Summe als Technologieführer zu positionieren, sondern um auch ein perfektes Mehr-Marken-System mit iPod, iPhone und iPad zu schaffen.

Das kann auch bei Dienstleistungen perfekt funktionieren. Ende der 1960er Jahre hatte Al Ries eine Werbeagentur in New York. 1972 schrieb er gemeinsam mit seinem damaligen Partner Jack Trout dann eine dreiteilige Artikelserie für Advertising Age mit dem Titel „The positioning era cometh“. Die Dienstleistung „Positioning“, die in diesem Artikel den Lesern präsentiert wurde, machte dann aus der Werbeagentur im Laufe der Zeit im Sinne einer Leaddienstleistung die Marketingstrategie-Beratung Trout & Ries, die sich dann 1994 in Ries & Ries und Trout & Partners aufspaltete.

Bionade Cola und McDonald’s Currywurst

Wie aber sieht das nun bei Bionade mit der neuen Cola und bei McDonald’s mit der neuen McCurrywurst aus? Wann immer man ein neues Produkt einführt, gibt es grundsätzlich drei markenstrategische Möglichkeiten:

(1) Man führt das neue Produkt als weitere Variante ein, um das eigene Angebot (hoffentlich im Sinne der Kunden und der Marke) zu erweitern.

(2) Man führt das neue Produkt als kurzfristige Aktion ein, um in einem begrenzten Zeitraum mehr Umsatz zu erzielen und um die Marke aktuell zu halten.

(3) Man führt das neue Produkt im Sinne eines Leadprodukts ein, um die Marke generell neu und stärker am Markt zu positionieren.

Wie es zurzeit bei Bionade und bei McDonald’s aussieht, gehen beide den ersten Weg. Dafür werden beide Marken (aus meiner Warte auch zu Recht) von vielen Markenexperten heftig kritisiert. Denn als weiteres Produkt macht weder die Currywurst bei McDonald’s noch die Cola bei Bionade Sinn.

Aktion und Leadprodukt

Was aber würde passieren, wenn Bionade und McDonald’s auf eine der beiden anderen Strategien setzen würden? Starten wir mit McDonald’s! Natürlich würde eine Currywurst nie und immer für Big Mac als Leadprodukt Sinn machen. Aber wahrscheinlich wäre es für McDonald’s viel besser gewesen, einmal nur „McCurrywurst Wochen“ zu veranstalten. Bei Erfolg hätte man diese Aktion dann wiederholen können. Damit hätte das Ganze auch kurzfristig im Aktionszeitraum einen gewissen „Witz“ gehabt.

Wie aber sieht es jetzt bei Bionade aus? Für Bionade könnte die Cola ein echtes Leadprodukt sein, um die Marke gänzlich neu auszurichten. Dazu müsste Bionade nicht nur die Kategorie „das erste Bio-Cola“ etablieren, man müsste auch alle Mittel auf dieses eine neue Produkt fokussieren. Dann könnte Bionade in ein paar Jahren für „die Bio-Cola“ stehen, um eine starke Nr. 2 hinter Coca-Cola bei Cola-Getränken zu werden. Was wäre dann mit den anderen Sorten Bionade? Die würden entweder vom Heiligenschein-Effekt der Bio-Cola profitieren oder aber langsam von der Szene verschwinden. (Bionade und Bio-Cola passen auch vom Sprachklang perfekt zusammen.)

Der erste Schritt zum Rebranding mit einem Leadprodukt

Wann immer Sie eine bestehende Marke mit einem Leadprodukt repositionieren wollen, sollten Sie sich daher als Erstes folgende Frage stellen: „Wie lautet der Name der Kategorie, in der das Leadprodukt die Führungsposition einnehmen soll?“ Dazu müssen Sie in der Regel eine neue, unbesetzte Kategorie finden oder erfinden.

Nur genau damit beschäftigen sich anscheinend die wenigsten Entscheider in Unternehmen, wenn diese ein Leadprodukt wie das BlackBerry Z10 oder das Nokia Lumia einführen. Es geht anscheinend immer nur um das neue Produkt selbst, die neuen Produkt-Features, den neuen Produktnamen, das neue Design, die neue Werbelinie und vieles mehr. Nur all das kann man vergessen, wenn man darauf vergessen hat, die eine neue Kategorie sauber zu definieren. Das sollten heute Nokia, BlackBerry, Sony, Opel und viele andere bedenken, bevor man den nächsten Versuch startet, die Marke wieder mit neuen Produkten auf Erfolgskurs zu bringen.

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2 Antworten zu Das Gesetz des Leadprodukts oder was man von BlackBerry Z10, Bionade Cola und McDonald’s McCurrywurst lernen kann

  1. Erich Possselt schreibt:

    Das Problem bei Bionade ist, es wäre nicht die erste Bio-Cola. Der Markt ist längst voll damit. Hinuzu kommt, dass Cola mental als süß und ungesund verhakt ist. Das Gegenteil von dem, womit Bionade verbunden werden möchte. Mit der Übernahme der Marke durch Radeberger/Oetker, ist Bionade nur noch eine Konzernmarke, die – wie das Beispiel Bio-Cola zeigt – ihren Führungscharakter verloren hat. Trotzdem funktioniert sie noch eine Weile aus ihrer Historie heraus.

    Bei McDonald’s geht es doch im Grunde um etwas anderes als um eine Angebotserweiterung. Die Aktion mit Schubeck und Hoeneß stellt die Currywurst in eine Reihe von Versuchen, der Kritik an der Gleichmachung der Kultur, der sogenannten McDonaldisierung, etwas entgegen zu setzen (siehe Kommentar im Forum Markentechnik von Peter Sumerauer: https://www.facebook.com/groups/10150128895995438/permalink/10152557906190438/?notif_t=like). Die Currywurst sorgt für Aufregung und sie wird diskutiert, ja verhandelt. Die Leute gehen hin und probieren sie. Ja, einige regen sich über Mario Barth und über das Produkt an sich auf. Mal ehrlich, ich erwarte von McDonald keine Spitzenqualität sondern Fastfood. Was bleibt ist, dass McDonald einen lokalen Bezug herstellt. Als Aktionswoche wäre der Effekt zu schwach. Der mentale Haken „think global, act local“ findet hier nicht ganz so offensichtlich, aber wirksam seine Anwendung. Und es ist ja auch gut, wenn die Konsumenten nicht jeden Hakentrick sofort durchschauen, es reicht wenn sich die Experten damit beschäftigen.

    • michaelbrandtner schreibt:

      Hallo Erich,

      vielen Dank für Deinen Kommentar und Deine Anmerkungen!

      @ Bionade: Es mag viele Bio-Colas geben. Mir aber fällt keine führende Marke dazu ein. Daher denke ich sehr wohl, dass dies eine Chance für Bionade ist. Dazu kommt, dass Cola bei Limonaden das größte Segment ausmacht. Daher denke ich sehr wohl, dass Bionade mit der Fokussierung auf die Bio-Cola die Marke komplett neu ausrichten könnte.

      @ Mc Donald’s: Hier sollten die Verantwortlichen einmal einen Blick nach Österreich werfen, wie man mit „heimischen Aktionen“ sehr erfolgreich punkten kann, ohne die Marke zu verwässern.

      Liebe Grüße

      Michael

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